Der Influencer Jeremy Fragrance hält einen Aufkleber in die Kamera: Darauf ein Bär mit Fellmütze und Gewehr über der Schulter. »Tannwald Krew« steht darüber. Neben ihm steht Alexander »Malenki« Kleine, Geschäftsführer der Tannwald Media UG, die ihren Sitz in Leipzig hat. Kleine ist bekannt als lange Zeit führendes Mitglied der rechtsextremen Identitären Bewegung (IB) und Gesicht von dessen Leipziger Ableger. In der Vergangenheit rief er zu Spenden für die Gruppierung auf, beteiligte sich an deren Aktionen und moderierte mit dem aktuellen IB-Vorsitzenden Philip Thaler ein Youtube-Format.
Entstanden ist das Foto mit Fragrance, das der Influencer in seiner Instagramstory postete, bei einer Veranstaltung des rechtskonservativen Young Republican Clubs Anfang Dezember in New York. Das Leipziger Unternehmen ist auch hierzulande auf Vernetzungskurs: »Tannwald goes Studienpartner«, verkündete Tannwald Media den Beginn seiner Zusammenarbeit mit der IU Internationalen Hochschule auf Instagram. Die IU ist eine private Hochschule mit Hauptsitz in Erfurt und Standorten in über 30 deutschen Städten. Der Leipziger Campus befindet sich in der Rosa-Luxemburg-Straße, in der Nähe des Friedrich-List-Platzes. Laut Internetseite der IU studieren deutschlandweit inzwischen 130.000 Menschen an der Hochschule, die ihre Fächer auch im Fernstudium anbietet. Seit Oktober können Studierende Tannwald Media als Praxispartner für ein duales Studium auswählen. Eine Strategie, die zur Neuen Rechten passt.
Das Unternehmen ist in der rechtsextremen Szene gut vernetzt
Grafikdesign, Animation und Videoproduktion bietet das Unternehmen auf seiner Website an. Tannwald Media gibt sich seriös und garantiert seinen Kundinnen und Kunden »absolute Diskretion und Loyalität«. Und tatsächlich: Über Kundenprojekte erfährt man auf der Website nichts. Doch auf X (ehemals Twitter) kündigte die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestufte Junge Alternative Brandenburg – die Jugendorganisation der AfD – an, eng mit dem Unternehmen zusammenarbeiten zu wollen. Auf Telegram sieht man Werbung für das Unternehmen neben einem Exemplar der Krautzone, einem neurechten Magazin: »Wenn’s mal wieder krachen muss!« steht auf dem Werbeplakat in Fraktur-ähnlicher Schrift. Das Maskottchen des Unternehmens marschiert mit Pickelhaube – Flammen und Kriegsflugzeuge im Hintergrund. So wirbt Tannwald Media für »Negative Campaigning«. Es ist charakteristisch für Negativ-Kampagnen, die Gegnerinnen und Gegner zu diskreditieren. Laut eigener Aussage auf Telegram hat Tannwald Media diese Entwicklung in Deutschland von Anfang an mitgestaltet.
Im Telegram-Kanal des Unternehmens findet sich ein Video zu »ethnischen Wahlen«. Es wirkt faktenbasiert und logisch, der Inhalt aber ist rechte Propaganda: Ein Teufelskreis entstünde, weil Migrantinnen und Migranten eine höhere Geburtenrate hätten als Menschen ohne Migrationshintergrund. Dadurch gebe es immer mehr migrantische Wählerinnen und Wähler, Parteien würden sich infolgedessen stärker an ihnen als Zielgruppe orientieren. Das erinnert an das Narrativ des »großen Austauschs«, einen rechten Kampfbegriff, der hinter Einwanderung eine Verschwörung sieht, durch die die weiße, westliche Bevölkerung ersetzt werden soll.
Die Hochschule gibt sich intransparent
Auf kreuzer-Anfrage distanziert sich die IU am Mittwoch von Tannwald Media und Alexander Kleine. Ob einzelne Personen über den rechtsextremen Hintergrund des Unternehmens Kenntnis hatten, sei nicht nachvollziehbar, heißt es weiterhin. Die Zusammenarbeit solle nun schnellstmöglich beendet werden. Wie die Hochschule die Verbindungen zum Rechtsextremismus bei Vertragsabschluss nicht mitbekommen konnte, bleibt offen. Für weitere Nachfragen führt der kreuzer wenige Stunden nach Erhalten der ersten schriftlichen Antwort ein Telefoninterview mit einer Sprecherin der Hochschule, die der kreuzer auf Rückfrage anonymisiert. Im Gespräch mutmaßt die Sprecherin, dass der rechtsextreme Hintergrund von Tannwald nicht direkt auffalle, wenn man lediglich die Webseite des Unternehmens betrachte und nicht mit Alexander Kleine, sondern mit seinen Mitarbeitenden zu tun habe. Die Hochschule arbeite mit Hochdruck an den Prozessen zur Überprüfung von Kooperationspartnern. Auf erneute schriftliche Rückfrage am Donnerstag zieht die IU Teile der mündlichen Antwort zurück. Der kreuzer gibt diese Aussagen paraphrasiert wieder. In der Antwort vom Donnerstag stellt die IU fest, dass sie nicht erst durch die kreuzer-Anfrage einen Tag zuvor auf die rechtsextremen Verbindungen ihres Kooperationspartners aufmerksam geworden sei. Weitere Fragen ließ die IU unbeantwortet.
Eine an der IU immatrikulierte Person ist bei Tannwald beschäftigt
Aktuell ist eine an der Hochschule immatrikulierte Person bei Tannwald Media beschäftigt, wie die Hochschule bestätigt. Die Person sei durch das Unternehmen vermittelt worden, auch die Initiative zur Zusammenarbeit mit der IU sei von Tannwald Media ausgegangen, so die Pressesprecherin. Eine solche Kooperation bedeutet im Regelfall, dass Studierende abwechselnd Praxisphasen im Unternehmen und Theoriephasen an der Hochschule absolvieren. Tannwald Media reagierte bis Redaktionsschluss nicht auf Fragen zur Kooperation mit der IU in Leipzig.
Die Neue Rechte möchte sich tarnen
Dieses Vorgehen des Unternehmens passt zur Strategie der Neuen Rechten. »AfD-nahe und szenebekannte Agenturen arbeiten gezielt an Taktiken der Verschleierung«, erklärt der Kasseler Kulturwissenschaftler Daniel Hornuff gegenüber dem kreuzer. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit dem medialen Auftreten der Neuen Rechten. Diese setzt laut Hornuff auf ein zurückhaltendes Aussehen und unterschwellige Nachrichten. Mit Memes, Popkultur und Podcasts bauen sich neurechte Akteure ein junges, progressives Image auf, um ihre politischen Anliegen subtil zu platzieren.
Auch Tannwald Media gibt sich jung. Die Medienagentur teilt Memes zu ihrer Arbeit, inszeniert sich als KI-Profi und sucht die Nähe zu reichweitenstarken Leuten. »Ähnlich anderen gesellschaftlichen Bewegungen versuchen auch neurechte Akteure, Prinzipien des Influencer-Marketings für sich zu nutzen«, sagt Hornuff. Der Auftritt der Neuen Rechten solle rechte Narrative normalisieren. »Das Ziel ist klar: Es geht ihr um den Kampf um die gesellschaftliche Mitte.« In dieser Logik kann auch die Kooperation mit einer Hochschule wie der IU funktionieren. Die Neuen Rechten platzieren sich inmitten der Gesellschaft – in der Nähe von Influencern und Studierenden.