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Stadtleben

Harte Vorwürfe

Ehemalige Angestellte kritisieren die Arbeitsbedingungen im Gallo Negro auf der Karl-Heine-Straße

  Harte Vorwürfe | Ehemalige Angestellte kritisieren die Arbeitsbedingungen im Gallo Negro auf der Karl-Heine-Straße

Der Hahn auf dem Schaufenster in der Karl-Heine-Straße 70 ist an diesem Abend in Blaulicht getränkt. Am 14. Oktober 2022 versammeln sich vorm Gallo Negro etwa 30 Menschen am Eingang des Restaurants zu einer Demonstration. Auf einem hochgehaltenen Plakat steht »Gallo Negro beutet seine Arbeiter:innen aus«. Die Polizei ist schnell da, die Stimmung aufgeheizt. Mit einem Megafon halten die Demonstrierenden wütende Reden auf Spanisch, Deutsch und Englisch. Von den Betreibern des Gallo Negro fordern sie eine finanzielle Entschädigung für ehemalige Angestellte des Restaurants – Menschen, unter anderem aus Mexiko, die zwischen 2019 und 2021 in der Karl-Heine-Straße beschäftigt waren. Auch die Restaurant-Betreiber Alexis und Alan Prado kamen von Mexiko nach Deutschland: 2012 zunächst zum Studieren, dann zum Arbeiten. Alexis ist Architekt und maßgeblich für die Gestaltung der Räumlichkeiten des Gallo Negro verantwortlich. Sein Bruder Alan hat Betriebswirtschaftslehre studiert. Zusammen leiten sie das Restaurant im Leipziger Westen, das sie 2018 eröffnet haben. Ihr Ziel sei es, die Gäste in den Genuss mexikanischer Küche kommen zu lassen, »ohne Klischees und Stereotype«, erzählen die beiden im Gespräch mit dem kreuzer. Der Ruf des Restaurants ist gut, die Kundschaft attestiere ihm durchgehend positive Bewertungen. Das Gallo Negro sei auch über Leipzig hinaus bekannt: »Die Leute kommen von überall zu uns. Neulich waren Gäste aus Stuttgart da, nur um bei uns zu essen«, erzählt Alan Prado. 

Hinter den Kulissen soll es jedoch etwas anders aussehen. Ehemalige Angestellte berichten von Arbeitsrechtsverstößen. Sie wollen alle anonym bleiben, aus Angst vor den Betreibern, sagen sie. »Wir mussten teilweise über neun oder zehn Stunden arbeiten und hatten so gut wie keine Pausen«, erzählt Ximena* im Gespräch mit dem kreuzer. »Nacht- oder Feiertagszuschläge wurden nicht bezahlt«, sagt sie. Martina* erzählt, sie habe über Monate mehr als doppelt so viele Stunden arbeiten müssen, wie vertraglich vereinbart waren. Und Sofia* berichtet: »Mir wurden von einem Tag auf den anderen die Stunden gekürzt.« Sie habe sich dagegen gewehrt, weil sie das Geld dringend brauchte. Danach habe sie gar keine Dienste mehr bekommen. Die Vorwürfe weisen Alexis und Alan Prado zurück: »Wir können keinen dieser Vorwürfe einem ehemaligen Arbeitsverhältnis zuordnen«, erklärt Alan Prado auf Anfrage. »Es gibt legale Wege wie die Arbeitsgerichtsbarkeit, wenn man sich in seinen Rechten verletzt fühlt.« Die Demonstrierenden aber würden sich »für Mittel und Wege entscheiden, die verleumderisch sind«, betont er. Die beiden fühlen sich von den Kundgebungen vor ihrem Lokal eingeschüchtert. »Ich habe Angst, mit meinem Kind durch das Viertel zu laufen«, sagt Alexis Prado. Es sei schon zu Körperverletzungen und Sachbeschädigungen gekommen, ergänzt sein Bruder. »Wir machen uns Sorgen um unsere Angestellten und unsere Gäste«, erzählen beide. Sie fürchten auch ökonomischen Schaden für ihren Betrieb. Bei einer zweiten Kundgebung am 18. November 2022 erstatten sie darum Anzeige wegen Verleumdung und übler Nachrede. Sie fordern einen Schadensersatz im vierstelligen Bereich und wollen eine Unterlassungsklage erwirken. 
Dass es zu tätlichen Angriffen gekommen sei, weist Talima* zurück. Sie hat selbst nicht im Gallo Negro gearbeitet, unterstützt aber die ehemaligen Angestellten. Ihr zufolge war es umgekehrt und die Betreiber hätten die Demonstrierenden bedroht. Daneben belegen Dokumente, die dem kreuzer vorliegen, die Vorwürfe der ehemaligen Angestellten. Auch dokumentieren die Unterlagen die langen Dienste von über neun oder zehn Stunden, teilweise ohne Pause. Auf Anfrage bei der Gewerkschaft Nahrungsmittel, Genuss und Gaststätten heißt es dazu: »Das ist ein klarer Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz.« Bei sechs bis neun Stunden Arbeit sehe das Gesetz eine vorher festgelegte Pause von mindestens 30 Minuten und bei mehr als neun Stunden Arbeit eine Pause von 45 Minuten vor. Doch die Anschuldigungen der ehemaligen Angestellten reichen noch weiter. So hat sich Maya* vor zwei Jahren mit dem Vorwurf an den Zoll gewandt, dass im Gallo Negro Menschen illegal beschäftigt worden seien. »Doch geschehen ist bislang nichts«, erklärt sie im Gespräch mit dem kreuzer. Für die Demonstrierenden vor dem Restaurant ist das ein Akt rassistischer Ausbeutung. »Insbesondere migrantische Arbeitskräfte im Dienstleistungssektor sind oft Rassismus auf allen Ebenen, Prekarität, Instabilität und Arbeitsmissbrauch ausgesetzt«, erklärt Talima. »Insbesondere illegal Beschäftigte haben keine Möglichkeit, sich zu wehren«, sagt sie. Auch diesen Vorwurf weisen die Betreiber des Gallo Negro »ausdrücklich zurück«. Auf kreuzer-Anfrage heißt es hierzu aus der Landesdirektion Sachsen, dass Überprüfungen in der Sache stattfinden – auch bedingt durch die aktuellen Proteste.

