Die Passage-Kinos zeigen ab dieser Woche wieder eine Auswahl aktueller italienischer Filme in der Originalversion. Hier kann man echte Entdeckungen machen, da die meisten Filme bisher keinen Kinostart auf heimischen Leinwänden haben. Sechs Produktionen bringt das »Cinema Italia« nach Leipzig. Darunter auch ein Klassiker: Pier Paolo Pasolinis »Mama Roma« von 1962. Hinweis: Die Passage-Kinos haben kurzfristig »Wie wilde Tiere« aus dem Programm genommen, der eigentlich diese Woche starten sollte. Geplant sei nun, ihn kommende Woche einzusetzen.
7.–13.12., Passage Kinos (alle Filme OmU)
Film der Woche: Erinnern Sie sich noch an den BlackBerry, das Handy mit der Tastatur? Nein? Warum das so ist, zeigt der Film von Autor, Regisseur und Hauptdarsteller Matt Johnson. Er erzählt die tragikomische Geschichte vom Aufstieg und Fall der unterschiedlichen Freunde Doug (Johnson) und Mike (Jay Baruchel) und ihrer Firma Research in Motion. Das Leben der Proto-Nerds im kanadischen Nest Waterloo ist geprägt von Pizza und Programmieren. Mit ihren Buddys basteln sie an Modems und Prototypen. Zeit zum Netzwerkzocken muss natürlich immer bleiben. Einen richtigen Businessplan hat keiner von ihnen, weshalb sie auch kurz vor der Pleite stehen, als sie Jim Balsillie (Glenn Howerton) kennenlernen. Der Geschäftsmann erkennt das Potential der Wizkids und schließt einen Pakt mit ihnen.
Fortan kümmert er sich darum, die großen Tech-Konzerne zu belabern und macht aus einem genialen Konzept das nächste große Ding: E-Mails für die Westentasche. Das erste Smartphone ist geboren – und muss nur noch funktionieren, damit dem Durchbruch nichts mehr im Wege steht. Aber auch dieses unwesentliche Problem lösen Doug und Mike und der Erfolg ist überwältigend. Über Nacht will jeder ihren BlackBerry haben – was sich als neues Problem herausstellt, denn für millionenfache Nutzerzahlen ist das Netzwerk nicht ausgelegt. Nur eines von einer nicht enden wollenden Flut von Problemen, die Firmenboss Mike und seine Freundschaft mit Doug massiv unter Druck setzen – erst recht, als ein gewisser Steve Jobs und seine Firma Apple mit einem neuen Produkt den Markt betreten.
Was als großer Spaß beginnt, wird zunehmend zu einem düsteren Thriller, einer Studie menschlicher Abgründe. Eine Geschichte, die zu gut ist, um wahr zu sein, charmant-schräge Typen und eine große Portion Nostalgie zeichnen Matt Johnsons Tech-Tragödie aus. Als Mischung aus »Social Network«, »The Big Short« und »Computer Chess« schafft »BlackBerry« ein glänzendes Gefühl für die Zeit vor dem neuen Millennium, als alles möglich schien. Das Drehbuch basiert auf dem 2015 veröffentlichten Buch „Losing the Signal: The Untold Story Behind the Extraordinary Rise and Spectacular Fall of BlackBerry“ von den Journalisten Jacquie McNish und Sean Sicoff. Das Ende ist allseits bekannt, der Abstieg trotzdem höchst unterhaltsam und mitreißend. Das ist Johnsons Drehbuch und seinen Darstellern zu verdanken, die ihre Figuren nie der Lächerlichkeit preisgeben. Am Ende bleibt eine Geschichte von Freunden, die die Welt verändern wollten und am Kapitalismus scheiterten.
