Mitte Dezember veranlasste die Staatsanwaltschaft Leipzig eine Hausdurchsuchung bei einem freien Journalisten und Mitglied* von LZO Media in Halle, weil er als Pressefotograf am »Tag X« tätig war. Mehrere Tausend Menschen hatten am 3. Juni letzten Jahres in Leipzig gegen das Urteil im Prozess gegen Lina E. protestiert, es kam zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Im Fokus der Hausdurchsuchung: Die Fotos des Journalisten von geworfenen Brandsätzen, die zur Ermittlung wegen versuchten Totschlags dienen sollen. Trotz Jugendpresseausweis wurde ihm das Material entzogen. Im Interview mit dem kreuzer spricht der Journalist über die Durchsuchung, die Kritik des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) zum Vorgehen der Staatsanwaltschaft und die Auswirkungen für seine Pressearbeit.
Den sozialen Medien war zu entnehmen, dass es bei Ihnen eine Hausdurchsuchung anlässlich des Demonstrationsgeschehens an »Tag X« gegeben hat. Was ist da genau passiert?
Ich war am 3. Juni, dem sogenannten »Tag X«, als Journalist in Leipzig, um das Versammlungsgeschehen zu begleiten und zu dokumentieren. Für den Tag hatte ich einen Auftrag der Deutschen Presseagentur. Foto- und Videomaterial von mir wurde auch in Fernsehsendern und verschiedenen Medien veröffentlicht. Gegen 18 Uhr brachen Demonstrationsteilnehmende aus der Ansammlung in die Scharnhorststraße aus und bewarfen Polizeikräfte mit Steinen, Flaschen und Pyrotechnik. Auch ein Brandsatz detonierte. Auf der Wiese am Alexis-Schumann-Platz wurde später noch ein Brandsatz auf die Einsatzkräfte geworfen. Die Staatsanwaltschaft Leipzig ermittelt in beiden Fällen wegen versuchten Totschlags. Bei der Hausdurchsuchung bei mir ging es um den ersten Brandsatz, da ich von der Detonation Fotos gemacht hatte. Von davor habe ich Bilder von Einzelpersonen, die sich in Rauchschwaden befanden. Teils hatte ich diese Bilder verpixelt in den sozialen Medien veröffentlicht.
Sie haben die Bilder aus Plattformen veröffentlicht, wo Sie auch als Journalist ausgewiesen sind?
Korrekt. Es geht der Staatsanwaltschaft Leipzig um diese Bilder, da sie als Beweismittel im Ermittlungsverfahren wegen versuchten Totschlags dienen. In dem Verfahren werde ich als Zeuge geführt. Ich habe dazu aber keine Zeugenvorladung oder Anfrage bekommen, ob Bildmaterial bereitgestellt werden kann. Stattdessen stand am Dienstag, den 12. Dezember, die Staatsanwaltschaft mit Polizeibeamten vor meiner Haustür. Sie hatten einen Durchsuchungsbeschluss und wollten das Beweismaterial sichern.
Was ist denn bei der Hausdurchsuchung passiert?
Um 6:15 Uhr wurde ich von durchgehendem Klingeln geweckt. Ich bin sehr verschlafen zur Tür gegangen und habe geöffnet. Ich war alleine zu Hause und dort standen mehrere Polizeikräfte und eine Staatsanwältin mit einem Durchsuchungsbeschluss vor der Tür. Ich habe daraufhin erstmal gefordert, den Durchsuchungsbeschluss zu sehen und mir erklären lassen, worum es geht. Die Staatsanwältin meinte, es gehe um die Ermittlung wegen versuchten Totschlags. Ich sei Zeuge, weil auf Twitter ein Bild veröffentlicht wurde. Sie haben mich dann aufgefordert, das Bildmaterial von dem Tag auszuhändigen, was ich verweigert habe. Daraufhin meinten sie, dass sie dann alle Speichermedien beschlagnahmen müssten. Ich habe darauf hingewiesen, dass ich Pressevertreter bin und meinen Jugendpresseausweis vorgezeigt. Die Staatsanwältin meinte, einen Jugendpresseausweis »kennen wir nicht«. Daraufhin wurden ein Laptop, Handys, Festplatten und SD-Karten mitgenommen.
Zum Verständnis: Was ist ein Jugendpresseausweis?
Ich bin Mitglied bei fjp media (Verband junger Medienmacher), dem Jugendpresseverband in Sachsen-Anhalt, und die stellen mir den Jugendpresseausweis aus. Dieser wird bundesweit von den großen Presseverbänden anerkannt.
Haben diese Verbände sich zu der Hausdurchsuchung geäußert?
Ja, beispielsweise hat sich der Landesvorsitzende des DJV Sachsen-Anhalt gegen die Hausdurchsuchung positioniert. Auch mein Jugendpresseverband hat die Durchsuchung verurteilt und sieht darin einen Eingriff in die Pressefreiheit. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Pressefreiheit. Ich mache mir Sorgen, dass das massive Auswirkungen auf die zukünftige Arbeit von uns Journalist*innen hat, wenn wir davon ausgehen müssen, dass für Ermittlungen journalistisches Material beschlagnahmt werden kann.
Haben Sie ihr Material inzwischen wieder, nachdem die Staatsanwältin Zeit hatte, sich mit dem Jugendpresseausweis zu beschäftigen?
Bei mir wurde sich weder entschuldigt, noch habe ich meine Materialien zurückerhalten. Ich plane auf jeden Fall, rechtlich dagegen vorzugehen, da ich in der Durchsuchung einen massiven Eingriff in meine grundrechtlich geschützte Arbeit und die Pressefreiheit im Allgemeinen sehe. Es hat keinerlei Abwägung stattgefunden, ob eine Beschlagnahmung journalistischen Materials in diesem Fall gerechtfertigt wäre, vielmehr wurde im Durchsuchungsbeschluss gar nicht erwähnt, dass ich als Journalist vor Ort war.
Wie sind Sie journalistisch tätig?
Ich bin freier Journalist, vor allem Foto- und Videograf, und Teil von LZO Media. Das ist ein Kollektiv junger Journalist*innen. Mein Material wird bei verschiedenen großen Medienhäusern veröffentlicht, und zudem habe ich verschiedene Auftragsarbeiten.
Was bedeutet die Durchsuchung für Ihre Arbeit?
Die Durchsuchung hat mentale Wunden hinterlassen. Ich merke, dass ich schlecht schlafe und mich das weiter beschäftigt hat. Zudem fehlen mir wichtige Arbeitsmittel, weshalb ich nicht richtig arbeitsfähig bin. Das stellt einen massiven Eingriff in meine Pressearbeit dar, die ich momentan nicht mehr so ausüben kann.
*Zum Schutz der Identität des Journalisten, der Zeuge in einem Strafverfahren und Betroffener einer Hausdurchsuchung ist, wurde er im Interview anonymisiert. Der Redaktion des kreuzer ist der Name des Journalisten bekannt.