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Leipzig Tag & Nacht / Magazin

Zweite Liga, nie mehr, nie mehr

Auch in der Fußballbundesliga der Frauen ist Leipzig dank Energydrinks aus Österreich angekommen – ein erster Zwischenstand nach vier Spielen

  Zweite Liga, nie mehr, nie mehr | Auch in der Fußballbundesliga der Frauen ist Leipzig dank Energydrinks aus Österreich angekommen – ein erster Zwischenstand nach vier Spielen  Foto: RB Leipzig/Motivio

Am Anfang ist es ganz schön leise. Erst als die Torhüterin Elvira Herzog danebengreift, geht ein Raunen durchs Stadion. Zum Gegentor kommt es noch nicht, aber ab dem Moment sind die 10.000 Fans stimmungsvoll dabei – bis zur letzten Minute. Auch als das Spiel schon längst entschieden ist.

Für die Leipzigerinnen ist es die erste Saison im Oberhaus, nachdem sie 2016 in der Sachsenliga an den Start gegangen sind. Und obwohl nur das halbe Stadion geöffnet ist, waren noch nie so viele Zuschauerinnen und Zuschauer in Leipzig bei einem Fußballspiel der Frauen. Es sind zwar nur zwei, drei Dutzend Fans, die an diesem Nachmittag im Sektor B mit Trommeln und Gesängen dem Regen und der dritten Niederlage im vierten Spiel trotzen, doch Viola Odebrecht, die Leiterin der Frauenabteilung des Clubs, ist zufrieden mit der familienfreundlichen Atmosphäre: »Das war für die Spielerinnen ein Riesenerlebnis«, so die ehemalige Nationalspielerin nach dem Heimspiel. Wenn es nach Odebrecht ginge, soll der Ausflug ins große Stadion für die Frauen keine Ausnahme bleiben: »Für mich schreit das nach einer Wiederholung.«

Bei all der Zufriedenheit ist klar: So schnell wird diese Heimspielatmosphäre nicht zum Alltag. Denn auch für erstklassigen Fußball der Frauen lohnt es sich in der Regel nicht, das große Stadion zu öffnen – zumindest finanziell. Und das, obwohl auch in Leipzig derzeit schnelle Entwicklungen zu beobachten sind: Die Zweitligaspiele wurden noch außerhalb der Stadt vor zwei- bis dreihundert Fans im Markranstädter Stadion am Bad ausgetragen. Erst seit Ende letzter Saison tragen die Fußballerinnen ihre Heimspiele am Cottaweg aus, dem selbsternannten »Hexenkessel«, einem zentral gelegenen, aber für Bundesliganiveau immer noch überschaubaren Stadion neben der Vereinsgeschäftsstelle, in dem sonst die männlichen Junioren ihre Liga- und die Männer ihre kleineren Testspiele austragen. Zum ersten Heimspiel der Saison kamen hier reichlich tausend Zuschauerinnen und Zuschauer.

Dass Leipzig im selben Moment in die Bundesliga aufstieg, in dem Turbine Potsdam, das einstige Flaggschiff des Frauenfußballs abstieg, ist kein Zufall: Turbine ist einer der letzten reinen Frauenfußballvereine, steht nach dem Abstieg in die zweite Liga finanziell nicht gut da und damit auch sinnbildlich für die fast unmögliche Aufgabe, wettbewerbsfähigen Profifußball zu liefern, wenn der Verein keine Querfinanzierung bieten kann. Da weder durch TV-Gelder, Merchandising, Sponsoring oder über Eintrittseinnahmen (5 Euro kostete der Eintritt gegen den VfL Wolfsburg) ausreichende Summen eingenommen werden, sind selbst in der ersten Bundesliga der Frauen die Trainings- und Spielbedingungen sowie die Gehälter nicht durchgehend erstklassig. So gaben bei einer nicht repräsentativen Umfrage der Sportschau in diesem Sommer nur 13 Prozent von 122 Spielerinnen der beiden höchsten Ligen an, monatlich mindestens 2.000 Euro brutto zu verdienen. Beinahe ein Viertel der Erst- und Zweitligaspielerinnen erhalte vonseiten ihrer Vereine überhaupt kein Gehalt. Dass der europäische Topverein VfL Wolfsburg neue Spielerinnen mit einer Ausbildung oder Jobs bei VW nach Wolfsburg lockt, ist ein weiteres Indiz dafür, dass viele Spielerinnen zwar Profis sind, aber vom Fußball nicht unbedingt leben können. Selbst wenn sie Bundesliga oder Champions-League spielen.

