Sächsische Zeitung und LVZ fusionieren: Die Nachricht, dass der Madsack-Konzern beide Zeitungen zur »Sachsen-Redaktion« zusammenlegen will, kommt zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Dutzende Arbeitsplätze im Lokaljournalismus gehen so verloren und die gesellschaftlichen Folgen dieser Entwicklung können verheerend sein.
Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, wie der Untergang des Lokaljournalismus zur Spaltung beiträgt. Die AfD etwa profitiert davon, wenn sie mit Themen weit weg von der kommunalen Ebene punkten kann: Migration, Russland, Klimaleugnung. Das funktioniert umso besser, wenn niemand im Lokalen kritisch nachfragt, was genau die Partei den Menschen vor Ort anbietet. Eine Studie wies am Beispiel Baden-Württemberg nach, dass dort etwas mehr Menschen für die AfD stimmten, wo es keine Lokalzeitungen mehr gibt.
Die Krise des Lokaljournalismus ist nur ein Symptom einer Medienlandschaft im Umbruch – die dabei zur Königsmacherin der extrem-rechten Partei zu werden droht. Denn für das, was in Form der AfD auf die Demokratie zukommt, scheinen öffentlich-rechtliche und private Medien nicht gewappnet zu sein.
Partei der Medienprofis
Die AfD ist eine Partei der Medienprofis. Dass sie auf Tiktok erfolgreicher ist als jede andere Partei, ist bekannt. Auch in klassischen Medien agiert die Partei strategisch clever. Gerade Talkshows und vergleichbare Formate sind ein beliebtes Spielfeld der AfD. Natürlich schaut der Kern der AfD-Fans kaum ARD, ZDF & Co., sondern informiert sich über Kanäle, die von der Partei oder ihrem extrem-rechten Vorfeld kontrolliert werden. Öffentlich-rechtliche Talkshows sind für die AfD vor allem Content-Maschinen: Sie bekommt hier gratis hochwertige Studioaufnahmen von der Präsentation ihrer Inhalte. Sie selbst entscheidet, was am Ende geschnitten auf Youtube, Instagram und Tiktok landet.
Dazu kommt der weit verbreitete Irrglaube, man könne Extrem-Rechte live widerlegen und entzaubern. Das ist aus drei Gründen naiv und gefährlich. Erstens sind AfD-Politiker rhetorisch geschult und wissen, wie sie ihre talking points im Gespräch durchsetzen und unangenehme Situationen vermeiden können. Zweitens sind Fake News spontan und schnell fabriziert, während Widerlegungen zeitaufwendig sind und kaum ausreichend vorgeplant werden können. Selbst wenn ein AfD-Politiker vor laufender Kamera wie gedruckt lügt, gelingt es der Moderation selten, ihn ad hoc schlagfertig zu widerlegen. Das geht nur im Nachgang und interessiert höchstens die Leute, die ohnehin nicht auf die Fake News hereingefallen wären. Drittens entscheidet die AfD selbst – wie schon bemerkt –, was sie ihren Fans präsentiert. In geschnittenen Szenen zeigt sie sich ihren Followern immer als Gewinnerin einer Talkshow. Auch wenn es gelingt, einen AfD-Politiker live in Widersprüche zu verstricken, wird das Zielpublikum der Partei davon kaum erfahren.
Das falsche Dilemma
Warum kommen Medien aus diesem Teufelskreis nicht heraus? In vielen Redaktionen ist noch immer ein grundlegendes Missverständnis über die AfD verbreitet. Ein Konsens lautet, dass die AfD, möge sie noch so radikal oder populistisch sein, demokratisch gewählt wurde. Damit habe man als Medienhaus die moralische Pflicht, über sie zu berichten wie über alle anderen Parteien. Nur ist die AfD keine Partei »wie alle anderen«. Der Verfassungsschutz beobachtet nicht alle anderen Parteien und stuft nicht drei Landesverbände von allen anderen Parteien als gesichert extremistisch ein. Es plant auch keine andere der großen Parteien, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abzuschaffen, wie es der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke ankündigte.
Es ist offensichtlich, dass die AfD sowohl für die Gesellschaft insgesamt als auch für den Journalismus fundamental andere Pläne hat – dementsprechend muss sie fundamental anders behandelt werden. Auch wenn diese Erkenntnis angekommen ist, fällt vielen Redaktionen der Umgang mit der AfD schwer. Denn der Partei ist es gelungen, ein Scheindilemma in die Köpfe der Medienschaffenden zu pflanzen: Sie sollen glauben, dass sie nur zwei Auswahlmöglichkeiten haben – entweder räumen sie der AfD Platz für ihre Propaganda ein oder sie gestehen ein, die Partei plus ihre Wählerinnen und Wähler zu verschweigen.
Diese häufig verwendete politische Strategie hat einen Namen: falsches Dilemma. Die AfD erzeugt den Eindruck, es gäbe nur zwei Wege und wer den einen nicht wählt, müsse den anderen gehen. Also: Wer sich des »Verschweigens der Meinung des Volkes« nicht schuldig machen will, muss die AfD in jede Talkshow einladen. In der Praxis stimmt das nicht. Selbstverständlich ist es möglich, über Sorgen und Nöte von Menschen zu berichten, ohne der Partei die Bühne zu überlassen. Die AfD als »Anwalt der Besorgten« ist schließlich nur ein Narrativ, welches die Partei selbst bedient.
Wie nun umgehen mit der AfD?
Doch wie können Medien nun mit der Partei umgehen? Zunächst müssen die Redaktionen die populistischen Strategien der AfD erkennen und lernen, dass sie nicht wie andere Parteien agiert. Als logische Konsequenz muss daraus folgen, dass Politikerinnen und Politiker dieser Partei nicht mehr in Live-Formaten oder offenen Interviews auftauchen. Es ist schlicht nicht möglich, dem Sturm der Desinformation mit Live-Faktenchecks Paroli zu bieten. Natürlich wird die Partei sich dann in der Opferrolle suhlen, so wie sie es ohnehin immer tut. Noch keine Einladung zum Sommerinterview oder zu Maischberger hat dazu geführt, dass die AfD weniger abfällig über »Systemmedien« und »Lügenpresse« redet. Solche Schlagwörter sind keine Reaktion der AfD auf die Berichterstattung, sondern Kern ihres populistischen Diskurses.
Doch darüber hinaus müssen alle Medien natürlich mehr bieten, als immer wieder den AfD-Narrativen hinterherzurennen. Die real existierenden Sorgen der Menschen, die die AfD auf Geflüchtete oder den Krieg in der Ukraine projiziert, sollten stattdessen direkt in den Medien auftauchen. Steigende Mieten in den Städten, Existenzkampf der Landwirtschaft, Explosion der Supermarktpreise, Klimakrise, Rechtsextremismus: Diese Themen sollten nicht nach Gnaden der AfD diskutiert werden, sondern weil sie Menschen bewegen. Gerade das kann guter Lokaljournalismus leisten – wenn er denn noch existiert.