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Kultur

Weiterschreiben, weiterlesen, weitermachen

Der Literarische Herbst setzt auf kluge Unterhaltung und sehr verschiedene Leseorte

  Weiterschreiben, weiterlesen, weitermachen | Der Literarische Herbst setzt auf kluge Unterhaltung und sehr verschiedene Leseorte

2019 hat ein neues Leitungsteam, bestehend aus Jörn Dege, Nils Kahlefendt, Anja Kösler und Claudius Nießen, die Organisation des Literarischen Herbstes in Leipzig übernommen. Auf das erste »normale« Jahr folgten zwei Pandemiejahre, und auch die aktuelle Ausgabe findet wahrlich nicht in idealen Zeiten statt. Dennoch freut sich das Team, dass es auch in dieser leicht verunsichernden Situation, in der sich Institutionen überlegen, ob sie ihre Räume im Herbst nun heizen wollen oder nicht, gelungen ist, so viele unterschiedliche Veranstaltungen auf die Beine zu stellen.

Weiterschreiben und Weiterlesen lautet die Programmüberschrift. Eine deutlich sichtbare Klammer, sagt Nils Kahlefendt, der hin und wieder auch für den kreuzer schreibt, sei der Auftritt des diesjährigen Friedenspreisträgers Serhij Zhadan am ersten Tag des Festivals, einen Tag nach der Preisübergabe in Frankfurt, und der Auftritt von Juri Andruchowytsch zum Abschluss. Er selbst erinnere sich noch sehr genau an Andruchowytschs Rede von 2006 im Gewandhaus, als dieser mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung geehrt wurde, sagt Kahlefendt: »Das war ein irrer Moment, das war eine Rede, da blieb kein Auge trocken, das Gewandhaus stand auf und hat applaudiert.« Andruchowytsch hat damals deutlich formuliert, dass die Ukraine zu Europa gehöre. Das war 2006, es gab schon damals viel Beifall...

Wie in den letzten beiden Corona-Jahren gehe es auch in diesem durch den europäischen Krieg und weitere Krisen gekennzeichneten Jahr darum, weiterzumachen, rauszugehen, tolle Leute einzuladen, miteinander zu reden. Aber natürlich stehen die Bücher im Mittelpunkt, »wir wollen nicht nur diskutieren«, sagt Kahlefendt, dennoch bilden die Gespräche eine tragende Linie in der Programmdramaturgie. Mit Bedacht wird für jede Lesung eine passende Konstellation gewählt, so wird zum Beispiel die Buchvorstellung von Joachim Hentschel über die deutsch-deutsche Popmusikgeschichte von Marion Brasch moderiert, die ihrerzeit bei DT64, dem Jugendradiosender der DDR, arbeitete und tiefe Einblicke in die Szene hat.

Literatur solle unterhalten, klug unterhalten. »Kühn und poetisch, literarisch klug und politisch« verspricht das Programm zu sein. Dem entspricht auch das große Spektrum an Orten, an denen gelesen wird – von Privaträumen (in denen die Lyriklesungen stattfinden) über die Nato und das Ost-Passage-Theater bis hin zum Literaturhaus, Rathaus und zur Alten Börse. Ob es auch dadurch gelinge, neues, vielleicht auch jüngeres Publikum zu gewinnen? Punktuell, sagt Kahlefendt und erzählt von der Veranstaltung mit Peter Licht, die im letzten Jahr im UT Connewitz stattfand, brechend voll war und wo sich so viele Bücher verkauft haben wie sonst nirgends. Apropos Bücher. Die Kooperation mit dem lokalen Buchhandel liegt dem Orga-Team sehr am Herzen, so fehlt auch im Heft nicht der Hinweis »Kauft vor Ort, sonst ist er fort«, in Zeiten wie diesen kann man es nicht oft genug wiederholen.

Es gebe bei der Programm-Gestaltung keine Quote oder so was, aber man mache heute überall Programme anders, es gebe deutlich mehr Sensibilität, beteuert Kahlefendt. Heute käme niemand auf die Idee, eine Diskussionsrunde mit drei bräsigen Herren zu machen. »Wir rennen nicht auch dem letzten Identitätsdiskurs hinterher, versuchen aber die Breite durch unterschiedliche Programmpunkte abzubilden.« Dafür sei das Campus-Programm mit der Zeitschrift Edit ein gutes Beispiel. Das Programm in diesem Jahr verspricht in der Tat einiges, bewährte Formate wie »Die besten ersten Bücher«, »Lyrikhotel« oder »Buchsalon«, Autoren und Autorinnen wie Daniela Dröscher, Eckhart Nickel, Wolfram Lutz und Christine Koschmieder, um einige Namen zu nennen. Und zum Vorglühen gibt es auf allen einschlägigen Podcast-Plattformen die »Herbst Tapes« mit dem Best-of der letzten beiden Jahre zu hören. Die aktuelle Staffel läuft als Countdown bis zum Beginn des »Herbstes«.

■ 24.–30.10., verschiedene Orte (Anmeldung ist oft erforderlich), www.literarischer-herbst.com

Foto: Gerd Mothes


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