Kaum eine Leipzigerin ist so umtriebig in der Theatermusikwelt wie Friederike Bernhardt. Sie schrieb Bühnenmusik für viele Häuser und wirkte bei Rundfunkproduktionen mit, veröffentlichte Sound-Experimente zwischen Klavier und Elektronik als Bernhardt und ist Teil des Duos Geza Cotard. Unter dem Alias Moritz Fasbender erschien nun ihr erstes Album »13 Rabbits«. Zeit, um über Soloprojekte und Bühnenmusik, Selbstverwirklichung und die Arbeit am Theater zu sprechen.
2014 sagten Sie, man könne bereits auf ein Album gespannt sein, das 2019 erscheinen soll. Jetzt ist Ihr Debüt da.
Mir kam die ganze Zeit das Theater dazwischen. Die Aufträge und die Häuser wurden natürlich immer spannender. Da kam ich nachts nicht dazu, an meinem Album zu werkeln. Dann war ich in New York und hab es geschafft, meinen Theaterfluss zu unterbrechen. Tatsächlich sind auf der Platte zwei Stücke, die schon sechs, sieben Jahre alt sind. Alles andere ist relativ neu.
Kann man sich in der Arbeit fürs Theater selbst verwirklichen?
Ich habe am Leipziger Centraltheater angefangen. Das war eine harte Schule, durch die ich gegangen bin, mit schreienden Männern. Da habe ich gelernt, meine Musik von mir zu trennen. Ich hatte aber relativ früh einen eigenen Stil, für den ich dann angerufen wurde. Das heißt, ich kann im Theater machen, was ich will. Bei mir ist es nur leider so: Dadurch, dass ich damit so früh angefangen hab, konnte ich fast gar nicht anders, als bezogen auf etwas Musik zu machen. Einfach mal ein Album machen, wie jeder andere normale Musiker, fiel mir schwer.
Stichwort schreiende Männer: Wie unterscheidet sich die Zusammenarbeit mit Männern und Frauen?
Ich bin groß geworden mit schreienden Männern. Das waren teilweise Zustände, die man sich heute kaum vorstellen kann, auch wenn nur zehn Jahre dazwischen liegen. Nicht nur Kraftausdrücke und Häme, sondern die Art, wie Schauspielerinnen vor versammelter Mannschaft behandelt wurden, waren ekelhaft. So was ist mir mit Frauen nie passiert. Es ist aber auch so, dass es künstlerisch überwiegend uninteressanter für mich ist. Das sage ich ungern und ich habe auch keinen großen Querschnitt. Ich denke, es liegt an der noch nicht so geschulten künstlerischen Auseinandersetzung. Denn so lange führen Frauen ja noch nicht Regie.
Was ist Theatermusik über das addierende Stimmungselement hinaus?
Ich finde, ähnlich wie Filmmusik kann sie gar nicht für sich allein stehen. Wenn man sie aus diesem Kontext herausnimmt, ist es vielleicht wirklich nur eine nette Stimmung. Aber innerhalb des Theaters kann sie schon eine starke Kraft entwickeln, indem sie etwas anderes erzählt als das, was man sieht. Und nach so was suche ich eigentlich immer: Dass ich jeder Figur eine gewisse Skurrilität gebe, die sie sonst nicht hätte. Oder ich schaue mir das Bühnenbild an und versuche zum Beispiel, einer kalten, massiven Stahlbühne etwas Warmes entgegenzusetzen.
Sie behaupteten mal spaßeshalber, viel Plan von Klavier und wenig von Theater zu haben. Wie macht man so Bühnenmusik?
Ich habe schon ein bisschen Plan von Theater, weil ich immerhin auch Dramaturgie studiert habe. Es ist aber so, dass ich eher wie eine Siebenjährige bei den Proben sitze und das auf mich einwirken lasse, als dass ich da meine innere Dramaturgin rausholen würde. Ich war immer besser im Ästhetisieren von Zuständen, die es schon gibt. Ich habe einen intuitiven Zugang, heute sogar mehr als früher. Ich lese die Stücke vorher oft gar nicht mehr, sondern gehe zu den Proben und schaue, was passiert.
Klavier oder Elektronik – was ist zuerst da?
Das ist sehr unterschiedlich. Bei der Platte habe ich immer mit dem Klavier angefangen, mir ein Stück überlegt und dann mit meinem Arsenal an Effekten und Synthesizern Spuren daraufgelegt. Beim Theater ist es aber oft so, dass ich mit einer Stimmung, einem Rauschen oder Teppich anfange und im Nachhinein erst konkret werde. Ich fange dort selten mit einer Melodie an.
Nehmen Sie in den letzten Jahren eine gesteigerte Wertschätzung von Bühnenmusik wahr?
Eher nicht. Mein persönlicher Eindruck ist, dass das wieder von Desinteresse ist. Es gab einen kleinen Aufschwung, vor ein paar Jahren hatten Theatermusiker noch andere Ambitionen. Jetzt gibt’s am Theater oft weniger Gelder dafür, dass die Regisseure ihre Musiker überhaupt mitnehmen können. Zumindest an den kleinen Häusern wird schon sehr gespart. Deswegen macht der Regisseur am Ende doch wieder eine Playlist an.
Was macht eine gelungene Zusammenarbeit aus?
Was mich am Theater am meisten interessiert, ist noch immer etwas, das ich nicht beschreiben kann. Es gibt ein paar Regisseure, die haben genau diese Faszination dafür. Manchmal wechseln wir nur zwei Blicke und wissen, was wir wollen, ohne vorher darüber zu sprechen. Das ist der Grund, weshalb ich noch am Theater bin. Es gibt manchmal Kombinationen aus Musikerinnen und Regie, die etwas Besonderes hervorbringen können – wie bei »There Will Be Blood« oder David Lynch oder Badalamenti.
Foto: Christiane Gundlach