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Kultur

»Ich würde mich auch hassen, wenn ich nicht ich wäre.«

El Hotzo im Interview

  »Ich würde mich auch hassen, wenn ich nicht ich wäre.« | El Hotzo im Interview  Foto: Henry W. Laurisch

Die Halle A im Werk 2 ist bis zum letzten Platz gefüllt, kurz vor Beginn der Lesung werden sogar extra noch Stühle angekarrt. Wo in den vorderen Reihen noch niemand sitzt, liegen vorsorglich Jacken und Regenschirme: Nicht dass der ergatterte Stuhl abhandenkommt, während man sich noch an der Bar mit Getränken eindeckt. Auf der Bühne stehen aufblasbare Plastiktiere und ein lebensgroßer Michael-Schumacher-Pappaufsteller. Letzterer soll Sebastian Hotz – besser bekannt als Internetclown El Hotzo – Kraft spenden für heutigen Lesetour-Auftakt für sein Buch »Mindset«.

Im Interview vor seinem Auftritt erzählt der 1996 geborene Podcaster und ZDF-Magazin-Royal-Autor, wieso sich das Thema Männlichkeitscoaches für sein Buch aufgedrängt hat, wie sich 1,3 Millionen Follower auf seine Witze auswirken und warum er es gut findet, wenn Mütter ihn nicht kennen.

Sie sind mit dem Auto nach Leipzig gekommen. Sind Sie mit dem Buchverkauf so reich geworden, dass Sie nicht mehr Bahnfahren möchten?  

Ich wollte eigentlich Bahn fahren. Aber Gabor, mein angestellter Tourmanager, den ich mir jetzt leisten kann, war der Meinung, dass es mit den vielen Büchern sinnvoller ist, mit dem Auto zu fahren und ich befürchte auch, dass es mit der Bahn nicht günstiger wäre. Aber klar: Bücher und Spoken Word auf einer Bühne machen einfach mega reich. 


Wie geht es Ihnen vor dem ersten Auftritt der Lesetour? 

Schrecklich. Ich bin ultra aufgeregt und finde es fürchterlich, dass es noch drei Stunden bis zum Beginn sind. Aber ich freue mich auch unglaublich, dass es losgeht.


Ich habe meiner Mutter erzählt, dass ich El Hotzo treffe. Sie wusste nicht, wer das ist. 

Sehr gut! 


Wie erklären Sie älteren Familienmitgliedern, was Sie beruflich machen? 

Ich sage, dass ich Comedy-Autor bin. Ich schreib lustige Dinge. Ob ich das für mich mache oder für jemand anderen, ist dann egal. Ich freue mich fast, dass mich Ihre Mutter nicht kennt, denn ich bekomme schmerzhaft oft geschrieben: »Meine Mutter findet dich toll«. Ich frage mich dann oft, ob das mein Schicksal ist. Andererseits ist es natürlich eine finanzstarke Blase, Eltern, deshalb sollte ich langfristig wohl darauf setzen. 


Nach zig Tweets haben Sie nun ein Buch geschrieben. Warum? 

Weil ich es schon immer wollte. Ich glaub, das geht vielen Menschen so, die keine musikalische Begabung haben und nicht gut im Fußball sind. Mein Traum ist dann verschwunden, wie es bei so vielen Jugendträumen ist. Aber durch den Umweg über das Internet wurde ich noch mal interessant genug, um ein Buch zu veröffentlichen. 


Und wieso gerade über Motivationscoaches? 

Es war ein Thema, das sich mir richtig aufgedrängt hat. Der Algorithmus hat mich als Mann Mitte 20 erkannt und gesagt: »Dieser Mann muss sich verbessern«. Ich habe mich für die Recherche bei entsprechenden Seiten angemeldet und war einmal bei einer Videokonferenz dabei, in der ich es aber aus Cringe-Gefühl nicht lange ausgehalten habe. Das Schöne an Klischees wie denen über Männlichkeits- und Finance-Coaches ist, dass man durch das Klischee schon alles weiß, was man darüber wissen muss.


Aus diesen Beobachtungen ist das Buch entstanden?  

Ja, denn ich find, dass es ein spannender Kosmos ist mit einer interessanten Ästhetik. Es hat ja auch etwas inhärent Süßes, wenn man die schreckliche misogyne Gefahr, die von solchen Männergruppen ausgeht, ausklammert. Eigentlich ist es doch niedlich, wenn man sich in Gruppen trifft und einander verbessern möchte. Aber es hat auch absolut schreckliche Auswüchse, wie Elon Musk oder Andrew Tate.


Mögen Sie die beiden männlichen Hauptpersonen in Ihrem Buch? 

Ja. Sie sind eigentlich recht liebenswert in ihrer Dusseligkeit und Verletzlichkeit. Und dass ich mich von einem Internet-Hochstapler und von einem von seinem Job frustrierten IT-Techniker nicht sonderlich unterscheide, ist ein offenes Geheimnis. 


Würden Sie die beiden auch gerne mal treffen?

Mirko ja, weil ich glaube, dass der auch einen Freund braucht. Wie ich auch. Maximilian Krach möcht ich nicht treffen. Der ist ein Arschloch.


Wie war es denn dann, das fertige Buch in Händen zu halten?

