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Freiwillige Selbstverpflichtung

Der Pressekodex wurde erstmals 1973 an den Bundespräsidenten überreicht – welche Rolle spielt er für uns heute, 50 Jahre später?

  Freiwillige Selbstverpflichtung | Der Pressekodex wurde erstmals 1973 an den Bundespräsidenten überreicht – welche Rolle spielt er für uns heute, 50 Jahre später?  Foto: Adobe Stock

Schall und Rauch, zahnloser oder auch Papier-Tiger – diese Redewendungen fallen immer wieder im Zusammenhang mit dem Pressekodex. Dass die darin festgehaltenen publizistischen Grundsätze jedoch aus einer äußerst demokratischen und freiheitsliebenden Grundidee erschaffen wurden, ist vielen Menschen nicht bewusst. Er ist weder ein Gesetz noch ein Regelwerk, vielmehr eine freiwillige Selbstverpflichtung für Medienschaffende. Aus diesem Grund gibt es auch keine Strafen oder gar Anzeigen bei einem Verstoß, sondern die sogenannten »Hinweise«, »Missbilligungen« und »Rügen«. Die Besonderheit: Jeder und jede kann dem Presserat einen Artikel melden, den er oder sie für problematisch hält. Der Presserat prüft diese »Anzeigen« dann und spricht entweder Hinweise, Missbilligungen oder Rügen aus, wenn er den Pressekodex verletzt sieht. Diese sollen dann vom gerügten Medium abgedruckt werden. Es ist tatsächlich ein »Sollen« und kein »Müssen«, da es eben keine bindende Verpflichtung gibt. Es halten sich in Deutschland in der Regel alle Medien an diese Art der Bestrafung – außer der Bild, die zugleich die meisten Rügen durch den Deutschen Presserat erfährt.  

Für schwerwiegende Verstöße – zum Beispiel gegen Persönlichkeitsrechte oder das Recht am eigenen Bild – gibt es das Presserecht. Mit dessen Hilfe ist es möglich, auch rechtlich gegen die Presse vorzugehen. Der Unterschied zum Pressekodex: Man muss selbst betroffen sein, um gegen den Verstoß vorgehen zu können. Fühlt sich eine Privatperson beispielsweise durch ein Medium diskreditiert und in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt, kann sie eine Klage anstreben. Eine Konsequenz des Presserechts könnte dann beispielsweise eine Gegendarstellung sein, die das Medium abdrucken muss. 

Beschwerden und Rügen 

Besonders viele Beschwerden beim Presserat über empfundene Verstöße gegen den Pressekodex gab es 2015 beim Absturz des Germanwings-Fluges 9525, bei Hengameh Yaghoobifarahs Polizeikolumne »All cops are berufsunfähig« in der Taz 2020 und nach dem Unglück bei der Loveparade im Jahr 2010. Nicht immer bedeuten viele Beschwerden aber auch, dass der Presserat Rügen ausspricht. In der Polizeikolumne ging es beispielsweise darum, dass Yaghoobifarah sich fragte, ob man die Polizei abschaffen und in welche Branchen man »Ex-Cops« überhaupt »reinlassen« könne, da der »Anteil an autoritären Persönlichkeiten und solchen mit ›Fascho-Mindset‹ in dieser Berufsgruppe überdurchschnittlich hoch« sei. 382 Leserinnen und Leser wendeten sich daraufhin an den Presserat, da sie eine Herabwürdigung und einen Verstoß gegen die Menschenwürde sahen. Sogar der damalige Bundesinnenminister – wir erinnern uns: Horst Seehofer – gab an, Anzeige gegen Yaghoobifarah stellen zu wollen. Tatsächlich entschied der Presserat, dass die Kolumne nicht zu rügen sei: Es wurde kein Polizist namentlich oder persönlich diffamiert und als Teil der Exekutive müsse sich die Polizei in diesem Zusammenhang auch scharfe Kritik gefallen lassen. Der Text sei außerdem klar als Satire erkennbar. Dieser Fall zeigt, dass der Presserat nicht aus einem Gefühl oder auf Zuruf handelt, sondern strenge Kriterien hat, nach denen Rügen verteilt werden. 

Ja, der Pressekodex ist kein rechtlich bindendes Regelwerk, seine Übergabe an den Bundespräsidenten im Jahr 1973 markierte aber einen Meilenstein in der Selbstregulierung der Presse. Der Presserat als unabhängige Kontrollinstanz ist Ansprechpartner für jeden Leser und jede Leserin, wenn es um die Wahrung ethischer Standards in der Berichterstattung deutscher Medien geht. Trotz gelegentlicher Kritik und Diskussionen um Anpassungen bleibt der Pressekodex ein bedeutendes Instrument für die journalistische Ethik und Selbstkontrolle. 

 


Der Pressekodex und 2023 ausgesprochene Rügen des Deutschen Presserats 

(Angaben vom Presserat, Stand: 8.11.2023) 

Ziffer 1: Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde – 10 Rügen 

Ziffer 2: Sorgfalt – 18 Rügen 

Ziffer 3: Richtigstellung – keine Rüge 

Ziffer 4: Grenzen der Recherche – keine Rüge 

Ziffer 5: Berufsgeheimnis – 1 Rüge 

Ziffer 6: Trennung von Tätigkeiten – 2 Rügen 

Ziffer 7: Trennung von Werbung und Redaktion – 7 Rügen 

Ziffer 8: Schutz der Persönlichkeit – 15 Rügen 

Ziffer 9: Schutz der Ehre – 2 Rügen 

Ziffer 10: Religion, Weltanschauung, Sitte 

Ziffer 11: Sensationsberichterstattung, Jugendschutz – 12 Rügen 

Ziffer 12: Diskriminierungen – 1 Rüge 

Ziffer 13: Unschuldsvermutung: 4 Rügen 

Ziffer 14: Medizin-Berichterstattung – keine Rüge  

Ziffer 15: Vergünstigungen – keine Rüge 

Ziffer 16: Rügenveröffentlichung – keine Rüge 


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