* Namen von der Redaktion geändert. 


Titelfoto: Felix Sassmannshausen.


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1 Kommentar(e)

Olaf Walter 21.01.2023 | um 18:47 Uhr

Hallo, liebe Kreuzerredaktion, mit Interesse habe ich den Bericht zu den „Missständen“ im Gallo Negro gelesen, zumal hier im Viertel Flyer zu diesem Thema geklebt wurden. Diese waren aber sehr unkonkret und beschränkten sich auf eher nichtssagende Vorwürfe. Nun erhoffte ich mir Klarheit. Dem war leider nicht so. Leider bleibt der Kreuzer in seiner Berichterstattung genau so allgemein, unkonkret und auch tendenziell. Ehemalige Angestellte fordern eine finanzielle Entschädigung. Wofür allerdings, wird nicht gesagt. Die im Artikel genannten Gründe sind nicht stichhaltig. Nacht- und Feiertagszuschläge sind eine freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch. Pausenregelungen in der Gastronomie mit zeitlich definierten Pausen sind im Betrieb nicht oder kaum möglich, deshalb werden Pausen im Allgemeinen fragmentiert, in Absprache mit den Kollegen und nach Arbeitslage getätigt. Ich gehe davon aus, dass das dort auch so gehandhabt wurde. Des Weiteren gehe ich davon aus, dass Mehrarbeit der einen Kollegin entsprechend vergütet wurde. Auch da ist kein Fehlverhalten seitens der Betreiber erkennbar. Der Vorwurf der Schwarzbeschäftigung sollte gerichtsfest belegt werden, sonst handelt es sich allerdings um Verleumdung. Und die daraus resultierenden Rassismusvorwürfe sind blödsinnig und extrem an den Haaren herbeigezogen. Das hätte auch dem Autor auffallen müssen. Mir scheint, dass die wahren Gründe dieser Auseinandersetzung nicht erforscht wurden. Vielleicht sind die Inhaber harte und autoritäre Burschen (allerdings nicht justiziabel)? Vielleicht sind die ehemaligen Angestellten einfach nur sauer, weil sie entlassen wurden (auch nicht justiziabel)? Vielleicht will sich „Talima“ profilieren? Oder vielleicht handelt es sich um aufgebauschte Nichtigkeiten, für die sich der Kreuzer leider vor den Karren hat spannen lassen? Viele Fragen, wenig Antworten. Freundliche Grüße, Olaf Walter