Von Momenten, auf die man so hinfiebert, erhofft man sich ja manchmal eine Art Erlösung. Doch dann sind sie immer ein bisschen unterwältigend. So war es auch mit dem Buch: Es war da, nichts Feierliches ist passiert. Das ist enttäuschend, aber ich glaube, so fühlt sich Erwachsensein an. 


Sie haben Mal gesagt, dass es cool wäre, wenn das Buch 4,7 Sterne auf Amazon hätte. Inzwischen hat es 4,1.  

Das ist okay.  


Was bedeuten Ihnen Rezensionen und Buchbesprechungen?

Manche waren sehr, sehr positiv, manche waren wohlwollend negativ und da bin ich vollkommen fein mit. Ich glaube, es ist in Ordnung, mit 27 Jahren noch nicht sein größtes Werk abgeliefert zu haben. Das Buch wird weiterverwertet, im Theater zum Beispiel, da kann man erzählerische Dinge auch noch mal ändern. Das finde ich schön. 


Wenn es »noch« nicht das Meisterwerk ist, heißt das, es kommt noch mehr? 

Ich würde es mir natürlich wünschen und im Moment sieht es ganz gut aus.


Sie erreichen unglaublich viele Menschen mit Ihren Gedanken. Haben Sie dadurch das Gefühl, mächtig zu sein?

Es ist wahrscheinlich so, aber mein Gehirn macht große Zahlen über 200 nicht mit, deshalb macht mir der Raum da draußen (deutet Richtung Halle A) auch ein bisschen Angst. Ich blende aus, dass nicht nur ich und ein paar Leute mitlesen, sondern sehr, sehr viele. Es ist natürlich sehr cool, aber geht leider auch mit einer Verantwortung einher. Witze, die ich vielleicht lustig finde, die aber zu edgy sind oder möglicherweise jemanden verletzen, die finden eben nicht auf meiner Bühne statt. Das ist der schreckliche, schreckliche Fluch eines weißen Comedians mit vielen Followern: Er muss manchmal nachdenken, was er macht. Furchtbar, niemand hat es schwerer als ich. 


Es gibt den Spruch: Ein El Hotzo-Tweet in der Story ist die Fußmatte der Millennials. 

Natürlich ist das etwas, das mit so einer großen Reichweite einhergeht: Man wird immer ein bisschen gehasst. Ich würde mich auch hassen, wenn ich nicht ich wäre. Manchmal tue ich es sogar, obwohl ich ich bin, also ist das nur fair.


Haben Sie das Gefühl, mit Ihrer Reichweite etwas ändern zu können?

Ich glaube, dass es Quatsch ist, sich einzureden, dass man irgendwas ändert, indem man witzige Dinge erzählt. Ich finde es ein großes Stück weit peinlich, dass es so viele Leute gibt, die denken, dass ihre satirischen Inhalte irgendetwas aktiv verbessern würden. Niemand wird sich von einem El-Hotzo-Tweet von irgendetwas überzeugen lassen. Dinge auf Bühnen machen, ist in großen Teilen einfach Selbstbeweihräucherung und in erster Linie etwas, das meinem Ego sehr gut tut. Sich das einzugestehen ist gar nicht so schmerzhaft. Aber ich finde, man muss aufhören, Comedians und Satiriker:innen als neue Freiheitskämpfer darzustellen.


Wenn Sie Dinge auch für Ihr Ego tun: Wären Sie denn empfänglich gewesen für die Motivationsbotschaften aus Ihrem Buch?

Hundert Prozent. Mit 20 habe ich BWL studiert, hatte keine Freunde außerhalb dieser Blase. Wenn es da schon einen ordentlichen Instagram-Algorithmus gegeben hätte, wäre ich darauf hängen geblieben.


So von Fränkin zu Franke: Was sind Ihre Gedanken zu den Landtagswahlen in Bayern und Hessen gestern. 

Eigentlich konnte man sich gut vorbereiten, weil man seit vier Jahren wusste, was kommt. Trotzdem finde ich es schrecklich, also wirklich nur furchtbar. Aber vielleicht ist es ganz schön für Ostdeutschland, das jetzt nicht mehr nur auf diese Bundesländer gezeigt wird, wenn es um rechtsradikale Abstimmungsergebnisse geht. 


Sie sind gerade im Osten, der Beginn Ihrer Lesereise in Leipzig fällt auf den 9. Oktober. Welche Gedanken haben Sie zu Ost- und Westdeutschland?

Ich finde es als Wessischwein wichtig, keine Sachsenwitze zu machen. Damit reicht’s. Genauso wie mit den glossenhaften Kommentaren, die behaupten, dass sich Ostdeutschland einfach nicht richtig integriert hätte. Wir sollten uns mal in der breiten Fläche damit beschäftigen, was die Treuhand so in Ostdeutschland angerichtet hat, denn oh Boy, da sind ganz schön viele schreckliche Sachen passiert. Ich bin sehr gern in Leipzig. Ich bin auch gern in Ostdeutschland, obwohl es die dunklen Ecken gibt. Aber ich komme ja in Oberfranken selbst aus einer dunklen Ecke, da sind die Unterschiede gar nicht so groß.


> Sebastian Hotz: Mindset. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2023. 288 S., 23 €


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