»BlackBerry«: ab 7.12., Cinestar, Cineplex, Passage-Kinos
Bald ist die Zeit gekommen, da sich durch die richtige Planetenkonstellation und den selbstlosen Einsatz von Queen Bitch der Anus zur Hölle öffnen und die gesamte Erde zu einem Planeten der Homosexualität machen wird! Priester Gaylord ist zwar selbst ein verklemmter Schwuler, der einst mit dem muskulösen Queen Bitch liiert war, bezweifelt aber, dass dieses Szenario mit der Bibel vereinbar ist. Deswegen beauftragt er Captain Faggotron, der noch eine alte Schuld abzuleisten hat, Queen Bitch den Ring zu stehlen, den dieser für das geplante Ritual benötigt. Man erkennt schon an dieser kurzen Inhaltsangabe, dass dem Kalifornier Harvey Rabbit in seinem Langfilmdebüt »Captain Faggotron Saves the Universe« kaum etwas heilig ist. Erst recht nicht die katholische Kirche, die er mit beißendem Spott übergießt. Wie eigentlich alle konservativen und gestrigen Menschen und deren altmodische Ansichten. Rabbits Debüt rangiert thematisch und stilistisch irgendwo zwischen den frühen Arbeiten Rosa von Praunheims (»Ein Virus kennt keine Moral«) und den ebenfalls oftmals in Berlin angesiedelten Trash-Komödien des Kanadiers Bruce La Bruce (»Die Misandristinnen«), was zum einen bedeutet, dass man anstatt Perfektion eher eine gesunde Form des Dilettantismus und übertrieben agierende Darsteller geboten bekommt. Aber das Timing stimmt, und es ist auch ein Gespür für die richtigen Kameraeinstellungen vorhanden, so dass das queere und ein aufgeschlossenes heteronormatives Publikum hier durchaus Spaß haben kann. FRANK BRENNER
»Captain Faggotron Saves the Universe«: ab 7.12., Cinémathèque in der Nato, Luru-Kino in der Spinnerei, ab 28.12., Cineding
Hat man über Liebende im Film nicht alles schon gesehen? Von »So wie wir waren« bis »Her« wurde doch quasi jede Konstellation und Dynamik in allen Facetten ausgeleuchtet. Aylin Tezels Debütlangfilm »Falling Into Place« gibt dem Genre zwar keine neuen Impulse, zeigt aber dennoch eine eindrucksvolle Annäherung zweier Suchender. Die Mittdreißiger Ian und Kira treffen sich zufällig auf der Isle of Skye, er vergeben, sie grade frisch getrennt. Zwischen den Beiden entfaltet sich der Zauber des Anfangs, die Nacht und der Morgen in der malerischen Umgebung könnten ewig dauern, die Chemie zwischen ihnen ist fast physisch spürbar. Bevor sie allerdings später wieder aufeinander treffen, müssen sie ihre Leben ordnen: Er seine Distanz zu seiner suizidalen Schwester und seine unausgeglichene Beziehung, sie ihren noch in ihr wabernden Ex-Freund und ihre Selbstzweifel. In all diesen Szenen großer Verletzlichkeit und Wahrhaftigkeit greift vor allem Aylin Tezel (»Der Russe ist einer, der Birken liebt«) auf ein weites Sortiment an Emotionseruptionen zurück – angesichts der Dreifachrolle als Schauspielerin, Drehbuchautorin und Regisseurin eine famose Leistung. Nebenbei werden einige große Fragen von Sinn-, Selbst- und Partner-Suche angeschnitten, deren vermeintliche Lösung sich besonders in Kiras Selbstoffenbarung im Gespräch mit ihrem Ex dramatisch Bahn bricht. MARKUS GÄRTNER
»Falling into Place«: ab 7.12., Passage-Kinos
Weitere Filmtermine der Woche
König hört auf
D 2022, Dok, R: Tilman König, 85 min
Das Filmporträt des Jenaer Jugendpfarrers Lothar König ist die kritische Würdigung eines streitbaren Charakters, der sich mit der Pensionierung neu erfinden muss.
Kinobar Prager Frühling, 07.12. 19:30 (dazu Gespräch mit Regisseur Tilmann König und Protagonist Lothar König)
Eren
TRK 2023, Dok, R: Maria Binder, 95 min
Porträt von Eren Keskin, einer bekannten türkischen Menschenrechtsverteidigerin, die seit mehr als 30 Jahren unerschütterlich für die Grundrechte und den Frieden in der Türkei kämpft.
Cineding, 07.12. 19:00 (OmU), 08.12. 19:00 (OmU), 09.12. 19:00 (OmU)
Tatsächlich ... Liebe
GB/USA/F 2003, R: Richard Curtis, D: Bill Nighy, Hugh Grant, Emma Thompson, 135 min
Der britische Ensemblekomödienhit mit Top-Besetzung zum Fest der Liebe.
Cineplex, 07.12. 10:00 (Film-Frühstück ab 9 Uhr), 13.12. 19:30 (Special zum 20. Jubiläum)
Aktuelle chinesische Serien
Filmabend mit dem Konfuzius-Institut
Konfuzius-Institut Leipzig, 08.12. 19:00
Die Muppets-Weihnachtsgeschichte
USA 1992, R: Brian Henson, D: Michael Caine, Steven Mackintosh, Jerry Nelson, 85 min
Was für ein verbitterter Geizkragen ist doch dieser Ebenezer Scrooge. Erst durch eine magische Reise erkennt er die wahre Bedeutung von Weihnachten. Was gibt es Schöneres, als zwischen Weihnachtsessen und Geschenken der verrückten Muppetgang auf der großen Leinwand zu folgen?
Kinobar Prager Frühling, 09.12. 14:45
Callas – Paris, 1958
F 2023, Dok, R: Tom Volf, 90 min
Zum 100. Geburtstag der Opernlegende Maria Callas kommt dieser Mitschnitt ihres ersten Auftritts in der Pariser Oper anno 1958 ins Kino.
Passage-Kinos, 08.12. 13:45 (OmU), 09.12. 13:45 (OmU)
Chang – A Drama of the Wilderness
USA 1927, R: Merian C. Cooper, Ernest B. Schoedsack, 55 min
In diesem halbdokumentarischen Abenteuerfilm wehren sich mehrere Bauern in Siam, dem heutigen Thailand, gegen wilde Tiere. Der Stummfilm wird live vertont.
