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Kultur

Traumhaft

Die Kinostarts der Woche

  Traumhaft | Die Kinostarts der Woche  Foto: Tobis Film

Die Bären sind vergeben und es gibt’s nichts zu meckern! Das ist selten, schließlich gewannen in den vergangenen Jahren manche obskure, oft politische Filme, die qualitativ nicht immer überzeugen konnten. Die Jury um Regisseur Todd Haynes hat sich für den norwegischen Wettbewerbsbeitrag »Drømmer« (»Träume«) von Dag Johan Haugerud entschieden, Teil einer losen Trilogie über unterschiedliche Formen von Beziehungen, die Ende April, Anfang Mai auch bundesweit in den Kinos starten wird. Der erste Film lief im vergangenen Jahr in der Sektion Panorama, der zweite debütierte in Venedig. »Drømmer« wirkt zunächst unpolitisch, ist aber ein sehr genau beobachtetes Gesellschaftsdrama, das lange nachhallt. Alle Bären-Gewinner finden Sie hier. 


Film der Woche: Der Ärzte- und Pflegekräftenotstand ist nicht nur in Deutschland ein gravierendes Problem, sondern mittlerweile fast überall auf der Welt anzutreffen. Petra Volpe (»Die göttliche Ordnung«) hat in ihrem neuen Film »Heldin« einen fast schon dokumentarisch anmutenden Blick auf den Arbeitsalltag einer Krankenschwester in einem Schweizer Krankenhaus während einer exemplarischen Spätschicht geworfen. Diese wird hier von Leonie Benesch verkörpert, die ihre Rolle ähnlich perfektionistisch anlegt wie ihre Rolle als Lehrerin im Oscar-nominierten »Das Lehrerzimmer« von Ilker Çatak. Die dynamische Kamera von Ausnahmebildgestalterin Judith Kaufmann folgt Krankenschwester Floria Lind Schritt auf Tritt auf ihren Arbeitswegen, hält Medikamenten-Verabreichungen, Visiten, Fahrten in den OP-Saal und Auseinandersetzungen mit nörgeligen Privatpatienten detailliert fest. Immer wieder kommt es dabei zu Hektik, Stress und schließlich auch Fehlern, weil die Station chronisch unterbesetzt ist. Dadurch, dass Petra Volpe ihre »Heldin« so musterbildlich angelegt hat, entsteht im weiteren Verlauf der Geschichte eine viel größere Fallhöhe, die das Publikum auch emotional sehr mitnimmt. Selten zuvor hat ein Spielfilm einen dermaßen hohen Authentizitätsgrad ausgestrahlt, während er in den beschwerlichen alltäglichen Wahnsinn eines Krankenhauses eintaucht. Ein Film, der lange nachhallt und zum Nachdenken anregt. FRANK BRENNER

»Heldin«: ab 27.2. Passage-Kinos


Die Haftanstalt „Sing Sing“ liegt auf einer Insel, rund 50 Kilometer außerhalb von New York. Durch die Gitter können die Inhaftierten das pulsierende Leben im Big Apple am anderen Ufer beobachten. Auf der Theaterbühne entfliehen sie dem Knastalltag, schlüpfen in andere Rollen und müssen sich nicht mit der eigenen, deprimierenden Realität auseinandersetzen. Kunst bedeutet Freiheit für die Insassen. John „Divine G.“ Whitfild leitet die Theatergruppe, die gerade ein neues Stück einstudiert. Er selbst sitzt seit vielen Jahren hier hinter Gittern. Unschuldig, wie er sagt, verurteilt wegen Mordes, hilft er seinen Mitinsassen dabei, sich auf die Bewährungsgespräche vorzubereiten. Die Zeit in der Theategruppe erlaubt den Männern, Gefühle zuzulassen und Rivalitäten zu vergessen. Doch die brutale Realität und Hoffnungslosigkeit innerhalb der Mauern dringt auch in den Theaterraum. Seinen zweiten Langfilm drehte Regisseur Greg Kwedar mit ehemaligen Häftlingen in einer echten Haftanstalt. Die wahren Biographien, der realistische Haftalltag, eingefangen von der Handkamera, verleihen seinem berührenden Film etwas Dokumentarisches. Trotz der düsteren Umgebung, ist »Sing Sing« ein heller Film, der Hoffnung verbreiten will und sich abhebt von den klischeehaften Knastgeschichten. Im Herzen steht der oscarnominierte Colman Domingo. Er verleiht seiner Figur eine Wärme, aber auch menschliche Schwächen. Das alles macht Kwedars Film so wahrhaftig. LARS TUNÇAY

