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Auf Eis

Zur Lage der freien Theaterszene: Anne-Cathrin Lessel vom Lofft und Michael Schramm von der Schaubühne Lindenfels

  Auf Eis | Zur Lage der freien Theaterszene: Anne-Cathrin Lessel vom Lofft und Michael Schramm von der Schaubühne Lindenfels  Foto: Tom Dachs

Fällt der Vorhang? Wir haben uns bei zwei Institutionen der freien Theaterszene nach der Lage erkundigt. Dafür trafen wir die Lofft-Geschäftsführerin Anne-Cathrin Lessel und Michael Schramm, den kaufmännischen Leiter der Schaubühne Lindenfels, zum Gespräch. Beide Häuser erhalten vom Kulturamt eine institutionelle Förderung und sind Produktions- wie Gastspielorte für freie Gruppen aus Leipzig und von außerhalb.

Die finanziellen Kürzungen hätten die Institutionen spartenübergreifend überrascht, sagen Lessel und Schramm. Nach einem Stadtratsbeschluss im Januar 2023 erfolgte eine »Sonderdynamisierung« im Doppelhaushalt 2023/24, der institutionell Geförderten die gestiegenen Kosten für Energie, Löhne und die Inflation ausgleichen sollte. Dass dieser Ausgleich auf zwei Jahre beschränkt war, stand nicht in den Zuwendungsbescheiden, ebenso wenig, dass die Finanzmittel nicht für neue Stellen verwendet werden durften. »Im Sommer 2024 wurde uns dann mitgeteilt, dass die Sonderdynamisierung 2025 nicht fortgesetzt wird«, sagt Lofft-Chefin Lessel. Das machte Planungen zunichte. Zusätzlich wurden 2024 neue Träger in der Kulturförderung aufgenommen mit dem Wissen, dass im Folgejahr weniger Geld zur Verfügung steht. Zumal einige Geförderte in den vergangenen Jahren bereits Nullrunden erlebten.

Mit 25.000 Euro weniger muss die Schaubühne auskommen, 22.000 Euro sind es beim Lofft – sie sind dennoch die Tanker in der freien Theaterszene mit der meisten Förderung. Weil der städtische Haushalt noch nicht steht, habe es bisher nur Abschläge gegeben, ebenso kam nur ein Bruchteil vom Freistaat, weil auch dessen Haushalt noch nicht beschlossen ist. »Wir dürften derzeit eigentlich nur zwingend notwendige Ausgaben tätigen, weil wir aktuell gar nicht wissen, wie viel Geld wir final bekommen«, sagt Lessel. Michael Schramm von der Schaubühne ergänzt: »Wir wissen nicht, wie wir einige der anstehenden Produktionen stemmen sollen. Es kann ja August werden, bis die Landesmittel feststehen. Aber wir können ja nicht mit 30 Prozent der Förderung über zwei Drittel des Jahres wirtschaften.« Geplante Produktionen liegen in der Schaubühne auf Eis, zwei befristete Arbeitsverträge konnten nicht verlängert werden. Hinsichtlich der zweiten Jahreshälfte zeigen sich beide Theatermacher skeptisch.

Anne-Cathrin Lessel sagt zur Situation: »Wir verstehen, dass die Haushaltslage an-
gespannt ist und jeder seinen Beitrag leisten muss.« »Darum gab es in diesem Jahr keinen zweiten weißen Januar oder Arbeitskampf«, erklärt Michael Schramm. Im Januar 2002 blieben viele Spielstätten aus Protest gegen Kürzungen einen Monat lang komplett geschlossen. Es werde oft ignoriert, dass ein großer Teil der institutionellen
Förderung sofort direkt als Barmittel beziehungsweise Koproduktionsbeiträge wieder in Produktionen und damit an die Gruppen in der freien Szene fließen. Diese sind natürlich von der Kürzung mitbetroffen.

Leipzigs Beliebtheit sorgt für den Zuzug von Kunstschaffenden, was den Förderbedarf aus dem Leipziger Kulturtopf zusätzlich erhöht. Auch die Zahl der Gastspielanfragen ist enorm, sagt Lessel. »Es ist das hässliche Wort ›Marktbereinigung‹, auf das wir uns in der Szene vielleicht einstellen müssen«, befürchtet Schramm. Das könnte einen »Imageverlust für die kreative, lebenswerte Stadt Leipzig bedeuten«, so Lessel.

Es fehle an Kriterien und einer strategisch langfristigen Ausrichtung in der städtischen Kulturpolitik – oder jedenfalls kennen Lessel und Schramm diese nicht. Beide wünschen sich Perspektivgespräche mit Förderern, der Politik, der Verwaltung und der freien Szene. »Das Kulturamt wäre hierfür der Transmissionsriemen«, findet Schramm. Wohin die Stadt perspektivisch im Kulturbereich steuern will, welche Ansprüche und Visionen sie hat, wäre interessant zu erfahren. Für mehrjährige Projekte braucht es Perspektive und feste Zusagen für die Kofinanzierung. Die müsste etwa bei bundesweiten Förderprogrammen bis Sommer sicher stehen, um sich dort überhaupt bewerben zu können. Aufgrund des fehlenden Haushaltsbeschlusses auf Landesebene gibt es aktuell aber überhaupt noch keine Perspektive. »So verlieren wir die Möglichkeit, uns für Bundesgelder zu bewerben und Drittmittel nach Sachsen zu holen«, sagt Lessel. Auf der EU-Ebene sind die Fristen noch langfristiger gestaltet.

Eine Lösungsmöglichkeit sehen beide in mittelfristigen Rahmenverträgen mit Zwischenschritten, so dass man währenddessen andere Gelder akquirieren kann. Und, so fragen sie, warum fließen Teile der Beherbergungssteuer nicht direkt prozentual in die freie Szene, sondern nur in Großveranstaltungen oder Projekte mit »touristischem Wert«? Immerhin trage die Szene wesentlich zu Lebensqualität und Standortvorteil der Stadt bei.

 


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