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Wie grün geht sächsisch?

Die Grünen haben es nur gerade so wieder in den Landtag geschafft – die Suche nach Ursachen läuft

  Wie grün geht sächsisch? | Die Grünen haben es nur gerade so wieder in den Landtag geschafft – die Suche nach Ursachen läuft  Foto: Adobe Stock

Der 1. September war für die sächsischen Grünen ein schwarzer Tag. Mit 5,1 Prozent rettete sich die Partei, die 2019 noch 8,6 Prozent der Stimmen holte, nur knapp in den Landtag – von den zwölf Sitzen im Parlament gingen fünf verloren, darunter auch eines der Direktmandate in Leipzig. Nach fünf Jahren Landesregierung stand das schlechteste Ergebnis seit 2004 zu Buche. Dementsprechend gibt es für die Partei gerade viel aufzuarbeiten.

Angesichts des Ergebnisses herrscht Ernüchterung in der Partei. Dabei müssten sich die sächsischen Grünen jetzt eigentlich zwangsläufig die Frage stellen: Welche Perspektive hat grüne Politik in Sachsen überhaupt noch? Die Wahlkampftaktik konnte nicht überzeugen. Die Grünen warnten vor allem vor der drohenden Gefahr durch AfD und BSW, ohne Aufbruchstimmung mit eigenen Ideen zu verbreiten. Genauso wenig gelang es der Partei, ihre Zeit als Mehrheitsbeschafferin der CDU-geführten Landesregierung in Wahlkampf-Power umzumünzen. Auch das Argument, man sei die einzige Versicherung einer progressiven Kraft in der Regierung, verfing nicht. 

Strategisches Wählen

Christin Melcher verlor ihr Leipziger Direktmandat und schaffte den Wiedereinzug ins Parlament nur knapp über die grüne Landesliste. Einen Grund fürs schlechte Abschneiden sieht sie darin, dass strategisches Wählen entscheidendes Thema im Wahlkampf gewesen – beziehungsweise dazu gemacht worden sei: »Es waren die Kampagnen von Campact und Taktisch Wählen – mit einem Finanzvolumen, das ich nicht überschauen kann –, die diesen Wahlkreis auserkoren haben, um gegen die AfD den Linken-Kandidaten zu wählen«, sagt Melcher dem kreuzer. »Und am Ende ist es auch so, dass Leute da, wo sie ihre Erststimme abgeben, oft auch ihre Zweitstimme hingeben.« 

Außerdem habe das Narrativ, man müsse den Wahlsieg der CDU gegen die AfD absichern, viele Stimmen gekostet. Laut Infratest Dimap gaben sachsenweit 31.000 Menschen, die 2019 noch die Grünen wählten, diesmal der CDU ihre Stimme – mehr neue Stimmen bekamen die Konservativen nur von Nichtwählerinnen und -wählern. 21.000 weitere Menschen wanderten von den Grünen zur SPD, die sich im Wahlkampf als Partnerin der CDU inszenierte. Dass die Grünen von CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer zum Hauptgegner auserkoren wurden, hat da nicht geholfen. Für Christin Melcher ist deshalb auch nicht ihr eigener Wahlkampf für das schlechte Abschneiden verantwortlich, sondern vielmehr eine politische Gemengelage aus schlechter Performance der Bundesregierung, dem allgegenwärtigen Thema Frieden und taktischen Schachzügen von Linken sowie CDU.

Fleißig in der Regierung, dünn im Wahlkampf?

Was viele Grüne nun ratlos macht, ist die inhaltliche Abwesenheit ihrer Kernthemen Umwelt und Klima im sächsischen Wahlkampf. Die bestimmenden Themen im Wahlkampf hatten kaum direkten Bezug zu Sachsen: Krieg und Frieden, innere Sicherheit und Migration. Ist es also vielleicht an der Zeit, ebenfalls schärfere Töne anzuschlagen, um Raum im Diskurs zu erkämpfen? 

Der grüne Landesvorstand will davon nichts hören. Die Landesvorsitzende Marie Müser antwortete auf kreuzer-Anfrage, dass man sich nicht am »populistischen Überbietungswettbewerb« beteiligen wolle, den Teile der politischen Konkurrenz betrieben. Womit sie neben der AfD vor allem auch die CDU meint. Die Verbitterung sitzt tief nach einem Wahlkampf, den Michael Kretschmer und die sächsische CDU in erster Linie gegen die Grünen geführt haben – mit denen parallel noch in Dresden regiert wurde. 

Entsprechend zerknirscht zeigen sich die sächsischen Grünen in den Tagen nach der Wahl. Müser betont, dass ihre Partei auf den Gebieten Klimaschutz und Gleichstellung sowie im Kampf gegen Rechtsextremismus beachtliche Erfolge in der Regierungsarbeit erzielt habe, räumt gegenüber dem kreuzer aber auch ein, dass es nicht gut genug gelungen sei, diese Erfolge zu kommunizieren. Dementsprechend wird in der Landespartei auch Selbstkritik geübt: Man wolle das »Verbotspartei«-Image aufbrechen und stattdessen künftig stärker herausarbeiten, wie man mit den Menschen gemeinsam Sachsen gestalten kann.

Wie werden die Grünen wieder cool? 

Jürgen Kasek, bis diesen Sommer Grünen-Stadtrat in Leipzig, findet: »Die Grünen müssen wieder kantiger werden, ohne die Fähigkeit zum Kompromiss zu verlieren.« Kasek, der zwischen 2014 und 2018 Landesvorsitzender seiner Partei war, sieht sehr wohl eine Perspektive für grüne Politik in Sachsen, fordert allerdings auch, weniger über E-Autos in Innenstädten zu reden und mehr über die soziale Frage. Auch Kasek kritisiert die strategischen Kampagnen von CDU und Linken und den »Volkssport, alle Probleme der Welt auf die Grünen zu schieben«. Allerdings fordert er gleichzeitig seine Partei auf, klare Linien bei den Kernthemen zu kommunizieren und nicht mehr jeden Kompromiss mitzugehen, nur um weiterregieren zu können. 

Er spricht damit einen wunden Punkt der Partei an: In den letzten Jahren war es Konservativen und Rechtsaußen gelungen, die Grünen als abgehobene Öko-Partei darzustellen. Das ist klassische rechte Wahlkampfstrategie – doch die Grünen müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie dieser zu wenig entgegengesetzt haben. Die Partei muss nun inhaltlich liefern – und das möglichst schnell. In einem Jahr sind Bundestagswahlen. Auch in Sachsen.


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