»Die Palästina-Solidarität fordert ein Ende der Bombardierungen, der Besatzung, der Heuchelei«, schallt es am Mittwoch um 17 Uhr über den Augustusplatz in Leipzig. Die Gruppe Handala, die aus Palästinenserinnen und Palästinensern besteht sowie Menschen, die sich mit Palästina solidarisieren, möchte mit dieser Kundgebung auf die dramatische Lage im Gazastreifen aufmerksam machen, die sie als »Genozid« bezeichnet. Über 400 Menschen haben sich am späten Mittwochnachmittag zusammengefunden, schwenken Palästinaflaggen, stimmen Sprechchöre und Lieder an.
Nachdem Mitglieder der islamistischen Hamas am 7. Oktober in israelisches Staatsgebiet vorstießen und dabei über tausend Zivilistinnen und Zivilisten sowie Militärs ermordeten, rief der israelische Präsident Benjamin Netanjahu den Kriegszustand aus. Er kündigte eine vollständige Blockade des Gazastreifens an: kein Wasser, kein Strom, keine Nahrung. Zusätzlich ist das Gebiet permanentem Bombardement seitens Israel ausgesetzt. Der Bevölkerung in Gaza droht nun eine humanitäre Katastrophe.
Die zweite Rednerin richtet sich an die Medien: »Es stehen sich nicht zwei ebenbürtige Konfliktparteien gegenüber«. Seit über 75 Jahren seien Palästinenserinnen und Palästinenser alltäglicher Gewalt ausgesetzt. Die Frau verweist auf die nach UN-Resolution völkerrechtswidrige Besatzung des Westjordanlands durch Israel seit 1967 und bezeichnet die Unterstützung nationaler und zionistischer Bestrebungen durch die Länder der EU als Nährboden für die Gewalt der Hamas.
Mit dem Spruch »From the river to the sea, we demand equality«, beendet die junge Frau ihre Rede. Die Polizei Leipzig bestätigte auf Anfrage, dass dieser Spruch polizeilich aufgenommen wurde und von der Staatsanwaltschaft strafrechtlich bewertet wird. Auch eine videografische Aufzeichnung fand statt, um auf Arabisch gehaltene Redebeiträge im Nachhinein mit einem Dolmetscher überprüfen zu können. Die Berliner Staatsanwaltschaft erklärte diese Parole in Zusammenhang mit dem Satz »Palestine will be free« am vergangenen Freitag als strafbar, da ein Verdacht auf Volksverhetzung bestünde, falls sie im »nötigen Kontext« einer gewaltsamen »Befreiung« Erwähnung findet. Grund dafür sei die Nennung eines Gebiets, dass sowohl Palästina als auch Israel miteinschließt.
Auch Handala wurde nach eigenen Angaben im Vorfeld von der Polizei darauf hingewiesen, dass die Verlautbarung dieses Spruches – auch in jener Abwandlung - strafrechtliche Konsequenzen haben könnte. Auf Nachfrage erklärte Handala ihr Verständnis der Parole als »eine Dekolonisation Palästinas und ein Ende der israelischen Apartheid, nicht aber ein Ende von jüdischem Leben und jüdischer Kultur in Palästina.« Dieser Spruch war einer der Gründe, weshalb die Kundgebung anschließend auf X als antisemitisch bezeichnet wurde. Bereits im Vorfeld kam es zu Ablehnung. Der Grünen-Politiker Jürgen Kasek beschuldigt Handala, sich positiv auf die Verbrechen der Hamas zu beziehen. Dafür zieht er einen Post der Gruppe vom 8. Oktober heran, der eine Karikatur eines Paragliders darstellt. Auf Arabisch steht unter diesem Post, dass Gaza sich selbst aus dem Gefängnis befreit hätte. Mitglieder der Hamas verschafften sich am 7. Oktober unter anderem mit Paraglidern Zugang zu israelischem Territorium. Inzwischen hat Handala den Post gelöscht. Ebenfalls kam wiederholt Kritik an dem Poster, dass für die Kundgebung verwendet wurde. Dieses zeigt eine Karte, die Israel und Palästina als ein einheitliches Gebiet darstellt und daher den Vorwurf trägt, dass Israel das Existenzrecht abgesprochen werden würde. Hinsichtlich des Vorwurfs, dass Personen aus dem Querdenken Milieu an der Kundgebung teilgenommen hätten, verwies die Polizei auf eine parallel auf dem Augustusplatz angemeldete Kundgebung unter dem Titel »Frieden schaffen ohne Waffen« der Friedensinitiative 2023.
Die Stimmung auf dem Augustusplatz war friedlich und emotional aufgeheizt, Menschen verliehen ihrer Stimmung Ausdruck und stimmten immer wieder »Free Palestine«-Rufe an. Viele der anwesenden Personen haben Familie und Freunde in Gaza. »Wir konnten unserer Community die Möglichkeit geben, nicht nur ein Zeichen zu setzen und ihre Wut und Trauer herauszuschreien, sondern auch zusammen zu kommen, was gerade für diejenigen, die in Gaza Familie und Freunde haben sehr wichtig ist«, erklärt Lina, eine Aktivistin der Gruppe, im Anschluss an die Kundgebung.
»Palästinensische Menschen sind nicht die Hamas, genauso wie jüdische Menschen nicht der israelische Staat sind«, erklärte ein anderer Redner. Immer wieder wurde der Wunsch nach Gerechtigkeit für alle Menschen unabhängig von Nationalität, Ethnie und Religion geäußert. Aber auch die autoritäre Gruppierung Kommunistische Organisation (KO) hielt einen Redebeitrag, in dem sie erklärte, dass sie ganz klar auf der Seite Palästinas stehe und sich von keiner Form des Widerstandes distanziere. Zum Schluss drückten sogenannte »Genoss:innen aus Irland« in einer Rede ihre Solidarität aus.
Mit Teelichtern und einer Schweigeminute gedachten die Teilnehmenden der Opfer im Gazastreifen, bevor die Kundgebung um 19 Uhr aufgelöst wurde. Sprechchöre hielten sich noch einige Minuten, dann leerte sich der Augustusplatz.