Das Spielekollektiv Gaiagames macht nachhaltig produzierte Brettspiele zu Umweltthemen. Fürs Interview schalten sich zwei Drittel des Teams zu: Micha Reimer aus dem Wendland und Kevin Luhn aus Leipzig – Nils Giering lässt sich entschuldigen. Reimer und Luhn erzählen uns, was sie wollen, woher sie ihre Themen nehmen und warum ein Spiel wie »Summsalabim« nicht nur Kindern Spaß macht.
Gaiagames ist ein »Spielekollektiv« – was heißt das?
MICHA REIMER: Es gibt keinen Chef und keine Angestellten. Wir machen alles auf Augenhöhe und besprechen ganz viel.
KEVIN LUHN: Zweimal die Woche ist Plenum.
REIMER: Man kann unseren Verlag sehr gut mit einer Pflanze vergleichen. 2015 ist der Samen gekeimt. Er braucht Input in Form von Zeit. Wir wollten von Anfang an langsam, organisch wachsen und nicht irgendwelche Kredite ranholen. Wir kommen ja auch nicht aus der Wirtschaft. Kevin hat Biologie studiert und ist Erlebnispädagoge, ich bin studierter Naturschützer. Inzwischen ist die Pflanze aus dem Keimling-Stadium raus. Jetzt wollen wir Fotosynthese betreiben und gehen langsam in den Großhandel.
Und was für Spiele gedeihen dabei?
LUHN: Aktuell sind wir mit »Summsalabim« auf Startnext. Das ist ein kooperatives Spiel, bei dem balanciert werden muss. Die Spielidee kommt von Karin Hetling, die Illustrationen stammen von Nicole Pustelny. Kinder summen, um die Hummel zur richtigen Blüte zu leiten – die Tiere kommunizieren ja auch über akustische Signale.
Kinder sind also die Zielgruppe?
LUHN: Bei »Summsalabim« haben Kinder von 5 bis 10 wirklich Spaß dran. Aber auch die Erzieherinnen und Eltern haben bei unseren Tests viel gelacht. Es ist halt nicht so ein Spiel, wo du eine Farbe würfelst und dann irgendein farbiges Teil in einen Wurm steckst. Du denkst als Erwachsener nicht: Holt mich hier raus! Sondern es ist witzig und auch herausfordernd. Das ist uns wichtig.
REIMER: Es ist überraschend anspruchsvoll, ein simples Spiel zu machen. Immer mehr reinzustopfen ist einfach, aber eine Idee auf das Wesentliche zu reduzieren und nicht nur was mit bunten Farbwürfeln zu machen, ist eine Kunst.
LUHN: Wir machen keine Marktforschung, aber unsere Spiele »Egocon« und »Fish’n’Flips« sind ab acht Jahren, kooperativ spielbar und sprechen auch Erwachsene an. Wir machen Familienspiele.
Kooperative Lernspiele zu Umweltschutz sind ja nicht unbedingt immer spannend. Wie baut man schwere Themen sinnvoll in ein Gesellschaftsspiel ein?
LUHN: Bei »Summsalabim« gibt es zum Beispiel den mächtigen Zauberer Pestizido. Der gibt den Kindern Handicaps, die wirklich dem nachempfunden sind, was Hummeln erleben, wenn sie mit Pestiziden in Berührung kommen. Da schrumpfen dann die Flügel, sie können nicht mehr so gut fliegen. Bei uns muss dann die Hummel von zwei statt von einem Kind getragen werden. Oder die Sichtfähigkeit der Hummel wird beeinträchtigt, und dann fliege ich die Hummel blind. Und so weiter.
REIMER: Eine kleine Richtigstellung: Die geschrumpften Flügel kommen vom Flügelkrüppelvirus.
Woher kommen solche Ideen?
REIMER: Wir haben so was ja studiert und kennen viele Menschen, die sich unglaublich intensiv mit Themen wie diesen beschäftigen. Das sind meistens Menschen, die gut in ihrer Wissenschaft sind, aber nicht in der Vermittlung. Wir wollen dieses geballte Wissen in eine breite Bevölkerung tragen. Wir packen so viel rein, wie es geht, ohne dass es ein langweiliges Lernspiel wird.
LUHN: Ich hatte bei »Fish’n’Flips« die Idee, Karten auszulegen und Effekte auszulösen, wenn sie umgedreht werden. Das klingt erst mal sehr abstrakt. Aber dann ist mir eingefallen, dass eine gute Freundin von mir zum Thema Beifang promoviert, und das funktioniert super. Jetzt sind da Fische auf den Karten, und sie müssen Paare bilden und in die gleiche Richtung schwimmen, um aus dem Netz auszubrechen.
Liefert die Wissenschaft nur Inspiration oder gibt es da einen richtigen Dialog?
REIMER: Wir arbeiten mit Initiativen zusammen, die uns fachliches Feedback geben. Die sagen auch schon mal: Leute, so könnt ihr das nicht machen.
LUHN: Genau, wir wollten erst ein Spiel über Honigbienen machen, aber die haben schon genug Lobby. Jetzt geht es bei uns um Hummeln, weil es noch viel wichtiger ist, da auch Aufmerksamkeit hinzulenken.
Das eigene Spielekollektiv ist aber nicht das Ende der Fahnenstange, richtig?
LUHN: Ich habe vor einem Jahr die Fühler ausgestreckt und wir haben das Gamechangers-Collective gegründet. Da gibt es verschiedene Ansätze zu verschiedenen Themen; die »Spielköpfe« beschäftigen sich mit Gendergerechtigkeit, »Planet A« machen Umweltkrimis, »Gigawatt« haben ein Spiel zu Stromversorgung und nachhaltiger Elektrizität gemacht, und so weiter. Wir bleiben vernetzt.
> Spiele von Gaiagames gibt es auf www.gaiagames.de, im Spieleladen Capito und in diversen Leipziger Unverpacktläden. »Summsalabim« und das komplette Sortiment von Gaiagames sind mindestens bis zum 2.3. bei Startnext verfügbar: www.startnext.com/summsalabim
> alle Verlage des Gamechangers-Collective: www.gamechangers-collective.com