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Stadtleben

»Wir wollen gute Arbeit leisten ohne Adjektive«

Leipziger Soroptimistinnen im Interview

  »Wir wollen gute Arbeit leisten ohne Adjektive« | Leipziger Soroptimistinnen im Interview

Entstanden 1921 in Oakland, Kalifornien, zählt das Internationale Frauennetzwerk der Soroptimistinnen (SI) zu den weltweit ältesten sogenannten Service Clubs. Vergangenes Jahr feierten die Deutschen Schwestern ihren 100. Geburtstag und auch in Leipzig sind sie seit längerem für Frauen aktiv. Schatzmeisterinnen, Anstecknadeln und Föderalismus – das schreit nach einem Netzwerk mit traditionellen Werten. Wie viel Feminismus steckt in dem Leipziger Club und wofür setzen sich die Frauen konkret ein?

Wir haben mit Marianne Betz, der Präsidentin des Leipziger SI-Clubs gesprochen. Sie ist seit 1993 Professorin für Musikgeschichte an der HMT Leipzig. Anna Artwinska, Leiterin des Zentrums für Gender Forschung und Professorin für Slawistische Literaturwissenschaft und Kulturstudien, war ebenfalls dabei. Sie wurde kürzlich in den Kreis der Leipziger Soroptimistinnen aufgenommen.

Frau Artwinska, was hat die Mitgliedschaft bei den Soroptimistinnen für Sie verändert?

Auch wenn ich meinen Beruf sehr gerne mag, gibt es dort auch patriarchale Strukturen, Mobbing und Intransparenz. Ich habe als Professorin zwar mehr Einfluss als Andere, aber bin trotzdem Teil dieser Struktur. Bei den SI ist es einfach sehr angenehmen, diese Strukturen selbst zu schaffen. Für mich ist das eine Bereicherung und – wie man heute sagt – eine gute Work-Life Balance. Mir gefällt auch der praktische Charakter, weil ich mich ansonsten viel in theoretischen Diskursen bewege. Das sorgt für Ausgewogenheit.

Die Förderung von jungen Frauen kann an vielen Stellen ansetzen, worauf liegt der Fokus des Leipziger SI-Clubs, Frau Betz?

Über die letzten Jahre würde ich drei Dinge hervorheben: Auf der einen Seite die Unterstützung von Institutionen wie das Frauenhaus oder die Bahnhofsmission. Dazu kommt unser Engagement bei den Orange Days am 25. November, wo wir uns gegen Gewalt an Frauen wenden. Und die dritte Sache hat insbesondere mit Leipzig zu tun: Wir fördern junge Frauen, die im Kulturbereich tätig sind. Zum Beispiel gab es letztes Jahr zwei Preise für Frauen, die an der Schnittstelle von Studium und Berufsleben im Bereich der Künste stehen.

Was müsste ich tun, um bei Ihnen Mitglied zu werden?

Betz: Die Grundidee ist, dass Mitglieder Frauen in führenden Positionen sein sollen. Es beginnt sich aber dahingehend zu öffnen, dass wir auch Frauen gegen Ende ihres Studiums aufnehmen. Sie müssten zunächst ihr Interesse bekunden und in der Lage sein, unseren Mitgliedsbeitrag zu bezahlen. Ihre Bewerbung wird anschließend im Club erörtert und man würde dann das Gespräch mit Ihnen suchen.

Artwinska: Der Aufnahme Prozess ist lang und angenehm. Bei mir hat das ein halbes Jahr gedauert. Dabei geht es nicht darum, es exklusiv zu halten, sondern zu testen, ob man zueinander passt. Man bekommt außerdem eine Patin, wie eine Art Clubschwester.

Spielen Konfession und politische Einstellung eine Rolle?

Betz: Konfession auf keinen Fall, aber die politische Einstellung sollte keine große Rolle spielen. Wenn jemand politisch aktiv ist, dann kann man eigentlich nur so eine ganz leise Mitgliedschaft oder Freundschaft haben, weil sich das Soroptimistinnen Netzwerk als ausdrücklich nicht politisch versteht.