Wie hoch das Budget und die Gehälter der Spielerinnen in Leipzig sind, ist unklar. Doch auch hier profitiert das Team von einer professionellen Infra- und Personalstruktur aus der Männerabteilung. Mit DHL konnte zum Saisonstart außerdem ein finanzstarker Sponsor allein für die Frauen gewonnen werden, was laut Odebrecht nicht nur ideell wichtig sei für den Bundesliga-Neuling, sondern vor allem auch für seinen Etat. Odebrecht, die als aktive Spielerin nicht nur Weltmeisterin wurde, sondern auf Vereinsebene alle Titel  gewonnen hat (je viermal den DFB-Pokal und die Champions-League, ganze sieben Mal die Deutsche Meisterschaft), ist eine der zentralen Figuren für den Leipziger Erfolg. Sie ist seit Mai 2019 Leiterin der Frauen- und Mädchenfußballabteilung und gemeinsam mit der ähnlich erfolgreichen ehemaligen Nationalspielerin und jetzigen Co-Trainerin Anja Mittag (s. kreuzer-Interview 11/2022das Team hinter Trainer Şaban Uzun. Dessen Kader ist der drittjüngste der Liga, auch das zweite Team spielt in der Regionalliga – und damit höherklassig als alle anderen Leipziger Frauenfußballvereine.

Die nächstbesten sächsischen Teams – der Bischofswerdaer FV und FFC Fortuna Dresden – spielen ebenfalls in der Regionalliga. Eine Liga tiefer kämpfen in der Landesliga gleich vier Vereine aus Leipzig um den Aufstieg in die drittklassige Regionalliga Nordost: der SSV Stötteritz, die SpVgg Leipzig, der SV Eintracht Leipzig-Süd und die BSG Chemie Leipzig. Für Chemie die Aufstiegschancen sportlich derzeit am besten – dort läuft auch Anja Mittag seit Anfang des Jahres hin und wieder auf und gibt ihre Erfahrung weiter.

Wie die Männer stiegen die Frauen aus Markranstädt nach der Gründung ihrer Abteilung im Jahr 2016 schnell aus dem Amateurbereich in die erste Liga auf, auch sie wurden mit Widerstand und teilweise mit Boykotts anderer Vereine wie dem Bischofswerdaer FV begrüßt, unter anderem da sie mit erfahrenen Bundesligaspielerinnen antraten und nicht, wie angekündigt, mit Talenten aus dem eigenen Nachwuchsleistungszentrum. Dass sie jetzt kein gewöhnlicher Aufsteiger sind, haben sie auch gegen die Favoritinnen vom VfL Wolfsburg gezeigt. Vanessa Fudalla, letzte Saison Torschützenkönigin der zweiten Liga, hing zwar völlig in der Luft, doch chancenlos war Leipzig gegen die prominenten Wolfsburgerinnen keineswegs. Und trotz der 0:2-Niederlage überwiegt bei der Kapitänin Victoria Krug nach dem Spiel der Stolz, sich vor der großen Kulisse gut geschlagen zu haben. Denn obwohl der Star der Liga, Stürmerin Alexandra Popp, es sich zunächst auf der Bank gemütlich machen durfte, standen allein acht deutsche Nationalspielerinnen in der Wolfsburger Startelf: Jule Brand, Lena Oberdorf und Felicitas Rauch vom VfL sind dank der WM diesen Sommer und der EM im Vorjahr selbst männerfokussierten Fußballfans ein Begriff. Beim klassischen Frage- und Antwortspiel zwischen Stadionsprecher und Publikum beim Verlesen der Startaufstellung wurde deutlich, dass dagegen manche Namen in der Leipziger Startelf selbst den eigenen Fans nichts sagen – auch weil mit dem Aufstieg acht Neuzugänge verpflichtet wurden. Der Klassenunterschied zwischen den Ligen ist groß, insbesondere an die Spielgeschwindigkeit und Körperlichkeit müssen sich die jungen Spielerinnen noch gewöhnen: »Im ersten Spiel gegen Köln waren wir noch sehr nervös«, so Odebrecht, die mittlerweile aber schon eine Entwicklung erkennt: »Wir spielen nun einmal Bundesliga. Da muss man dagegenhalten und kann sich nicht jedes Mal wegschubsen lassen.« Trotz der dritten Niederlage im vierten Spiel ist das Leipziger Team bisher zufrieden und nimmt vor allem vom Auftritt gegen Wolfsburg Selbstbewusstsein mit ins nächste Spiel: »Wir wissen was wir können, das haben wir heute gezeigt. Nicht nur allen, die da waren, sondern auch uns selbst«, so Spielführerin Victoria Krug nach dem Spiel. Am kommenden Sonntag empfangen die Leipzigerinnen die aktuellen Meisterinnen vom FC Bayern München – dann wieder am Cottaweg. 

> Die nächsten Heimspiele am Cottaweg: 22.10. gegen Bayern München, 12.11. gegen Werder Bremen, 8.12. gegen den 1. FC Nürnberg

 


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