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Kultur

Biografie im Splittermodus

Cayetano Sotos ertränkt mit »Peter I. Tschaikowski« das Publikum fröhlich in Reizüberflutung

  Biografie im Splittermodus | Cayetano Sotos ertränkt mit »Peter I. Tschaikowski« das Publikum fröhlich in Reizüberflutung  Foto: Ida Zenna

Zwölf große goldene Buchstaben glänzen auf der Bühne vor sich hin. Sie ergeben »Tschaikowski«, um den es an diesem Abend gehen soll. Im Hintergrund stehen theatergerechte leere Sitzreihen und in der Ecke haben Dario Suša und Cayetano Soto eine Astronautenstatue aufgestellt, die bis auf einen Einsatz als Gimmick keine Funktion an diesem Abend haben wird. Davor ruckeln sich einzelne schwarz gekleidete Figuren über die Bühne, wie Aufziehpuppen, deren Mechanismus aber ins Stocken geraten ist. Kaum ein längerer Move oder eine längere Bewegungsfolge ist zu sehen.

Dieser Abend ist aus Fragmenten zusammengesetzt, und das wird bis auf die letzte filigrane Handbewegung (an denen es nicht mangelt) durchdekliniert. Durchaus mit Humor, wenn sich etwa zwei Tänzer übereinanderbeugen, so dass ihr Zusammenbild im Gegenlicht aussieht wie ein verunglückter Käfer. Oder sich zwei ineinander verrenkt mit gegenseitigem Popoklatschen über die Bühne tragen. Dazu kommt eine Lichtgestaltung von verschwenderischer Einfachheit, wenn die Bühne einfach mal mit einer Farbe überschwemmt wird oder eine Scheinwerferreihe auf Bodenhöhe direkt ins Publikum strahlt.

Der biografische Titel verweist auf einen der großen (Ballett-) Komponisten des 19. Jahrhunderts: Pjotr Iljitsch Tschaikowski (1840–93) schuf Opern, Sinfonien, Klavierwerke und berühmte Ballette wie »Schwanensee«. Als Kind war Tschaikowski hochsensibel, später verließ er die Juristenlaufbahn zugunsten der Musik. Über seine Homosexualität konnte auch die Ehe mit Antonia Miljukowa nicht hinwegtäuschen.

Cayetano Soto nähert sich diesem Komponisten in den zwei Teilen von zwei unterschiedlichen Perspektiven. In der Szenenfolge der ersten 45 Minuten nimmt er Briefe von, vor allem aber an und über Tschaikowski zum Ausgangspunkt der tänzerischen Reflexionen. Der zweite Teil widmet sich dann in 40 Minuten den Aspekten des Bildes, das öffentlich von Tschaikowski entworfen wird. Zu guter Letzt tanzen Schatten beinahe im Gegenlicht auf knirschenden Fetzen, die eindrucksvoll wie ein Wasserschwall von oben auf die Bühne geplatzt sind. Dazu kommt zu jeder Szene ein Musikstück Tschaikowskis, gespielt vom Gewandhausorchester unter der Leitung von Christoph Mathias Mueller.

Das macht alles Laune, aber so richtig greifen kann der Abend diesen Jahrhundertkomponisten nicht. Soto wandelt vielmehr wie im Schlussbild auf den biografischen Splittern, die er hinterlassen hat, hebt einige auf, lässt andere liegen und erfreut sich dann an den tänzerischen Reflexionen im wechselnden Licht. Das Zersplitterte ist aber paradoxerweise das, was den Abend zusammenhält, immer in Kombination mit der Lust an Bewegung und Körperkonstellationen. Diese stellen für die Tänzerinnen und Tänzer des Leipziger Balletts ein sehr anspruchsvolles Programm dar, das sie scheinbar mühelos meistern. 

> »Peter I. Tschaikowski«: 17.3., 17 Uhr, 23.3., 19 Uhr, Oper


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