Seit über 20 Jahren ist Fritz Brückner als Musiker und Sounddesigner in der Leipziger Musiklandschaft aktiv. Vor Kurzem hat er unter dem Namen Modus Pitch sein erstes Soloalbum »Polyism« veröffentlicht. Mit dem kreuzer sprach er über seine musikalische Sozialisation zwischen Klassik und Punk, seine Abneigung gegenüber Computern auf der Bühne und seine Bekanntschaft mit Yoko Ono.
kreuzer: Zu Ihren Hauptinstrumenten zählen das Fagott und diverse Synthesizer. Wenn man die eigentlich überholte Trennung von E- und U-Musik einmal aufrechterhält, repräsentieren beide Instrumente ja je unterschiedliche Pole beider Spektren. Wie ist es zu der Verschmelzung dieser Welten in Ihrem musikalischen Schaffen gekommen?
Firtz Brückner: Das hängt mit meiner Erziehung und Herkunft zusammen. Ich habe mit elf Jahren angefangen, Fagott zu spielen, was wohl nicht zuletzt daran liegt, dass meine Eltern beide klassische Musiker sind. Als ich 16 war, habe ich mir dann eine E-Gitarre gekauft und die Punkrock-Schiene durchgezogen. Später habe ich dann auch in verschiedenen Elektrobands gespielt. Zugleich habe ich aber nie aufgehört, Fagott zu spielen. Man kann sagen, dass ich seit 1996 in zwei verschiedenen Welten lebe: Einmal die Welt der Klassik und die des Rock’n’Roll. Bei White Wine (seine letzte Band; Anm. d. Red.) kam das Fagott dann aber das erste Mal in einem nicht-klassischen Kontext zum Einsatz.
Wann hat sich denn in der eben skizzierten Musiklaufbahn das erste Mal die Idee herauskristallisiert, ein Soloalbum produzieren zu wollen?
Das wurde in der Zeit Thema, in der Joe (Haege, Songwriter und Sänger von White Wine; Anm. d. Red.) wieder nach Amerika gegangen ist und wir mit White Wine aufhören mussten. Ich wollte an dem Punkt nicht aufhören, Musik zu machen, deshalb habe ich mich gefragt: Was kann ich als Nächstes machen? Generell bin ich schon seit langer Zeit Fan von Instrumentalmusik. Ich habe dann angefangen, Skizzen aufzunehmen, die ich im Anschluss Philipp (Hülsenbeck, Produzent des Albums; Anm. d. Red.) gezeigt habe, verbunden mit der Frage, ob er sich vorstellen kann, das Album später zu produzieren. Wichtig war mir dabei von Anfang an, dass keine Computer involviert sind auf der Bühne, sondern dass man das, was man hört, auch selbst erzeugt. Vor dem Computer sitzt man schon das ganze Leben und beantwortet irgendwelche E-Mails, deshalb will ich ihn nicht auch noch mit auf die Bühne nehmen. (lacht)
Wie man hört, unterhalten Sie ein recht opulentes und großzügig ausgestattetes Tonstudio – was die Arbeit am Album vermutlich erleichtert hat, oder?
Auf jeden Fall. Die Arbeiten am Album begannen praktisch mit der Coronazeit, in der man ja sehr plötzlich unerwarteterweise sehr viel Zeit hatte. In meinem Studio habe ich schon seit 20 Jahren verschiedene Bands aufgenommen, wodurch sich auch dementsprechend viel Equipment angesammelt hat. Dadurch wurde das Studio für mich zu einer Art Spielplatz.
Wie unterscheidet sich für Sie denn generell die Arbeit als Solomusiker im Vergleich mit der Arbeit im Kollektiv?
Schon sehr. Bei White Wine war es beispielsweise so, dass Joe der hauptsächliche Songschreiber war, weshalb meine Arbeit damals hauptsächlich darin bestand, bereits bestehenden Ideen musikalisch etwas hinzuzufügen. Als Solomusiker war für mich jetzt schon die Besonderheit, dass man praktisch mit einer Melodie oder Line anfängt und das dann Stück für Stück nach seinen eigenen Möglichkeiten ausschmückt.
Aller eigenbrötlerischen Arbeit zum Trotz sind auf »Polyism« auch viele Gäste zu hören: Neben Ihren Eltern und Ihrer vierjährigen Tochter unter anderem auch so namhafte Künstler wie Martin Wenk, Hendrik Otremba und Fabian Altstötter. Was genau hat Sie daran gereizt, so viele verschiedene Menschen aus sehr unterschiedlichen Kontexten auf dem Album zu vereinen?
Letztendlich eint all die auf dem Album vertretenen Menschen, dass sie zum Freundes- oder Familienkreis gehören. Bei Martin war es zum Beispiel so, dass mir eine Trompetenmelodie vorschwebte, die er dann auch so eingespielt hat. Bei Hendrik wiederum war es so, dass mir ein Spoken-Word-Song vorschwebte, ich aber zugleich auf keinen Fall meine eigene Stimme auf dem Album hören wollte. Da er selbst liest und schreibt, war es für mich naheliegend, ihn zu fragen. Die Kollaboration mit Fabian hat sich dagegen mehr oder weniger zufällig ergeben, als er mich eines Nachmittags besucht hat und wir zusammen gejammt haben. Am Ende ist dabei dieser Song mit ihm am Vibrafon entstanden.
In Ihrer Vita ist zu lesen, dass Sie auch mal für Yoko Ono gearbeitet haben. Was genau hat es damit auf sich?
Ich habe eine Weile für City Slang (Indie-Label aus Berlin; Anm. d. Red.) als Tourmanager und Tontechniker gearbeitet und war im Zuge dessen mit Laura Gibson in den USA. Dort stellte sich dann heraus, dass sie als Voract von Sean Lennon unterwegs war, dem Sohn von Yoko Ono und John Lennon. Nach zehn Tagen wiederum ist dann der Tourmanager und Tontechniker von Lennon erkrankt, weshalb er mich fragte, ob ich spontan auch für ihn arbeiten könne. Auch da habe ich dann zugestimmt – und wurde plötzlich sehr gut bezahlt. (lacht) Das Ganze war so ein, zwei Jahre vor Yoko Onos 80. Geburtstag, den sie weltweit sehr ausgiebig zelebriert hat mit verschiedenen Shows. Da sie in der Vergangenheit wohl schlechte Erfahrungen mit den Tontechnikern in Europa gemacht hatte, wurde ich schließlich gefragt, ob ich mich um die Backline und die Vorproduktion für die Shows in London und Berlin kümmern kann. Im Zuge dessen habe ich Ono dann kennengelernt. Nach den Shows hat sie mich und die Crew dann auch mal zu sich eingeladen, wo ich dann plötzlich die Möglichkeit hatte, auf dem Mellotron von John Lennon zu spielen – völlig verrückt. Da das Ganze dann ganz gut lief, ruft mich ihr Manager seitdem immer an, wenn mal wieder eine Show der Plastic Ono Band in Europa ansteht. (lacht)