Könnte eine Transfrau bei Ihnen Mitglied werden?

Betz: Der Leipziger SI-Club ist grundsätzlich offen, da gibt es überhaupt keine Frage. Wie sich solche Dinge dann in anderen Clubs gestalten, das kann ich ihnen nicht beantwortet. Es gibt auch viele Clubs mit älteren Mitgliedern, die dem Diversitätsdiskurs ferner sind.

Frau Artwinska, sind die Soroptimistinnen ein Feministisches Netzwerk?

Das ist eine gute Frage, weil ich noch aus einer Generation komme, wo man sich gerne als Feministin bezeichnete. Meine Studierenden bezeichnen sich nicht unbedingt so. Sie sagen, dass man nicht mehr die Kategorie Frau als solche verwenden kann, weil Geschlecht etwas Fluides ist. Feminismus hat für sie etwas Alice Schwarzer-mäßiges. Für mich ist feministisch-sein positiv. Es bedeutet eine Position gegen die Asymmetrie zwischen Männer und Frauen zu beziehen, unabhängig von diesem Diskurs «Was bedeutet es Frau zu sein, was bedeutet es Mann zu sein?« In diesem Sinne definiere ich mich feministisch und würde auch den SI-Club Leipzig so einordnen.

Können Sie mit der Sichtweise, das Geschlecht fluid ist, etwas anfangen?

Auf intellektueller Ebene finde ich das spannend. Es gibt Menschen, die sich eben nicht zuordnen wollen und sich weder als Mann noch als Frau fühlen. Aber wenn es um etwas konkretes geht, wie Abtreibungs-Recht, kann ich nicht auf die Kategorie der Frau und die Materialität von Frau-Sein verzichten.

Wie finanzieren Sie Ihre Projekte?

Betz: Wir zahlen selbst Beiträge und zusätzlich werben wir Spenden ein. Manchmal treten auch Frauen an uns heran und möchten etwas spenden, oder wir organisieren Benefizveranstaltungen und nehmen dadurch etwas ein. Für die Preise letztes Jahr hatten wir als Sponsor auch die Sparkasse Leipzig mit dabei.

Woran arbeiten sie gerade im SI-Club, Frau Artwinska?

Ich bin in einer Arbeitsgruppe, die sich mit der Situation in der Ukraine beschäftigt. Nach dem russischen Angriff haben wir überlegt, was wir tun können und zunächst den SI-Klub in Kiew unterstützt und eine große Spenden Aktion organisiert. Viele Club Schwestern haben Frauen aus der Ukraine aufgenommen und sich mit ihnen vernetzt. Uns war wichtig, Solidarität zu zeigen.

Ich habe gelesen, dass sie als »Elite Netzwerk« bezeichnet werden. Entspricht das auch ihren eigenen Vorstellungen?

Betz: Das habe ich noch nie gelesen.

Artwinska: Ich wurde schonmal darauf angesprochen, dass die Soroptimistinnen ein Elite Club seien, aber ich selbst habe das bisher anders wahrgenommen. Das ist vielleicht eher der Ruf als die Praxis? Irgendwo habe ich auch mal einen Vergleich mit dem Rotary Club gelesen, in dem es hieß, wir seien beide exklusiv, aber das kann ich nicht bestätigen. Wir wollen gute Arbeit leisten ohne Adjektive.

Foto: Henry W. Laurisch


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1 Kommentar(e)

K.wild 14.10.2022 | um 20:11 Uhr

Finde den Fehler . Typisch Kreuzer. Nicht politisch sein wollen und dann “ Ich bin in einer Arbeitsgruppe, die sich mit der Situation in der Ukraine beschäftigt. Nach dem russischen Angriff haben wir überlegt, was wir tun können und zunächst den SI-Klub in Kiew unterstützt und eine große Spenden Aktion organisiert.”