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Kultur

Idealisten unter Wasser

Der Leipziger Christoph Fleischer und seine Doku »Traumtaucher« über Sinn und Arbeit

  Idealisten unter Wasser | Der Leipziger Christoph Fleischer und seine Doku »Traumtaucher« über Sinn und Arbeit  Foto: Filmstill »Traumtaucher«/Christoph Fleischer

Elias Macke macht seinem Nachnamen Ehre im besten Sinn: Der ausgebildete Theatertechniker baut sich in seiner Werkstatt in Markkleeberg ein U-Boot. Diesen bloßen Fakt muss man sacken lassen. Denn es soll weder Bühnenkulisse noch Designobjekt werden, sondern tatsächlich Menschen unter Wasser bringen. Zusammen mit Freunden, vor allem der »Bimbo Town«-Legende Jim Whiting und Kumpel Nico, entwirft, schraubt, schweißt und bemalt Macke sein Gefährt.

Der Leipziger Filmemacher Christoph Fleischer fängt in »Traumtaucher« nicht nur den Arbeitsprozess, sondern auch Gespräche und Interviews ein, die sich um den Sinn und Stellenwert von Tätigkeiten und Arbeit drehen. Das Publikum taucht nicht nur ein in die Tiefen der submarinen Ingenieurskunst, sondern auch in Werk und Historie von Aktionskünstler Jim Whiting, der mit seinen Roboterfiguren und Installationen nicht nur Musikvideos, sondern auch die legendären Leipziger »Bimbo Town«-Partys zu einem faszinierenden Tech-Spektakel gemacht hat – und nun dem U-Boot-Bauer als Mentor zur Seite steht. Außerdem erhält man dramatische Einblicke in die Seenotrettung im Mittelmeer, denn Elias hat Nico bei einer solchen Mission auf dem Rettungsschiff »Iuventa« kennengelernt. Eindrücklich sind die verzweifelten Gespräche mit Behörden oder der Besatzung von Schiffen, die sich weigern, den Flüchtenden zu helfen.

Es ist also nicht nur ein filmisches Porträt über einen ambitionierten und jugendhaft wirkenden Daniel Düsentrieb, sondern eine gelungene thematische Collage mit Menschen, die reflektieren, wie und wofür sie ihre Lebenszeit sinnvoll nutzen wollen – auch entgegen kapitalistischen Mantren und sozialen Erwartungen. »Wir leben in einer Gesellschaft der Verwertungslogik: Alles, was man tut, muss einen konkreten Nutzen haben oder Geld bringen. Sich aus Freude am Bauen ein U-Boot zu bauen, ist das Gegenteil davon – aber es erfüllt mich«, erklärt Elias Macke. Diese Einsicht zeigt sich auch, als der Konstrukteur im Film erwähnt, dass dieses Projekt ja von allem, was er je gemacht habe, der größte Quatsch sei.

Regisseur Christoph Fleischer arbeitet gern im Spannungsfeld von Philosophie, Ökonomie und Kultur. Auf das Thema stieß er, als ihm ein Freund berichtete, dass ein Nachbar in seiner Werkstatt ein U-Boot baue. »Ich fand es spannend, habe aber nicht so recht geglaubt, dass das ernst gemeint ist. Erst nachdem ich immer wieder von Fortschritten hörte, stieg mein Interesse«, berichtet Fleischer. Als er dann noch von der Teilnahme Whitings und Nicos hörte, war der Entschluss gefasst. »Mich beeindruckt die Vielseitigkeit der Protagonisten, zwischen Selbstverwirklichung und Lohnarbeit. Was ist sinnstiftend, was erfüllt uns, was ist wichtig für eine Gemeinschaft? Was ist wichtig für uns selbst? Das sind essenzielle Fragen. Es hat für mich auch etwas mit Identität zu tun – ein Film, der thematisch weit über Leipzig hinausgeht«, erklärt der Filmemacher. 

Für einen Laien ist der private Bau eines Unterwasserbootes ein wahnwitziges Unterfangen. Elias Macke selbst empfand »die Summe der Einzelsysteme, die auf engem Raum im Zusammenspiel sicher funktionieren müssen« als größte Herausforderung bei der Produktion. Die Teile dafür stammen teils aus Schrottcontainern, aber auch von Ebay – wie der Kreiselkompass eines russischen Flugzeugs. Alle sicherheitsrelevanten Materialien hat der Konstrukteur aber neu gekauft.

Als das Do-it-yourself-Boot nach zwei Jahren reiner Bauzeit schließlich im September 2021 im Störmthaler See zum ersten Mal in freier Wildbahn getestet wird, steigt die Anspannung gleich doppelt, denn auch die herbeigerufene Polizei hat noch Fragen. Doch die Jungfernfahrt glückt, die »Markus Heller« (benannt nach einem verstorbenen Freund) hält dem Druck aus Wassermassen und Gesellschaft stand.

Die große Frage, die sich schon während des ganzen Films aufdrängt: Was geschieht denn nun eigentlich mit dem sagenhaften Gefährt, das so viel Wellen schlägt? In welchen Meeren kommt es wie tief zum Einsatz? Auch hier bleibt Elias Macke ganz bei sich und seinem Credo. »Ich durfte unglaublich viel lernen. Mich interessiert der Prozess mehr als das fertige Ergebnis. Was dürfen wir morgen erfinden?«, frage er sich nun. Noch steht die »Markus Heller« unter Planen in seiner Werkstatt und wartet auf weitere Ideen. Möglicherweise braucht es ja einfach nur ein Schiff zum Transport des U-Boots. Das müsste natürlich jemand bauen … 

 

> Gespräch mit Elias Macke und Chrisoph Fleischer mit anschließender Filmvorführung, 8.11., Luru Kino

> »Traumtaucher«: Werkstattgespräch und Film, 14.11., Cineding

www.christophfleischer.de


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