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Stadtleben

Heißer Herbst

Große Linke-Demo und gefrustete Rechte: Zur Querfront kam es am Montag nicht

  Heißer Herbst | Große Linke-Demo und gefrustete Rechte: Zur Querfront kam es am Montag nicht

Mehrere Parteien und Bündnisse demonstrierten am vergangenen Montag in der Leipziger Innenstadt, die meisten davon gegen die Energiepolitik der Bundesregierung. Darunter waren auch die Partei Die Linke und die rechtsextremen Freien Sachsen.

»Ich entschuldige mich dafür, dass es anfänglich missverstandene Worte gab.« Sören Pellmann eröffnete gegen 19 Uhr die Kundgebung auf der Opernseite des Augustusplatzes. Unter dem Motto »Heißer Herbst gegen soziale Kälte. Preise runter – Energie und Essen müssen bezahlbar sein« hatte der Leipziger Die-Linke-Politiker zur Demonstration gegen die Sozial- und Energiepolitik der Bundesregierung aufgerufen. Mehrere prominente Redner der Partei standen ihm zur Seite, tausende Menschen folgten dem Aufruf. Zuvor hatte es deutlich Kritik an Pellmann gegeben: In einem ersten Statement vor Wochen wollte Pellmann an die Montagsdemonstrationen anschließen, die seit Jahren rechts besetzt sind, und bediente zudem einen ostdeutschen Opfermythos. Für diese »missverstandenen Worte« entschuldigte er sich also, von »missverständlichen Worten« sprach er allerdings nicht.

Denn dieses unkluge rhetorische Einfallstor nutzten die »Bewegung Leipzig«, bisher vor allem durch Querdenken-Bezüge aufgefallen, und die extrem rechten »Freien Sachsen«. Sie riefen ihrerseits zu der Demo nach Leipzig auf und meldeten nach deutlichen Absagen von Die Linke, gemeinsame Sache zu machen, eine eigene Versammlung an. Die begann 18 Uhr ebenfalls auf dem Augustusplatz, vor dem Mendebrunnen. Bis zu tausend Anhänger folgten hierher. Mehrere Redner regten bei mieser Akustik eine »Querfront« und »Volksfront« aus rechts und links an (unter »Sahra, Sahra«-Chören). Dafür ernteten sie Pfiffe und Rufe von der anderen Platzseite. Dort stellten auch Redebeiträge klar, dass es dazu nicht kommen wird. Die Linken-Demonstration zu unterwandern, wie es im Vorfeld und von ihrer Bühne aus angedeutet wurde, vermochten die Rechten nicht. Allerdings bewegten sich Teile aus diesem rechten Umfeld auf der Linke-Kundgebung – das Versammlungsrecht erlaubt den pauschalen Ausschluss von öffentlichen Aufzügen nicht. Die Ordner wiesen allerdings konsequent jeden zurück, der durch entsprechende Transparente oder T-Shirts auffiel. Auf der Linken-Veranstaltung kam es deshalb immer wieder zu kleinen Wortgefechten, auch einigen Rangeleien. So wurde ein rechter Youtuber erst von Demonstranten angegangen, dann von der Polizei aus der Kundgebung entfernt. Immer wieder zog die Polizei gewaltsam einzelne Menschen heraus, die sie für Gewalttäter hielt. Anstalten, bei der rechten Demo etwa einen auf Versammlungen verbotenen Schlagstock-Regenschirm einzuziehen, machte sie dagegen nicht.

Als sich die rechten Akteure zu einem Zug um den Ring vom Gewandhaus gen Süden formierten, tat sich auf Linke-Seite nichts. Jedoch waren »Leipzig nimmt Platz« und andere vorbereitet. Mit einer eigenen Demo waren sie aus dem Süden in die Innenstadt gezogen und bildeten auf den äußeren zwei Ringspuren vorm Roßplatz Sitzblockaden. Die Polizei vermochte nicht, sie zu aufzuhalten. Also musste der »Freie Sachsen«-Aufzug stoppen. Eine versuchte Umleitung über die inneren Ringspuren wurde wiederum durch antifaschistische Sitzblockaden unterbunden. Mehrere Hundert beteiligten sich daran beziehungsweise standen in Kleingruppen bereit, ihrerseits zu blockieren. Da die Polizei kräftemäßig eher dünn aufgestellt war und nun die rechten Akteure begannen, sich durch die Polizeireihen zu drücken, wurde die Situation heikel. Szenen aus vergangenen Jahren, wo sich Neonazis, Hools und Querdenker am Leipziger Ring gewalttätig Bahn brachen, wiederholten sich jedoch nicht. Dafür verstärkte die Polizei ihre Kräfte nun am rechten Aufzug, der schließlich wieder zum Augustusplatz zurückgeführt wurde. Einen Ausbruchsversuch Richtung Rossplatz konnte sie ebenfalls verhindern. Am Rande kam es zu kleinen Scharmützeln zwischen offensichtlich sehr gefrusteten Rechten und Antifaschisten.

Rangeleien und einige handfeste Auseinandersetzungen wiederholten sich, als Teilnehmer von der rechten Demonstration abströmten, um die Heimreise anzutreten oder sich mutmaßlich der Linken-Demo anzuschließen. Diese hatte zwischenzeitlich begonnen, um über den westlichen und nördlichen Ring zu ziehen. Der Anschluss gelang den rechten Demonstranten nicht und es blieb, soweit beobachtbar, ruhig. Zwischen realpolitischen Forderungen und Klassenkampf-Parolen fanden sich auf der Linke-Demo einige Transparente, die vor allem die Nato für den russischen Überfall auf die Ukraine verantwortlich machten und andere krude Positionen. Wieder auf dem Augustplatz angekommen, bedankte sich Sören Pellmann für die klare antifaschistische Botschaft der Demo – Solidarität gebe es nur von links – und rief ein paar Mal »Nazis raus!« ins Mikro. Seine »missverstandenen Worte« erwähnte er nicht noch einmal – die antifaschistischen Blockaden, die diese Worte erst erforderlich gemacht hatten, ebenfalls nicht explizit.


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1 Kommentar(e)

Felix 13.09.2022 | um 17:10 Uhr

Ich habe mir die Reden alle angehört. Kritik an Waffenlieferungen, Aufrüstung und kommenden sozialen Problemen sind gut und richtig. Aber was fehlt, ist die wirtschaftliche Kompetenz von Sarah Wagenknecht, die man vorher ausgeladen hat. Sören Pellmann und die vielen anderen Redner möchten an die Montagsproteste von 2003 anknüpfen, als man gegen die Hartz4-Maßnahmen protestierte, vergisst aber das diesmal kein Umbau des Sozialstaats geplant ist, sondern das die Ursachen der jetzigen Probleme in der Energiepolitik und den Sanktionen gegen Russland begründet sind. Man kann jetzt schon sehen, dass die Sanktionen vorrangig uns selbst schaden und Russland sein Erdöl nach China und Indien verkauft.