»Sing Sing«: ab 27.2. Passage-Kinos, Cineplex, Regina-Palast


Erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs erfuhren die fotografischen Arbeiten der 1952 in Prag geborenen Libuše Jarcovjáková die ihnen zustehende Anerkennung. Seit dem Prager Frühling 1968 hatte sie tausende Fotos geschossen, von sozialistischen Arbeitenden in einer Druckerei über vietnamesische Gastarbeiter in der Tschechoslowakei bis hin zu Impressionen aus dem Leben der Roma oder Schnappschüsse aus dem einzigen Schwulenclub Prags. Bei den kommunistischen Machthabern eckte sie mit ihren Arbeiten an, im Ausland blieb sie unbekannt, auch wenn ihr eine Reise nach Japan genehmigt wurde. Klára Tasovská hat mit »Noch bin ich nicht, wer ich sein möchte« einen Essayfilm gedreht, in dem fast ausnahmslos Fotografien Jarcovjákovás aneinandergereiht und mit von ihr gelesenen Auszügen aus ihren Tagebüchern unterlegt sind. Der Film ist damit fast zu einem Selbstporträt geworden. Aufgrund der Fülle der Arbeiten wird rasch deren künstlerische Qualität deutlich. Trotzdem sind auch etliche Schnappschüsse darunter, wie man sie heutzutage aus sozialen Medien nur allzu gut kennt. Gleichwohl tragen auch sie in diesem Film dazu bei, das Bild von der Künstlerin und ihrem Wesen abzurunden und greifbarer zu machen. Die Chronologie bricht 1989 mit dem Fall der Berliner Mauer ab, den Jarcovjáková ebenfalls hautnah miterlebt hat. Was danach noch kam, wird in einem zeitrafferähnlichen Schnelldurchlauf nur noch angerissen. FRANK BRENNER

»Noch bin ich nicht, wer ich sein möchte«: ab 27.2. Cinémathèque/Cinémathèque in der Nato, Cineding


Schüsse in der Ferne. Die Brüder Pedro (Ezequiel Rodríguez) und Jimi (Demián Salomón) Schultern das Gewehr und betreten den nächtlichen Wald vor dem abgelegenen Haus. Dort machen sie eine grausame Entdeckung: Die zerstückelte Leiche eines Fremden, der eine seltsame Apparatur bei sich trägt. Er war auf dem Weg zu María Elena (Isabel Quinteros). Sein Auftrag: Das Leben ihres Sohnes zu beenden. Dessen aufgeblähter Körper liegt seit Jahren im Hinterzimmer und fault vor sich hin. Der Fleischklumpen ist ein »Besessener«. Das Böse hat von ihm Besitz ergriffen. Man darf ihn allerdings nicht mit einer Schusswaffe töten, sonst geht seine Besessenheit auf den über, der den Abzug betätigt. Da der Gesandte getötet wurde, muss ein neuer her, der sich mit dem Ritual auskennt. Der Grundbesitzer zieht es aber vor, das Problem so schnell wie möglich von seinem Land zu schaffen. Also laden Pedro und Jimi den Körper auf einen Pick-Up und fahren. Doch der Trip verläuft nicht wie geplant und das Böse breitet sich aus.

