Es sind Fotografien, die den sinnlosen Krieg, der seit dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 andauert, noch sinnloser erscheinen lassen. So etwa das völlig zerstörte Trainingszentrum der Biathleten in Tschernihiw, wovon Athletinnen und Athleten wie Artem Pryma sich nicht unterkriegen lassen und weiterhin im Weltcup antreten.
Zu sehen sind die Aufnahmen noch bis zum 31. März im Polnischen Institut in der Ausstellung »Bericht aus der belagerten Stadt Tschernihiw« mit Fotografien der ersten Kriegstage vor zwei Jahren im Nordosten der Ukraine nahe der Grenze zu Belarus und Russland. Ungefähr 300.000 Menschen leben in Tschernihiw, das für zahlreiche Kirchen bekannt ist – wie die Christi Verklärungskathedrale, die erste Kirche der Kyjiwer Rus aus dem Jahr 1036.
Russische Streitkräfte griffen die Stadt am 25. Februar 2022 an, konnten sie nicht besetzen und belagerten sie 38 Tage lang bis April 2022. Bereits am 6. März 2022 verlieh der ukrainische Präsident Volodymyr Zelensky Tschernihiw den Titel »Heldenstadt«.
Bei der Belagerung wurden 70 Prozent der Infrastruktur zerstört – darunter 600 Kilometer Straße und 16 Brücken. Es starben 700 Menschen durch russische Angriffe – unter anderem, als sie in einer Schlange auf Brot warteten. Die russische Nichteinnahme der Stadt sicherte wiederum Kyjiw vor der russischen Belagerung ab. Der Wiederaufbau der Stadt wird geschätzt 50 Jahre dauern. Und es ist bei Weitem nicht der einzige Ort in der Ukraine, dem es so ergangen ist.
Die jetzt hier im Polnischen Institut zu sehenden Fotos stammen von Valentyn Bobyr und Vladyslav Savenok. Bobyr wurde 1983 in Tschernihiw geboren, studierte dort Physik und veröffentlichte vor dem Angriff bereits Fotografien in Magazinen und Zeitungen. Der 1959 nahe der Stadt geborene Savenok studierte Journalismus in Kyjiw und arbeitet für lokale, aber auch internationale Medien. Zur Ausstellungseröffnung am 1. Februar fand eine Podiumsdiskussion statt: mit Bartosz Cichocki, dem 2019 bis 2023 amtierenden polnischen Botschafter in der Ukraine, Olga Barvinok, die Stipendiatin am Deutschen Historischen Institut in Warschau ist, Natalia Khamaiko von der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine in Kyjiw und Svitlana Telikha von der Nationalen Technischen Universität in Charkiw, die wie Khamaiko derzeit Stipendiatin am Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO) in Leipzig ist.
Wörterbuch des Krieges
Wie der Krieg die Sprache verändert, zeigt die Ausstellung »Einblick #3: Ϲловник війни – Wörterbuch des Krieges«. Sie ist bis zum 25. Februar in der Albertina zu sehen. Dafür sammelte der ukrainische Autor Ostap Slyvynsky Wörter und Geschichten des Krieges. Das Buch wurde bereits in mehrere Sprachen übersetzt.
Theater im Exil
Seit 2022 veranstaltet die Schaubühne Lindenfels die Reihe Theater im Exil. Den Ausgangspunkt bildete die für den 12. März 2022 geplante Eröffnung des Theatre Dramaturhiv in Kyjiw, die der Angriffskrieg verhinderte. Seitdem fungiert die Leipziger Schaubühne als »temporärer Heimathafen« für ukrainische Autorinnen und Autoren. In szenischen Lesungen und Aufführungen stellen sie ihre Arbeiten vor. So auch am 24. Februar, zum bereits elften Mal. Auf dem Programm steht an diesem Abend die szenische Lesung von aktuellen Texten in deutscher und ukrainischer Sprache, ausgewählt vom Kyjiwer Theaterkollektiv. Zu Gast ist Julia Honchar, die das Projekt initiierte und mit Krystyna Shyshkarova die Premiere der Tanzperformance »2–1=450« verantwortet.
Zwischenstand zu städtischen Aktivitäten
Eine Evaluierung der Aktivitäten, die von Institutionen in der Stadt nach dem 24. Februar 2022 ausgingen, organisieren derzeit Kristina Raßmann (vormals Semenova) und Olga Vostretsova. Beide initiierten vor zwei Jahren LISTOK – die Leipziger Initiative für Solidarität und offene Kultur, über die der kreuzer in seiner Titelgeschichte im Februar 2022 berichtete. Dazu finden jetzt Interviews mit den Akteurinnen und Akteuren statt, um zu erfahren, was aus den Aktivitäten entstanden ist. Gleichzeitig schildern zwanzig Personen aus dem Kunstfeld, die nun in Leipzig wohnen, wie sie die Situation wahrnahmen und -nehmen. Die Publikation mit den Ergebnissen wird Mitte März im Museum der bildenden Künste vorgestellt.
Kristina Raßmann arbeitet im Leipziger Referat für Internationale Zusammenarbeit als Referentin für Mittel- und Osteuropa. Dort organisiert sie den Auftritt der Ukraine auf der Leipziger Buchmesse, den die Stadt und die sächsische Staatskanzlei in diesem Jahr mit 65.000 Euro finanzieren. Das Goethe-Institut aus Kyjiw organisiert dafür das Rahmenprogramm, um Literatur und Menschen zusammenzubringen. Ganz in dem Sinne entwickelt und koordiniert das Referat zudem Förderoptionen und -programme, um der Sinnlosigkeit des Krieges etwas Sinnvolles gegenüberzustellen.
> »Bericht aus der belagerten Stadt Tschernihiw«: Polnisches Institut, bis 31.3.
> Theatre Dramaturhiv #11: 24.2., 19.30 Uhr, Schaubühne Lindenfels