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Stadtleben

Kein Einhorn auf dem Zebrastreifen

Im Leipziger SpinLab entwickeln Startups ihre Ideen weiter – und reparieren damit zum Beispiel Schlaglöcher

  Kein Einhorn auf dem Zebrastreifen | Im Leipziger SpinLab entwickeln Startups ihre Ideen weiter – und reparieren damit zum Beispiel Schlaglöcher

1.200 Start-ups wurden in Sachsen in den letzten Jahren gegründet, laut sächsischem Wirtschaftsministerium bestehen davon noch 860. Um ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen, gibt es in der Start-up-Welt sogenannte »Acceleratoren«, Beschleuniger, die erfolgsversprechende Ideen fördern. Ein Accelerator, der regelmäßig zu den besten Deutschlands gewählt wird, ist das Spin-Lab in Leipzig. 2014 wurde es von Eric Weber auf Initiative der Baumwollspinnerei und der HHL Leipzig Graduate School of Management gegründet. Aber wie genau funktioniert diese Beschleunigung? Ein Vor-Ort-Besuch in der Baumwollspinnerei.

Ein kahler Raum, ein langer Tisch, ein paar Stühle. Der Fokus liegt auf dem Whiteboard, Begriffe wie »Straßen-Retter« und »Asphalt« stehen dort. Markus Kraus, Geschäftsführer von RW Innotec, hat heute sein Pitch-Training. »Recycelt ihr Asphalt?«, fragt Ina von Spies, Kommunikationstrainerin, Beraterin und eine der beiden Coaches. Nicht ganz, technisch gesehen sei das weder Re- noch Upcycling, sagt Kraus. Aber den Asphalt retten, das käme hin. Was klingt wie Haarspalterei, ist wichtig. Im Gegensatz zum neuen Friseursalon um die Ecke zeichnet Start-ups aus, dass sie eine innovative Geschäftsidee mit hohem Wachstumspotenzial für die Firma haben. Die Finanzierung ist zu Beginn meist unsicher, weshalb Investoren überzeugt werden müssen, die sich oft noch nicht im Thema auskennen. Das Pitch-Training soll Markus Kraus helfen, seine Idee möglichst kompakt und überzeugend vorzustellen. Seine Firma war ursprünglich ein Forschungsprojekt des Helmholtz-Zentrums in Leipzig. Die Unternehmensausgründung soll eine bestehende Lücke füllen: Die Technologie ist da, der Bedarf auch, es fehlt nur jemand, der die Idee umsetzt. Im Satz aus dem Pitch-Training klingt das so: »Wir geben Asphaltdecken ein zweites Leben und sorgen damit für bessere Straßen.« Ausführlicher erklärt es Markus Kraus so: »Heißasphalt ist kostengünstiger und langlebiger als Kaltasphalt, der oft umweltschädliche Lösungsmittel enthält. Heißasphalt ist als Reparaturwerkstoff aber nicht immer zu haben. Kommunen müssen bislang oft auf Kaltasphalt ausweichen.« Mit der neuen Technik kann Asphalt vor Ort erwärmt, können also Straßen schneller repariert und Schlaglöcher verhindert werden – was die Fahrerinnen und Fahrer von Autos und Fahrrädern freuen dürfte.

Genau solche Ideen sollen im Spin-Lab gefördert werden: »Viele Start-ups haben das Ziel, ein Einhorn zu werden. Bei uns sollen sie lieber Zebras werden«, erklärt Linh Pham, Content-Marketing-Managerin beim Spin-Lab. Als Einhörner werden Start-ups bezeichnet, die schnell einen Marktwert von über einer Milliarde US-Dollar erreichen. Zebra-Start-ups dagegen wollen nachhaltig wachsen und verfolgen soziale oder ökologische Ziele. Das deckt sich mit der Gründungsidee des Spin-Labs: Innovationen sollen die Welt zu einem besseren Ort machen.

Dafür können zweimal im Jahr je zehn Start-ups an dem sechsmonatigen Programm teilnehmen. Während sie ihr Produkt etablieren, stehen über hundert Mentorinnen und Mentoren bereit, um in Bereichen wie Marketing, Recruiting und Sales zu unterstützen. Für Markus Kraus ist es wie eine zusätzliche Ausbildung: »Normalerweise lernt man nicht, wie gründen geht oder wie man Geschäftsführer wird, man ist es einfach. Das Spin-Lab hat mit den Kursen, Kontakten und Coachings eine Möglichkeit geschaffen, sich in diese Richtung weiterzuentwickeln.«

Die Start-ups müssen für diese Leistungen keine Geschäftsanteile an das Spin-Lab abtreten oder Gebühren zahlen, um an dem Programm teilzunehmen – was bei anderen Acceleratoren oft anders ist. Möglich ist das, weil das Spin-Lab durch EU-Projekte, die eigene Consulting-Sparte und Partner wie die Leipziger Verkehrsbetriebe und das Rote Kreuz finanziert wird. Diese wiederum profitieren von der Zusammenarbeit: »Start-ups sind agiler, können schneller auf Trends reagieren und arbeiten mit neuen Technologien«, erklärt Pham. Ein Beispiel, wie das aussehen kann, ist das Start-up ENDO, dessen Team gemeinsam mit der AOK Plus eine App gegen Endometriose entwickelte. ENDO erhielt Einblicke in die Abläufe einer Krankenkasse, die App wurde so schneller ins DiGA-Verzeichnis (für digitale Gesundheitsanwendungen) aufgenommen, was bedeutet, dass sie auf Rezept verschrieben werden kann.

Leipzig sei ein attraktiver Standort für Start-ups: Es gebe »ein gutes Ökosystem« mit einer starken Finanzierungsszene wie der Sächsischen Aufbaubank und dem Technologiegründerfonds Sachsen, erklärt Pham. Auch die Stadt Leipzig will diese Entwicklung fördern: Mit dem Kauf der Halle 7 in der Baumwollspinnerei soll ein Innovationszentrum entstehen, das Wissenschaft und Wirtschaft verknüpfen und Arbeitsplätze vor Ort schaffen soll, 17 Millionen Euro sind dafür eingeplant.

Für Markus Kraus und RW Innotec bleibt es spannend: »Wenn es gut läuft, sind wir in einem Jahr in unserer eigenen Produktionshalle mit einem Investor, der ein strategisches Interesse hat, das Thema mit uns in den Markt einzuführen. – Es kann aber auch sein, dass wir alles zusammenpacken und sagen: ›Ja, schöne Erfahrung, aber es hat nicht geklappt‹.« Gründen bleibt eine Risikoentscheidung.


Titelfoto: Leon Joshua Dreischulte.


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