Leipzig in den Neunzigern: »Zwischen Aufbruch und Abwicklung« hat das Stadtgeschichtliche Museum seine aktuelle Ausstellung genannt. Auch »Träum’ weiter« hätte gut gepasst, so hieß die kürzlich beendete Ausstellung übers Berlin der Neunziger im dortigen Amerika-Haus. Beide Städte erlebten in dem Jahrzehnt nach dem Mauerfall tiefgreifende Veränderungen. Das Leipzig von damals ist das ziemliche Gegenteil der heutigen Stadt: schrumpfend, verfallend, leer, deprimierend. Zweifelsohne ist es aber auch die kulturelle Wiege von sehr vielem, das die Stadt heute ausmacht.
Wie in unserer Neunziger-Jahre-Titelgeschichte vom September 2024 angekündigt, veranstalten wir nun drei Podiumsgespräche im Rahmen der Ausstellung im Stadtgeschichtlichen Museum, in der neben allerlei übrigens auch ein kreuzer-Cover zu sehen ist, in guter Gesellschaft übrigens neben einem der Persona non grata.
»Für immer Punk?«
Am 6. März sprechen Connie Mareth (Mitherausgeberin des Buchs »Haare auf Krawall – Jugendsubkultur in Leipzig 1980–1991«) und Schorsch Kamerun von den Goldenen Zitronen übers »Erobern und Sichern von Räumen für die Subkultur«. Es soll dabei um Ideen, Ideale und Realitäten linker Subkultur zu Beginn der neunziger Jahre gehen.
Connie Mareth war Teil einer Gruppe, die 1988 das Konzert der Goldenen Zitronen in Mockau besuchte und später das Conne Island gründete. Schorsch Kamerun wiederum ist seit 1984 einer der Köpfe der Goldenen Zitronen und mit diesen, aber auch als Theatermacher, seit Jahrzehnten regelmäßig Gast im Conne Island und auf anderen Bühnen der Stadt. Und er kennt sich mit dem Erobern und Sichern von Räumen für die Subkultur in Hamburg aus.
»Hipp, hipp, hurra! Alles ist super, alles ist wunderbar!«
Am 8. Mai sprechen der langjährige kreuzer-Musik- und kurzzeitige -Chefredakteur Jörg Augsburg und der Künstler Jan Kummer aus Chemnitz über »Popkultur im Leipzig der 90er«.
»Es gab nicht nur die Prinzen« überschrieben wir im September das Jahrzehnt nach der Wende in Leipzig. Welche Bands, welche Clubs gab es? Was war cool? Was ist heute zu Unrecht vergessen? Nach dem Gespräch sollten wir zumindest ein bisschen schlauer sein.
Jan Kummer ist bildender Künstler und war Mitglied der Karl-Marx-Städter Band »AG. Geige«, einem »Volkskunstkollektiv der ausgezeichneten Qualität« mit Synthesizern. Er betrieb in den Neunzigern in Chemnitz einen Plattenladen und ist Mitbegründer des dortigen Clubs Atomino. Jörg Augsburg schrieb ab 1991 über Musik und Popkultur im kreuzer (und anderswo), wo er bis 2006 Musikredakteur war. Von 1998 bis 2024 war er verantwortlich für alle Online-Aktivitäten und nahezu jeden Informationstext der Band Die Ärzte. Seit 2014 ist er Straßenbahnfahrer in Leipzig.
»Go West!?«
Mit »Ankommen und Bleiben im Leipzig der Neunziger« ist das Gespräch am 26. Juni überschrieben, zu dem Radiolegende Mrs. Pepstein (Katja Röckel) und der Kultursoziologe Thomas Schmidt-Lux eingeladen sind.
Zehntausende verließen Leipzig in den Neunzigern, einige kamen aus dem Westen (und auch weiterhin aus dem Osten) – zum Beispiel Katja Röckel. Und weil ihr bei Radio Mephisto ein »Orgasmus« aus ihrer Björk-Rezension gestrichen wurde, ging sie zu Radio Blau. Dort macht sie seit nun 25 Jahren die Sendung »Mrs. Pepsteins Welt« mit Feminismus-Allüren und Musik, Musik, Musik. Thomas Schmidt-Lux ist habilitierter Kultursoziologe an der Uni Leipzig und arbeitet vor allem an kultursoziologischen Perspektiven auf Recht, Gewalt, Architektur, Stadtforschung und Religion. Der in Leipzig aufgewachsene Fußballfan ging in den Neunzigern zum Studium nicht weg aus Stadt. Und ist nach wie vor hier.
> 6.3., 8.5., 26.6., jeweils 18 Uhr und moderiert von Britt Schlehahn, Stadtgeschichtliches Museum – Eintritt frei
> Die Ausstellung ist bis zum 7.9. im Stadtgeschichtlichen Museum, Böttchergäßchen, zu sehen.