Nach der Späti-Demonstration in Connewitz führte die Stadt Leipzig zusammen mit Zoll und Polizei groß angelegte Kontrollen in Kiosken und Spätverkäufen durch. Die Ausbeute ist gering. Ob die Aktion im Zusammenhang mit dem Protest steht, bleibt unklar – die Betreiberinnen und Betreiber wurden jedoch deutlich eingeschüchtert.
Am 15. Dezember versammelten sich in Connewitz zahlreiche Menschen, um gegen die Schikanen der Ordnungsbehörden zu protestieren und für den Erhalt der Späti-Kultur zu demonstrieren. Doch was einen knappen Monat später geschah, sorgt für Schlagzeilen: Am 16. Januar führte die Stadt Leipzig gemeinsam mit dem Zoll und der Polizeidirektion eine groß angelegte »konzertierte Aktion« in mehreren Gewerbeobjekten im Leipziger Süden durch.
Kontrollen und ihre Hintergründe
Die Kontrollen in den sogenannten Spätis seien auf Grundlage gewerberechtlicher Vorschriften durchgeführt worden, schreibt das Ordnungsamt auf kreuzer-Anfrage. Da der Begriff »Späti« jedoch nicht im rechtlichen Sinne existiere, hätten sich die Überprüfungen auf »Gewerbeobjekte« wie Gastronomie und Einzelhandel bezogen. Franziska Schneider, Pressesprecherin der Stadt Leipzig, erklärt dem kreuzer, dass die Maßnahme darauf abgezielt habe, sicherzustellen, dass alle geltenden Vorschriften eingehalten werden. Während der Überprüfungen seien verschiedene Unregelmäßigkeiten festgestellt worden, deren Auswertung nun im Ordnungsamt liefe. Ob es zu Ordnungswidrigkeitenverfahren oder weiteren Verwaltungsverfahren kommt, sei aktuell noch nicht absehbar.
Auf Anfrage von MDR Sachsen heißt es aus dem Wirtschaftsministerium: »Die geltenden gesetzlichen Regelungen bieten aktuell Rechtssicherheit, sowohl für die Betreiber und Beschäftigten sogenannter Spätverkaufsstellen als auch für Vollzugsbehörden.« In diesem Zusammenhang verweist das Wirtschaftsministerium auf den Ermessensspielraum der Ordnungsämter. Demnach können sie Verstöße ahnden, müssen es aber nicht zwangsläufig.
Zoll und Polizei im Einsatz
Ebenfalls beteiligt an den Kontrollen war das Hauptzollamt Dresden, das am 16. Januar mit 18 Beamten Prüfungen in acht Kiosken und Spätverkäufen in Connewitz durchgeführt habe, wie Pressesprecherin Rebecca Holldorf auf kreuzer-Anfrage schreibt. Dabei seien zehn Personen zu ihren Beschäftigungsverhältnissen befragt worden. Die Zollbeamten hätten ein Verdachtsmoment festgestellt wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt, der nun weitere Prüfungen nach sich ziehe.
Im Rahmen der Kontrollen waren auch rund 50 Beamtinnen und Beamte der Bereitschaftspolizei im Einsatz. Sandra Freitag, Pressesprecherin der Polizeidirektion Leipzig, schreibt auf Anfrage, dass ein Schlagstock mit integriertem Pfefferspray sichergestellt worden sei. Nach einer Prüfung sei festgestellt worden, dass es sich um einen »erlaubnisfreien Gegenstand« handelte, also eine Waffe, die frei erworben werden kann. Der Schlagstock sei jedoch »zur Vernichtung zugeführt« worden – mit der »Erlaubnis« des Eigentümers.
Unklarer Zusammenhang zur Demonstration
Die Frage, ob die groß angelegte Kontrolle in den Geschäften, die vor allem entlang der Route der Dezember-Demonstration lagen, einen direkten Zusammenhang zu den Protesten hat, bleibt bislang offen. In den offiziellen Mitteilungen der Behörden konnte dieser Zusammenhang nicht eindeutig geklärt werden. Für Mario, aus dem Kreis der Vorbereitungsgruppe der Späti-Demo im Dezember 2024 steht jedoch fest, »dass die Betreiber:innen der betroffenen Gewerbe durch das massive Aufgebot an Einsatzkräften eingeschüchtert wurden.«
Er habe auch vernommen, dass Betreiberinnen und Betreiber von Spätis nun weniger geneigt seien, sich öffentlich zu den Kontrollpraktiken der Stadt Leipzig zu äußern, womit gewollt oder nicht, die Aktion einen bedrohlichen Effekt auch auf jene hätte, die im Januar nicht von den Maßnahmen betroffen waren. Ob diese »konzertierte Aktion« wirklich der Bekämpfung von Missständen diene oder eher ein Beispiel dafür sei, wie »Behörden mit übertriebenen Mitteln und in einer Art und Weise« vorgehen, die lokal ansässige »Kleinunternehmer:innen unter Druck setzt«, bleibe für Mario abzuwarten. Klar sei nur, dass die Späti-Kultur und das Gewerbe im Leipziger Süden vor einer neuen Herausforderung stehen. Liebhaberinnen und Liebhaber der Spätis in Leipzig fordert Mario auf, »sich solidarisch mit den Betreiber:innen zu zeigen.« Die beste Art und Weise dafür sei, das Verweilen vor dem Späti. Dies stärke den gastronomischen Charakter der Gewerbeobjekte am offensichtlichsten.
Bislang im kreuzer dazu:
Immer wieder sonntags kommt das Ordnungsamt
Sonntagsruhe vor Spätibier
Das Ende von Leipzig
Kampf um das Urbane