Im renovierten Lesesaal für Geisteswissenschaften riecht es noch nach frischem Lack. Auch die Wandregale für die Handbibliothek sind noch leer. Die aufgearbeiteten Tische sind in Plastefolien gehüllt, samt ihren grünen Leselampen. Auch die Stühle sind noch nicht da.
Eigentlich sollte hier im Herzen der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) schon seit August 2024 wieder schöpferische Ruhe herrschen. Doch die Restaurierung des schönen Lesesaals, seiner Medienausleihe samt den Sanitärbereichen auf zwei Etagen hat sich verzögert. Nicole Krahnert, Baureferentin der DNB Leipzig, nennt vorsichtig den »Anfang des kommenden Jahres« als Termin für die Neueröffnung. Und wird es damit auch teurer? Nicole Krahnert bleibt entspannt: »Das Gesamtbudget betrug 2,6 Millionen Euro – inklusive Risikokosten. Obwohl das Projekt noch nicht ganz beendet ist, gehen wir davon aus, dass die Ausgaben innerhalb dieses Kostenrahmens bleiben werden.«
Bei Beginn des Umbaus Oktober 2023 habe es ein paar Überraschungen gegeben. Im Sanitärbereich musste aus Brandschutzgründen über zwei Etagen mehr Substanz erneuert werden als gedacht. Der Boden der Medienausleihe musste mit Stahlträgern verstärkt werden, damit er die neuen Regale aushält. »Und als wir die abgehängte Decke in der Medienausleihe komplett geöffnet hatten, konnten wir an einigen Stellen den Bewehrungsstahl im Stahlbeton der Decke sehen. Das mussten wir schon wegen des Denkmalschutzes in Ordnung bringen.«
Als im Jahre 1916 die Deutsche Bücherei eröffnet wurde, war der Baustoff »Eisenbeton« gerade erst in Mode gekommen, man versprach sich größere Spannweiten in Decken und Böden. »Die Tests haben schon vor dem Umbau ergeben, dass die Böden in ihrer Funktion nicht beeinträchtigt sind«, sagt Nicole Krahnert. »Aber die Schäden an der Decke mussten beseitigt werden. Denn natürlich konnten wir die Decke in der Medienausleihe nicht wieder abhängen, der Raum sollte so aussehen, wie er mal gedacht war.« Allein diese Überraschung und die dafür nötige zusätzliche Materialbeschaffung habe ausgereicht, um den Umbau zu verzögern. Denn daran hängen nicht nur höhere Kosten, sondern auch Genehmigungen des Staatsbetriebes »Sächsisches Immobilien- und Baumanagement« und des Sächsischen Staatsministeriums für Finanzen, die hier über die Vergabe der Mittel aus dem Bundeshaushalt entscheiden. Hinzu kommen lange Lieferzeiten, die derzeit für bestimmte Baustoffe auf dem Markt herrschen.
Aber letztlich war es der Denkmalschutz, der die Vorgaben für den Umbau gemacht hat. In Zusammenarbeit mit einem Leipziger Restaurator wurde für den Lesesaal Geisteswissenschaften weitestgehend das alte Holz aufgearbeitet. Nicole Krahnert berichtet von der Schwierigkeit, neue Lacke zu finden, die sich mit den alten so vertragen, dass sie nicht nur den ursprünglichen Farbton, sondern auch den richtigen Oberflächeneindruck wiedergeben – nicht zu glänzend, aber auch nicht matt.
Genauso sorgfältig mussten auch die neuen Lampen für die historischen Tischleuchten und die Beleuchtung der Wandregale abgestimmt werden: »Wir setzen natürlich auf die Energieeinsparung durch neue LED-Leuchtmittel«, sagt Nicole Krahnert. »Aber wir brauchen den warmen Farbton der früheren Glühlampen, abgestimmt auf die Lichtverhältnisse bei Tag und Nacht.«
Auch die verschiedenen Bemusterungen für die unterschiedlichen Putze, das Linoleum des Fußbodenbelags, die Fliesen in den Sanitärbereichen, die Lampen im Eingangsbereich zum Lesesaal zu finden – das alles habe mehr Zeit gebraucht als gedacht.
Eine weitere Herausforderung sei der Einbau der neuen Fenster samt der neuen Heiz- und Lüftungstechnik gewesen: »Die alten Fenster waren undicht und wenn es zieht, ergibt es natürlich wenig Sinn, neue, energiesparende Technik einzubauen«, erklärt Nicole Krahnert. Die Lesenden werden von der neuen Anlage wenig mitbekommen, denn die Heizung war schon von den Erbauern hinter den Bücherregalen versteckt worden – und dabei soll es natürlich bleiben. Die neue Haustechnik wurde zum Teil unter dem Dach der Bücherei eingebaut, ihre Sensorik muss jetzt auch mit den beiden benachbarten Lesesälen abgestimmt werden, denen der Naturwissenschaften und der Technik. Statt eines Gruppenarbeitsraumes im Lesesaal stehen jetzt zwei zur Verfügung – kostenlos und online zu buchen. Dafür wurde ein Mitarbeiterbüro eingespart.
Auch in der Medienausleihe wird neue Technik einziehen: Der alte Ausgabetresen auf der linken Seite der Medienausleihe ist Geschichte. Die Leserinnen und Leser werden sich mit einem Scan des Barcodes ihres Benutzerausweises informieren können, in welchem Regalfach ihre ausgeliehenen Medien abgelegt wurden – und sich dann wie auf einer Packstation selbst bedienen. Auf der rechten Seite werden Computerarbeitsplätze für die Angestellten der DNB eingerichtet, die dort ansprechbar für die Bibliotheksbenutzerinnen und -benutzer sind.
Bleibt die Frage, ob sich durch die Renovierung des Lesesaals und durch den geplanten Erweiterungsbau der Büchermagazine – er startet voraussichtlich Ende 2026 – auch die kostenlose Nutzung der Bibliothek aufrechterhalten lässt. Deren Pilotphase läuft noch bis zum 28. Februar 2025. »Wir hoffen sehr, dass es bei der kostenlosen Nutzung bleibt«, sagt Johannes Neuer, Direktor der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig. »Wir haben gerade das Mindestalter für die Nutzung der DNB auf 16 Jahre herabgesetzt. Damit noch mehr Menschen unsere umfangreichen Sammlungen erforschen können.«