Nach Kundgebungen vor dem Restaurant Gallo Negro kam es heute zu einem Urteil vor dem Landgericht in Leipzig. Angeklagt waren zwei Personen, die im Herbst letzten Jahres gemeinsam mit weiteren Aktivistinnen und Aktivisten vor dem Lokal protestiert hatten. Die Betreiber wandten sich daraufhin gerichtlich gegen die dort geäußerte Kritik.
Bei den Kundgebungen warfen die Demonstrierenden den Betreibern widerrechtliche Arbeitsbedingungen, sowie rassistische Ausbeutung gegenüber ehemaligen Angestellten des Restaurants vor (kreuzer 1/23). So seien Löhne teilweise nicht bezahlt worden, außerdem hätten die Dienstzeiten und die Bezahlung der Mitarbeitenden gegen Arbeitsrecht verstoßen. Aber auch der Vorwurf, dass die Betreiber Menschen aus Lateinamerika illegal beschäftigt haben, steht im Raum.
Die auf den Kundgebungen geäußerte Kritik sei eine Rufmordkampagne, erklärte der Anwalt der Betreiber Christoph Müller vor Gericht. »Bisher ist die Eskalationsstufe gering gewesen«, sagte er. Aber die Proteste träfen das Unternehmen wirtschaftlich. Um eine Eskalation zu vermeiden, sei es nötig, »dass diese Kampagne beendet wird«, forderte er. Da die Gruppe der Protestierenden anonym agierte, sei es aus Sicht der Betreiber nicht möglich, in einen Dialog mit ihr zu treten und sich außergerichtlich zu einigen. Die Klage richtet sich daher gegen die einzigen beiden Teilnehmenden der Kundgebung, welche die Betreiber ausfindig machen konnten.
Mit dem Urteil erhoffen sich die Betreiber vermutlich eine Signalwirkung auch für die übrigen Aktivistinnen und Aktivisten. So wollte der Anwalt der Betreiber die Beklagten vor Gericht dazu verpflichten, so »auf die Gruppe einzuwirken, dass sie das nicht mehr macht.« Die Anwältin der beiden Angeklagten, Giulia Borsalino, bestreitet dagegen, dass ihre Mandanten überhaupt für den Inhalt der Kundgebung verantwortlich sind. Da es sich um eine anonyme Gruppe handelt, hätten sie auch keinen Einfluss auf die Proteste.
Das überzeugte die Richterin nicht. Am Freitagvormittag hat sie der Klage der Betreiber nun im Eilverfahren stattgegeben. Demnach dürfen die beiden Beklagten ihre Vorwürfe, bis es zur Hauptverhandlung gekommen ist, nicht mehr wiederholen. Sollten die Angeklagten dem Urteil nicht nachkommen, droht ihnen ein Ordnungsgeld von bis zu 250 000 Euro oder ersatzweise sechs Monate Ordnungshaft. Zuvor war ein Versuch beider Parteien gescheitert, zu einer außergerichtlichen Einigung zu kommen. Es deutet darauf hin, dass der Konflikt noch nicht zu Ende ist.
Unterstützerinnen und Unterstützer der Angeklagten sehen im Vorgehen der Betreiber des Gallo Negro den Versuch, mittels strategischer Klagen einen legitimen Protest mundtot zu machen, wie eine der Aktivistinnen auf Nachfrage des kreuzer erklärt. Sie vermuten sogenannte SLAPP-Verfahren. Dabei handelt es sich laut EU-Kommission um Klagen, die verhindern sollen, dass die Öffentlichkeit über Angelegenheiten wie Menschenrechtsverletzungen informiert wird, »die von öffentlichem Interesse sind.«
Foto: Felix Sassmannshausen