Innenminister Armin Schuster (CDU) irrlichtert bei rechtem Medium und beschwört den Fischelant-Mythos – ein Kommentar von Tobias Prüwer.
»Hüte dich vor Sturm und Wind – und Sachsen, die in Rage sind!« – Sachsens Innenminister hat fix gelernt, wie der Wind weht. Es hätte nur noch gefehlt, dass Armin Schuster das entsprechende Motto-Shirt getragen hätte, als er das neuste Medium der rechten Echokammer ins Dresdner Ministerialgebäude lud. Durch seinen Auftritt macht er eine Plattform für Rechtspopulismus salonfähig. Zudem verbreitet er Unwahrheiten gegen links. Und sein Appell ans sächsische Sendungsbewusstsein ist Wasser auf die Mühlen der AfD, Freien Sachsen & Co.
Das Fischen am rechten Rand hat sich Schuster von Ministerpräsident Michael Kretschmer abgeschaut. Der geht nicht nur auf rechte Demonstrantinnen zu, sondern gab im vergangenen Jahr Ostsachsen-TV ein Interview. Im Bautzener Sender kamen schon mal Reichsbürger wie Peter Fitzek zu Wort und der extrem rechte Compact-Chef Jürgen Elsässer. Teilfinanziert wird er vom Bauunternehmer Jörg Drews, der gerade gegen ein Institut der Leipziger Universität klagt, das in einer Publikation seine Unterstützung für die extreme Rechte unter die Lupe nimmt.
Innenminister Schuster legt nun nach, in dem er Nius ein fast einstündiges Interview gibt. Das frisch gegründete Netz-Medium ist der Nachfolger von Julian Reichelts (Ex-Bild) erfolglosem Pleiteticker. Dort dürfen einschlägige Stimmungsmacher wie Jan Fleischhauer, Judith Sevinc Basad und Anabel Schunke mitmischen. Es geht gegen alles, was links scheint, gegen Migrantinnen sowieso und natürlich wird der menschengemachte Klimawandel angezweifelt. Dass Schuster dieses Mediums durch seinen Auftritt adelt, ist schlimm genug. Noch dazu nutzt er diesen, um Unwahrheiten über die linke Szene in Leipzig zu verbreiten und den sächsischen Exzeptionalismus zu pflegen.
Schuster plädiert im Interview unter anderem für mehr Abschiebungen und einen pragmatischeren Umgang mit der AfD. Mehrfach prangert er die linken Zustände in Leipzig und Gewalt gegen Polizistinnen an – den Leipziger Kessel erwähnt er mit keiner Silbe. Der Journalist auch nicht, man hat offensichtlich eine Agenda. Da geht auch schon mal eine Lüge durch, wenn Schuster behauptet, ein »sehr großes Plakat« mit dem Spruch »Gebt dem Bullen was er braucht – neun Millimeter in den Bauch!« sei »mehrfach« bei Versammlungen in Leipzig mitgeführt worden. Bei diesen seien »Landtagsabgeordnete maßgeblich beteiligt« gewesen. Die unsägliche Parole wurde tatsächlich mal gerufen, aber von entsprechenden Transparenten ist nichts bekannt. Aber was scheren Nius und Innenminister die Wahrheit. Hauptsache das Publikum wird bedient.
Dann holt Schuster zum Sachsenstolz aus: »Die Sachsen merken Dinge früher. Sind viel sensibler in diesen Wahrnehmungen. Sie haben keinen Political-Correctness-Filter vorm Maul.« Die Sachsen seien ein » Frühwarnindikator für Stimmungen, für gesellschaftliche Positionierungen«, behauptet Schuster. Sie hätten zum Beispiel auch maßgeblich Einfluss auf die Überarbeitung des Heizungsgesetzes gehabt, sagt Schuster: »Das wirkt. Die haben im Kabinett gezittert.« Und er lobt »Gewerkschaften und NGOs«. Er kann nur Freie Sachsen und Konsorten meinen oder welche NGOs sollten da auf der Straße gelärmt haben?
»Dieses rebellische Sein, dieses Zänkische, dieses nach-Berlin-Schimpfen« habe es ihm angetan, sagt der Innenminister und wiederholt die seltsame Überhöhung, die unter Freistaatmenschen wirksam ist. Dieser sächsische Irrglaube von der eigenen Einzigartigkeit führt regelmäßig zur Empörung, wenn der Rest der Welt diese nicht gebührend würdigt. Daraus entspringt eine Mischung aus Opportunismus und Widerspenstigkeit, die nur einen Anlass braucht, um sich zu entzünden. Mit seinem Alarmismus und Sachsenstolz schürt Schuster diese Glut und bringt der AfD letztlich nur weitere Stimmen.