»Gerade in Zeiten, in denen Flucht und Vertreibung in Europa wieder drastischer hervortreten, ist Dialog umso wichtiger«, schreibt Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, in seinem Grußwort zum Leipziger Kulturfest der Roma und Sinti.
Nachdem in Leipzig am 8. April, dem Roma Day, zum ersten Mal die internationale Roma-Flagge vor dem Neuen Rathaus gehisst wurde, findet im Juni nun zum zweiten Mal das Latcho-Dives-Festival (Romanes: »Ein schöner Tag«) statt. Es wird vom Verein Romano Sumnal in enger Zusammenarbeit mit dem jüdischen Kulturzentrum Ariowitsch-Haus organisiert.
Der Verein mit Sitz in Grünau ist die einzige Selbstorganisation von Roma und Sinti in Sachsen. Er setzt sich seit 2013 mit Jugendarbeit, verschiedenen Beratungsangeboten und Projekten gegen Antiromaismus ein. Auch die geschichtliche Aufarbeitung ist Teil der Arbeit. Ziel ist es, zu Emanzipation und mehr Selbstbewusstsein unter den in Leipzig lebenden Roma und Sinti beizutragen sowie zu einer besseren Zusammenarbeit mit Nicht-Roma (»Gadje«).
Die an den Verein angegliederte Melde- und Informationsstelle Antiziganismus Sachsen (MIA), die ihre Arbeit im April aufgenommen hat, ist Anlaufstelle für Betroffene von Antiromaismus sowie für alle Menschen aus Sachsen, die antiromaistische Vorfälle melden oder sich beraten lassen wollen. MIA ist vernetzt mit anderen Initiativen und Beratungsstellen und kann so auch bei Anzeigen, Entschädigungen oder Schlichtungsgesprächen eine individuelle Hilfestellung leisten. In einem bundesweiten Portal werden die gemeldeten Fälle verglichen. Eine weitere Aufgabe von MIA besteht darin, das Thema Rassismus gegen Roma und Sinti öffentlich zu machen.
Das Festival, das alle zwei Jahre im Wechsel mit der jüdischen Kulturwoche stattfindet, war 2020 trotz Pandemie sehr gut besucht. Das berichtet Gjulner Sejdi, der erste Vorsitzende von Romano Sumnal. Ziel sei es, durch mehr Sichtbarkeit bestehende Vorurteile in der Gesellschaft abzubauen und positive Begegnungsräume zu schaffen. An verschiedenen Orten in Leipzig gibt es vom 18.bis 25. Juni ein umfangreiches Programm mit Konzerten, Ausstellungen, Workshops, Filmen, Lesungen und Podiumsdiskussionen. Eröffnet wird das Festival in diesem Jahr vom ersten Antiziganismusbeauftragten des Bundes, Dr. Mehmet Daimagüler. Der als Vertreter der Nebenklage im NSU-Prozess bekannte Rechtsanwalt trat sein Amt am 1. Mai an. Seine Aufgabe ist es jetzt, sich mit Rassismus gegen Roma und Sinti bundesweit auseinanderzusetzen und die Regierung zu beraten.
Das vollständige Programm finden Sie hier oder bei unseren Terminen.
INFO:
Um Diskriminierung gegenüber Roma und Sinti zu benennen, werden verschiedene Begriffe verwendet. Der geläufigste, der auch für den Titel des Beauftragten der Bundesregierung genutzt wird, ist Antiziganismus. Dieser erfährt jedoch auch Kritik, weil in ihm die Fremdbezeichnung enthalten ist, die Roma und Sinti auch heute noch rassistisch beleidigt.
Eine Alternative, die beispielsweise Gjulner Sejdi, dem Vorsitzenden von Romano Sumnal, bevorzugt wird, ist Antiromaismus. Hierzu bemerkt Sejdi allerdings, dass dieser Begriff die Gruppe der Sinti nicht explizit mit benennt. Auf europäischer Ebene würde Roma – anders als im deutschen Sprachgebrauch – als Überbegriff für verschiedene Gruppen wie die Manouche in Frankreich, die Kalderash in Spanien und die Sinti in Deutschland benutzt.
Ein weiterer möglicher Begriff ist Gadje-Rassismus. Gadje bezeichnet auf Romanes Menschen, die nicht Roma oder Sinti sind – der Begriff markiert also diejenigen, die den Rassismus ausüben, statt jene, die dadurch angegriffen werden.
Kontakt zu MIA
meldestelle@romano-sumnal.com
offene Sprechstunde: Mittwoch 13–16 Uhr
Tel. 24 78 52 44
Sprachnachricht: 01 57/72 11 61 25
Titelbild: Latcho Dives.