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Kultur

Blastbeats überm Entenfang

Festivaltagebuch: Beim In Flammen Festival trübten Bandabsagen die Metalstimmung nicht – nur ein paar Macker

  Blastbeats überm Entenfang | Festivaltagebuch: Beim In Flammen Festival trübten Bandabsagen die Metalstimmung nicht – nur ein paar Macker

»Ich stöpsel um, Peter, dann sollte es gehen.« Ja, die Tontechnik stimmte dann, aber so richtig in Fahrt kam die Band trotzdem nicht. Vielleicht war es einfach keine gute Idee, auf einem Metal-Fetival ohne Gitarre aufzutreten. Was soll‘s, einigen anderen Besuchern gefiel es trotzdem und es gab genug zu hören auf dem »In Flammen«-Festival in Torgau. Die meisten Menschen freuten sich riesig, sich endlich mal wieder treffen zu können.

Umgedrehte Holzkreuze ragten in die Luft, Lackspritzer simulierten Blut. Die Kruzifixe säumten den Weg zum »In Flammen«-Festival am Rand von Torgau. Ein Teufelsthron mit Totenschädel ließ sich fürs Foto besteigen. Vorrangig Schwarz trugen die Besucher, mit finsteren T-Shirt-Motiven. Sie alle zeigten sich gut gelaunt und entschlossen, ihre lange verschobene »höllische Gartenparty« über drei Tage zu feiern. Es wurde ein Fest, dem kurzfristige coronabedingte Absagen nichts anhaben konnten. Auch wenn es bitter war, dass mit Bitch Hammer ein Leipziger Lokalmatador und mit Paradise Lost einer der Headliner nicht antraten.

Wo einst die sächsischen Herzöge ihre Entenbraten züchten ließen, rührt Thomas Richter jährlich sein teuflisches Elixier zusammen. Zum 15. Mal lud er ins Naturschutzgebiet namens Entenfang am Rande Torgaus. Hier grasen sonst Pferde, ab Donnerstag kamen rund 1.000 Fans zusammen, um allerlei Spielarten des Metals zu feiern. Nur dank ehrenamtlicher Helfer ist der Kraftakt des zwanglosen Zusammenkommens und guter Musik zu stemmen. Dann das ist die Grundidee: Jeden Schnickschnack weglassen und sich aufs Wesentliche konzentrieren. Statt Wettbewerben ums kurvenreichste, nasse T-Shirt oder das geschickteste Luftgitarrenspiel wie auf anderen Festivals, geht es hier nur um Musik. Dass dem Publikum am Samstagnachmittag kostenlos Kaffee und Kuchen serviert werden, versteht sich auch nicht von selbst.

Tobias Prüwer
Besucher bei der
höllischen Gartenparty

Nach der donnerstägigen Warm-up-Party mit Feuershow fuhren auf zwei Bühnen Hochkaräter und Undergroundgrößen auf. In der kleineren Zeltbühne überzeugten vor allem Panzerkreuzer aus Dresden mit doomigem Death, ebenfalls Todesmetal lieferten Dehuman Reign (Berlin) in solider Qualität ab. Insgesamt war das Programm vom Death-Metal geprägt. Wie abwechslungsreich das trotzdem sein kann, bewiesen Incantation (Johnstown/USA). Angriffs- und spielwütig donnerte das Altherren-Geschwader auf der größeren Waldbühne los. Eingerahmt von Linden erlebte das Publikum einen schnörkellosen Auftritt, der vor allem auf rasche Tempo- und Tonwechsel setzte. Mehr Varianz als bei anderen Gigs pflegten Ultha (Köln) dieses Mal ein. Zwischen Black, Death und Doom changierend, rollten sie einen Klangteppich aus, der mal aus verspielter Melodie, dann wüstem Schrei oder trauriger Klage bestand – eine intensive Dreiviertelstunde.

Man konnte auch dem Festivalgelände gut Abstand halten, nur vor den beiden Bühnen war das nicht mehr möglich. Die meisten Besucher entschieden sich, keinen Mund-Nasen-Schutz zu tragen – völlig okay in Zeiten der Freiwilligkeit. Warum bei einem Besucher die Männlichkeit so fragil war, dass er sich von einem headbangendem Maskenträger gestört fühlte? Er wollte es nicht erklären, mir lieber ins Gesicht greifen. Immerhin war er zu langsam, auch seine dann mit mir rangelnden Kumpels sahen in mir den Störenfried, waren aber schon sichtlich zu angeschlagen, um groß etwas ausrichten zu können. Danke an das freundliche Pärchen aus Dresden, das vermittelnd half!

Der Vorfall war besonders schade, denn soeben hatten mit Memoriam (Birmingham/GB) absolute Sympathieträger und Weltklassemusiker ihren Auftritt absolviert (und das Adrenalin nüchterte mich wieder aus). Mit herzlichen Ansagen fügte Frontmann Karl Willetts das Potpourri aus Old-School-Death-Melodien zusammen. Tief tönten die Gitarren, besonders beeindruckte das permanent wechselnde Schlagzeug. Den Aufritt beendete ein Aufruf, sich gegenseitig zu respektieren. Das mag pathetisch klingen, aber er forderte nur ein, was ohnehin der superben Stimmung auf der Gartenparty entsprach – von einigen Ausnahmen einmal angesehen.


Bilder: Tobias Prüwer


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1 Kommentar(e)

Beate 22.07.2022 | um 11:22 Uhr

Wie du schon beschreibst, es war eine wundervolle familiäre Metalatmosphäre bei gutem Wetter und meist entspannten Freunden/innen der gitarrenlastigen,lauten und teuflischen Musik. Schade das es einige Absagen gab, aber die trübten die Stimmung nicht. Ich konnte wundervoll am Zelt rumhängen, in wenigen Minuten an den Bühnen oder den Ständen mit Fressalien halt machen. Das Festival ist super - genau so wie es ist und ich hoffe auf noch viele folgende... Riesenlob an das Orga-Team, die Helfer und alle anderen, die es jedes Jahr ermöglichen, dass wir dort eine gute Zeit verbringen... Gruz aus Leipzig, Beate