Luru-Kino in der Spinnerei, 08.12. 20:00 (vertont von Laurent Jeanneau)
Der Schlitzer
I 80, R: Ruggero Deodato, D: David Hess, Giovanni Lombardo Radice, Christian Borromeo, 91 min
Alex, dessen Zeitvertreib das Vergewaltigen und anschließende Ermorden junger Frauen ist, wird mit seinem Kumpel Ricky vom Pärchen Tom und Lisa zu einer Party eingeladen. Auf Schockeffekte angelegter Giallo.
Luru-Kino in der Spinnerei, 10.12. 18:00 (DF, Luru-Archive 35 mm)
Die wilde Meute
MEX/E 1981, R: Ramón Fernández, D: Jorge Rivero, Andrés Garcia, 98 min
Protestantische Familie erbt in Arizona ein Haus, das einst ein Bordell war. Westernkomödie mit deftigen Sexeinlagen. In den Hauptrollen die beiden Latino-Sex-Idole der 70er: Jorge Rivero und Andrés Garcia.
Luru-Kino in der Spinnerei 10.12. 20:00 (DF, Luru-Archive 35 mm)
Tearing Walls Down
TRK/D 2023, Dok, R: Serif Çiçek, 50 min
Dokumentation über die unterdrückte oppositionelle Politik in der Türkei.
Kinobar Prager Frühling 10.12. 19:00 (Eintritt frei, zum internationalen Tag der Menschenrechte)
Nightmare Before Christmas
USA 1993, R: Tim Burton, 75 min
Moritzbastei, 15.12. 20:00 (Eintritt frei, Moritzkino)
Millennium Mambo
TW/F 2001, R: Hou Hsiao-Hsien, D: Shu Qi, Jack Kao, Chun-hao Tuan, 119 min
Nach 22 Jahren ist Hou Hsiao-Hsiens faszinierendes Frühwerk über die Melancholie junger Menschen in Taipei endlich auch bei uns auf der Leinwand zu sehen.
Cineding, 09.12. 21:00 (OmU, Zeitlos)
Lina Bo Bardi: Präzise Poesie
AU 2014, Dok, R: Belinda Rukschcio, 53 min
Porträt der italienisch-brasilianischen Architektin Lina Bo Bardi (1914−1992), einer der wenigen stilprägenden Architektinnen und Designerinnen der Moderne.
Stadtbüro, 12.12. 17:00 (Architektur im Film)
Golden Shorts 2023
»Shorts Attack« präsentiert in diesem Monat die Publikumslieblinge der internationalen Festivals des bald endenden Jahres.
UT Connewitz, 14.12. 20:00
Judas and the Black Messiah
USA 2021, R: Shaka King, D: Daniel Kaluuya, LaKeith Stanfield, Jesse Plemons, 126 min
Der kleine Autodieb William O‘Neal soll den Black Panther-Aktivisten Fred Hampton beschatten und gerät dabei in einen Gewissenskonflikt. Oscargekrönte Chronik des Kampfes der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung in den Sechzigern.
Ost-Passage-Theater, 13.12. 20:00 (OmU)
Die Odyssee
F 2021, R: Florence Miailhe, 84 min
Die französische Regisseurin Florence Miailhe erzählt eine berührende, hochaktuelle Fluchtgeschichte, inspiriert vom Schicksal ihrer Großeltern. Ein bemerkenswerter Film, wundervoll animiert in einzelnen Ölbildern auf Glas, die zum Teil in Leipzig entstanden. (siehe kreuzer 12/21)
Kinobar Prager Frühling 10.12. 17:00 (OmU, zum internationalen Tag der Menschenrechte)
Ernesto’s Island
D 2023, R: Ronald Vietz, D: Max Riemelt, Mariam Durandona, Oliver Bröcker, 115 min
Als seine Mutter stirbt, fliegt der Ostberliner Matthias, ihrem letzten Willen folgend, nach Kuba, um dort ihre Asche zu verstreuen. Ein Trip, der sein egozentrisches Lebenskonstrukt massiv ins Wanken bringt.
Denkmalwerkstatt 12.12. 18:00 (anschl. Weihnachtsfeier & Gespräche, Cinema Casino)
Der Himmel über Berlin
D 1987, R: Wim Wenders, D: Bruno Ganz, Solveig Dommartin, Otto Sander, 128 min
Liebesgeschichte in Schwarz-Weiß vom Engel, der auf die Erde kommt und sich dort in eine Trapezkünstlerin verliebt. Schöner, poetischer Film, mit Texten von Peter Handke.
Passage-Kinos, 15.12. 20:00 (Wim-Wenders-Retrospektive)
A Girl Walks Home Alone At Night
USA 2014, R: Ana Lily Amirpour, D: Sheila Vand, Arash Marandi, Marshall Manesh, 101 min
In der iranischen Geisterstadt Bad City, einem Ort, der nach Tod und Einsamkeit riecht, sind sich die Bewohner der Stadt nicht bewusst, dass sie von einem einsamen Vampir verfolgt werden. Düstere Gesellschaftskritik im Gewand eines kunstvollen Vampirfilms.
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