Seit diesem Frühjahr hat Leipzig nun vier Sterne-Restaurants. Der kreuzer gratuliert dem Kuultivo und freut sich mit.
Von »Avantgarde« schrieb der kreuzer im April 2020. Das war wenige Wochen, nachdem Betreiber Michael Bauß das Kuultivo in der Spitze zwischen Könneritz- und Brockhausstraße eröffnet hatte – zusammen mit Alessandro Porcelli und italienisch basiert, mit hausgemachter frischer Pasta, damals schon mit regionalen Partnern wie Annalinde und entsprechend saisonal ausgerichtet. Der Name erklärt sich dort auch, als Verschmelzung nämlich aus Kultur und Coltivo, letzteres ist Italienisch für kultiviert. Das doppelte U signalisiert vielleicht eine Extraportion Lässigkeit. Seit dem Folgejahr ist Klaus Schunack Küchenchef. Mit dem so ins Team gelangten Sauerteig entstand nicht nur Brot, sondern die Dinnerreihe Breaking Bread Events. Da kochten weit und weniger weit gereiste Gäste, gab es Themenabende etwa um Fermentation oder wurde das Food-Wein-Pairing auf den Kopf gestellt: Erst kam der Wein auf den Tisch, dann zauberte die Küche das Menü dazu.
Bekanntermaßen war seit Eröffnung des Kuultivo ständig Krise: Lockdown, verkürzte Öffnungszeiten und Hygieneregeln, noch einmal Lockdown, Ukraine-Krieg, Preissteigerungen. Das hielt das Kuultivo nicht davon ab, sich und sein Verständnis von Casual Fine Dining stets weiterzuentwickeln. In der offenen Küche inmitten der klaren, eleganten und gleichzeitig komfortablen, einladenden Einrichtung entstehen gutaussehende Teller auf hohem Niveau. Das ist entspannt, nicht zuletzt auch für die Gäste, die nicht mit weißen Tischdecken, Unsicherheiten beim Dress-Code und teuren Rohstoffen konfrontiert sind, sondern sich an handwerklicher Qualität und frischen Ideen erfreuen können. Oder, wie der Guide Michelin unter anderem schreibt: »Ein richtig nettes kleines Lokal in trendig-rustikalem Bistrostil, locker und ungezwungen die Atmosphäre. […] Hier entstehen ambitionierte moderne Gerichte, die angenehm auf das Wesentliche reduziert sind. Dabei legt man Wert auf regionale Produkte.«
Vielleicht hat sie einige in der Stadt überrascht, verdient ist die Auszeichnung allemal. Die Bewertungen vergibt der Guide Michelin jeden Frühling. Die Sterne, die in ihrem Aussehen eigentlich eher an stilisierte Blüten erinnern, haben drei Kategorien: Drei Sterne übersetzen sich mit »eine einzigartige Küche – eine Reise wert«, zwei mit »Spitzenküche – einen Umweg wert« und einer steht für »eine Küche voller Finesse – einen Stopp wert«. Das klingt seltsam, stammt aber aus den Ursprüngen des Guide, den der Reifenhersteller ab 1900 als Werkstatt-Überblick für den damals recht neuen Automarkt herausbrachte und der später auch Tipps für Verpflegung und Übernachtung unterwegs enthielt. Immerhin legen heute manche Feinschmecker einige hundert Kilometer zurück, um in einem besternten Restaurant zu speisen. Vor 95 Jahren wurden die Sterne, vor 90 Jahren die Hierarchie von einem bis drei Sternen eingeführt. Das allein klingt vielleicht noch nicht sehr appetitanregend, die Kriterien für die Sternevergabe sind es doch: Der Fokus liegt auf der Restaurantküche, dabei spielen Qualität und Frische, Handwerk und Kreativität eine Rolle, längst geht es nicht mehr nur um Fine Dining mit besagten weißen Tischtüchern und teurem Käsewagen. Bundesweit tragen in diesem Jahr 334 Restaurants eine Sterne-Auszeichnung, darunter 34, die erstmalig einen Stern erhielten. Insgesamt fünfzig Restaurants haben zwei Sterne, zu ihnen gehört in Leipzig das Falco. Zu den 274 Restaurants mit einem Stern in der Stadt zählen der jahrelange Sterneverteidiger Stadtpfeiffer, seit 2021 das Restaurant Frieda und nun das Kuultivo. Wir gratulieren herzlich! Franziska Reif
> Kuultivo, Könneritzstr. 24, 04229 Leipzig, Tel. 24 88 41 61, www.kuultivo.co
Titelfoto: Michael Hertz.