Seit Montag, dem 27. März können Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 21 Jahren auf der Webseite der Stadt Leipzig das neue Jugendparlament (JuPa) wählen. Dieses gilt als Interessenvertretung und vertritt die Belange der Altersgruppen gegenüber der Stadtverwaltung sowie dem Stadtrat. Außerdem dient es als Ansprechpartner für die Anliegen junger Menschen in Leipzig.
Doch kurz vor der Wahl werden Vorwürfe gegen zwei Kandidierende laut, die sich öffentlich gegen Homosexualität aussprechen bzw. homophobe Äußerungen tätigen. Es stellt sich die Frage, ob eine solche Interessenvertretung tatsächlich im Sinne der Leipziger Jugend wäre. Und ob ein Ausschluss dieser Kandidierenden von der Wahl nicht notwendig wäre.
Schließlich verdeutlichte das bestehende JuPa mit dem Aufruf »Kandidieren bedeutet Mitsprache« auf der eigenen Instagram-Seite, dass man als eines der 20 Mitglieder des neuen JuPa die Chance besitzt, aktiv an der Politik und Außendarstellung der Stadt Leipzig mitzuwirken. Ein Mitglied, dass homophob und trans- bzw. queere feindlich ist, wäre demnach für alle jungen Menschen, die sich zur LGBTQ-Community zählen, ein Schlag ins Gesicht. »Insbesondere in Sachsen müssen junge queere Menschen jeden Tag Anfeindungen oder gar Gewalt ertragen. In einer Zeit, in der Straftaten gegen queere Menschen wieder ansteigen, wäre es ein fatales Zeichen an all diese jungen Menschen, wenn offen homophobe Äußerungen zum Einzug ins Leipziger Jugendparlament verhelfen«, sagt der Leipziger Juso-Vorsitzende Mats Rudolph.
Die Jusos Leipzig haben bereits am 22. März durch eine Kundgebung vor dem Neuen Rathaus darauf aufmerksam gemacht, dass sich unter den 39 Kandidierenden zwei Personen befinden, die sich im Internet oder auf öffentlichen Wahlkampf-Veranstaltungen des JuPa homophob geäußert haben. »Diese homophoben Einstellungen sind für uns nicht tolerierbar. Menschenfeindlichkeit darf im Jugendparlament keinen Platz haben. Dass diese offene Homophobie bereits von mehreren Kandidierenden offen zur Schau gestellt wurde, bereitet uns große Sorgen«, verdeutlicht Rudolph.
Und tatsächlich findet man auf der offiziellen Webseite des Jugendparlaments in dem Vorstellungstext des Kandidierenden mit dem Listenplatz 39 folgende Aussage: »Ich möchte noch sagen, ich bin gegen Homosexualität«. Der Auszubildende, welcher ganz unten auf der Liste der Kandidierenden aufgeführt ist, macht keinen Hehl aus seiner Einstellung. Dennoch kann er zur Wahl antreten, da das JuPa nach eigener Aussage keinen Einfluss auf den Wahlprozess und die Kandidierenden hat. »Das Jugendparlament entscheidet nicht, wer kandidieren darf, sondern der Wahlausschuss auf Grundlage des Bundeswahlgesetztes. Dem JuPa verbietet sich daher das Eingreifen in den Wahlkampf. Falls dieser Kandidat allerdings gewählt wird und sich derartig im JuPa äußern sollte, ist ein Ausschluss denkbar«, sagt Oskar Teufert, Sprecher des Jugendparlamentes.
Gegen den Kandidierenden auf Listenplatz 25 erheben die Jusos Leipzig ebenfalls schwere Vorwürfe. So soll der 16-jährige Schüler, der sich für die Junge Union engagiert, am 17. März auf der Wahlkampfveranstaltung »Klartext! - Jugendforum zur Jugendparlamentswahl« in einer Diskussion über Toleranz und Vielfältigkeit Angehörige der LGBTIQ+ Community als »nicht normal« bezeichnet haben, da nach seiner Aussage: »Heterosexualität die Norm sei und bei Homosexualität eine Abweichung von dieser vorliegen würde«. Außerdem hätte er sich abwertend gegenüber Trans-Menschen und queeren Personen geäußert. »Er kam zu dem Fazit, dass viele queere Menschen aufgrund ihrer Identität einen Besuch beim Psychologen bräuchten, damit sie wieder ›normal‹ werden könnten. Als ich mich als queer geoutet habe und ihm die Frage stellte, ob ich denn jetzt auch einen Besuch beim Psychologen bräuchte, antwortete er, dass ich in meinem Alter noch nicht genau über mich Bescheid wissen könne«, sagt eine betroffene Person der Leipziger Jusos, die anonym bleiben möchte.
Dem Jugendparlament sind diese Vorwürfe bekannt. »Über das Problem und die menschenfeindlichen Aussagen wurde an anderer Stelle aufgeklärt. Für uns steht fest: Leipzig ist ein Ort der Vielfalt, wo verschiedene Lebensentwürfe eigentlich unbehelligt existieren sollten – wir distanzieren uns daher von jeder Aussage, welche die Menschenwürde und -rechte aller Leipzigerinnen und Leipziger nicht respektiert«, erläutert Teufert.
Einen Ausschluss dieses Kandierenden von der Wahl fordern die Betroffenen der Jusos trotz der menschenfeindlichen Aussagen nicht, da es sich um eine demokratische Wahl handele und der Wahlausschuss die Teilnahmeberechtigungen geprüft habe. »Jedoch wünsche ich mir eine deutlichere und öffentliche Positionierung des JuPa und seines Sprechers gegen solche Äußerungen. Ich hoffe sehr, dass nach Bekanntwerden des Vorfalls die Leipziger Jugendlichen und jungen Erwachsenen sich klar gegen Listenplatz 25 und seine diskriminierenden Positionen stellen und er nicht gewählt wird«, appelliert die betroffene Person der Jusos.
Trotz Bemühungen, den Kandidierenden des Listenplatzes 25 mit den Anschuldigungen zu konfrontieren, war bisher kein Gespräch möglich. Eine Anfrage an die Junge Union blieb ebenfalls unbeantwortet.
Nun ist es an der Leipziger Jugend, bei der Wahl zum JuPa ein klares Zeichen gegen LGBTQ-Feindlichkeit und für ein vielfältiges sowie tolerantes Leipzig zu setzen. Gewählt werden kann noch bis Montag, den 3. April, 8 Uhr auf der Seite der Stadt Leipzig.