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Stadtleben

Keine Förderung

Finanzierung vom Netz kleiner Werkstätten ist ungewiss

  Keine Förderung | Finanzierung vom Netz kleiner Werkstätten ist ungewiss

Seit über 20 Jahren unterstützt das Netz kleiner Werkstätten Leipziger Jugendliche ohne Arbeit oder Ausbildung bei der Orientierung und den nächsten Lebensschritten. Jetzt soll Schluss sein – weil die Finanzierung fehlt.

Zwei Sätze sollten ausreichen, um den Betreibern des Netzes kleiner Werkstätten mitzuteilen, dass eine erneute finanzielle Förderung durch das Jobcenter Leipzig nicht erfolgt. Grund dafür seien »wirtschaftliche und preisliche Gründe«, wie es in dem Bescheid des Jobcenters heißt. Für Frank Braun, den Leiter des Angebots, ein Schock: »Wir haben mit dem Jobcenter über zwei Jahrzehnte zusammengearbeitet, doch leider haben wir die Ausschreibung dieses Mal nicht gewonnen.“

Das Netz kleiner Werkstätten wurde 2002 von der Stadt Leipzig, dem Jugendamt, dem damaligen Kriminalpräventionsrat und dem Berufsbildungswerk Leipzig (BBW) gegründet. Träger ist das BBW. Die Organisation bietet Jugendlichen zwischen 15 und 25 Jahren unterschiedliche Praxisangebote mit sozialpädagogischer Betreuung an. So können die jungen Erwachsenen etwa in der hauseigenen Radwerkstatt, im Garten- oder auch Pflegebereich arbeiten. Ende vergangenen Jahres wurde ein neues Büro bezogen und die bisherigen Angebote sollten erweitert werden. Mittlerweile sieht alles anders aus: Die 40 Plätze, die bisher vom Jobcenter finanziert wurden, drohen einfach wegzufallen.

Jedes Jahr können sich unterschiedliche Träger um die Finanzierung des Jobcenters im Rahmen der »Aktivierungshilfe« bewerben. Mit der offenen Ausschreibung war also im Vornherein klar, dass auch andere Träger den Zuschlag bekommen können. Das BBW und Frank Braun bemängeln nicht nur das Ausschreibeverfahren für Arbeitsmarktdienstleistungen dieser Art, sondern insbesondere die mangelnde Transparenz. Deshalb klagt das BBW aktuell in der zweiten Runde in einem Widerspruchsverfahren vor der Bundesvergabekammer. »Uns geht es als Unternehmen darum, die Vergabeentscheidung transparenter zu machen«, erklärt Braun. »Ein Bieter soll erfahren, warum er letztendlich nicht genommen wurde.«

Auf Nachfrage erklärt das Jobcenter Leipzig, wie die Auswahl getroffen wurde: „Erst wenn ein Angebot die fachliche Wertung passiert hat, wird der Preis bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes mit in Betracht gezogen.“ Einfach ausgedrückt bedeutet das: wenn das inhaltliche Konzept stimmt, werden in einem zweiten Schritt die Preise der verschiedenen Träger verglichen. Aufgrund des schwebenden Widerspruchsverfahrens möchte sich keiner der Beteiligten dazu äußern, welcher Träger die Ausschreibung gewonnen hat.

Im Zuge von Recherchen des kreuzer geben mehrere Quellen allerdings an, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um die Fortbildungsakademie der Wirtschaft (FAW) in Leipzig handelt.  Diese bestätigt auf Anfrage lediglich, dass man sich auf die Ausschreibung beworben habe. Die FAW bezahle ihre Mitarbeiter »entsprechend dem Tarifvertrag der Weiterbildungsbranche und teils darüber.« Das Netz kleiner Werkstätten orientiert sich am Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes und dürfte damit wesentlich höhere Ausgaben haben.

Besonders betroffen von der Finanzierungsfrage sind die Jugendlichen, die aktuell beim Netz unterkommen. Bis das Widerspruchsverfahren entschieden ist, hängen viele von ihnen in der Schwebe. Gerade jetzt ist das fatal, denn Ausbildungs- und Schulbeginn ist erst in einigen Monaten. »Was sie bei uns aufgebaut haben, droht jetzt verloren zu gehen«, meint Braun. Von Seiten des Jobcenters heißt es lediglich, man habe den Jugendlichen Gesprächsangebote unterbreitet und weitere Schritte festgelegt. Frank Braun berichtet, dass über die Hälfte der Jugendlichen die Maßnahmen gerne beim Netz weiterführen würden.

Aktuell ist er damit beschäftigt, Förderanträge zu schreiben, etwa für Mittel des Europäischen Sozialfonds. »Wir versuchen außerdem, mit der Stadt ins Gespräch zu kommen, um die kommunal geförderten Plätze zu erhöhen«, berichtet er. Bis zum Herbst sollen so Finanzierungsmöglichkeiten gefunden werden, um das jetzige Angebot erhalten zu können – und auch die damit verbundenen Arbeitsplätze. Die Zukunft des Netzes kleiner Werkstätten bleibt bis dahin ungewiss.

Titelbild: Berufsbildungswerk Leipzig


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