Horrorfilme funktionieren immer dann am besten, wenn sie eine nachvollziehbare Welt mit eigenen Regeln erschaffen. Das gelingt dem argentinischen Autor und Regisseur Demián Rugna zunächst ganz hervorragend. Sein folkloristischer Horror spielt mit der Wahrnehmung des Zuschauers. Ist das alles nur Aberglaube oder eine reale Gefahr? Darüber sind sich auch seine Figuren nicht immer ganz einig. Bevor man allerdings sicher sein kann, zieht Rugna einem schon wieder den Boden unter den Füßen weg. »When Evil Lurks« schockiert mit einer ständigen Atmosphäre der Bedrohung und drastischen Gewaltausbrüchen. Das gelingt zu Beginn höchst effektiv, verliert sich allerdings etwas in der zweiten Hälfte, wenn immer mehr Regeln und Figuren hinzukommen und der Film seinen Fokus verliert.

»When Evil Lurks«: ab 27.2., Luru-Kino in der Spinnerei


Andrea Arnold gelingt es immer wieder, Geschichten über Heranwachsende auf Augenhöhe zu inszenieren. Sie erzählt die großen Dramen im Kleinen. Damit steht sie in der Tradition des britischen Sozialdramas von Regisseuren wie Ken Loach und Mike Leigh. Ihr Blick und der ihres Stammkameramanns Robbie Ryan (»Poor Things«) für die Schönheit in einer grausamen Welt ist beispiellos. Acht Jahre nach ihrem Ausflug in die USA mit »American Honey« kehrt die Filmemacherin zurück zum Ansatz ihres BAFTA-gekrönten »Fish Tank«. Sie inszenierte »Bird« mit Nachwuchsdarstellerinnen und -darstellern in einer sozial verarmten Siedlung im Norden von Kent. Ihre Protagonistin ist die 12-jährige Bailey. Mit ihrem älteren Bruder Hunter wächst sie in verwahrlosten Verhältnissen bei ihrem Vater Bug auf, ein zwischen liebenswert und aggressiv pendelnder Drogendealer. Bailey schlingert durch ihr schwieriges soziales Umfeld, in dem sie gelernt hat, sich zu behaupten, und versteckt ihre Schwäche und Unsicherheit unter einer harten Schale. Als sie den seltsamen Vogel Bird trifft, wird er für sie zu einem Anker. Arnold versieht ihren Realismus dabei immer wieder mit surrealen Momenten und einem handverlesenen Britpop-Soundtrack, zu dem Burial den Score beisteuerte. Franz Rogowski verleiht Bird mit seinem tänzerischen Spiel eine liebenswerte Weirdness. Barry Keoghan verkörpert den überforderten Vater mit Verve. Eine echte Wucht ist Nykiya Adams, die hier ihr Schauspieldebüt gibt und die feinen Nuancen ihrer Figur bravourös meistert.

»Bird«: Passage-Kinos


Matthias ist der perfekte Begleiter. Er kann gestochen über experimentelle Musik daherreden, Geschäftspartner beeindrucken oder so tun, als wäre er der perfekte Sohn oder ein Papa, der als Pilot arbeitet. So tun als ob – das ist Matthias‘ Beruf. Er arbeitet in einer hippen Agentur, die ihn rent-a-friend-like verleiht. Problem dabei: Matthias ist so darauf aus, den Vorstellungen seiner vielen Gegenübers zu entsprechen, dass ihm nicht mehr klar ist, wer er selber ist, wenn er denn mal er selber ist. Als ihn seine Freundin deswegen verlässt, ist er allein und kommt nicht klar. »Pfau – Bin ich echt« wäre schon allein deswegen ein sehenswerter Film, weil Hauptdarsteller Albrecht Schuch es schafft, diesen Matthias aalglatt und gefühllos, aber dennoch emotional überzeugend zu verkörpern. Hinzu kommt eine kunstvoll komponierte Ästhetik, die die pseudo-schicke Welt, in der sich Menschen andere Menschen ausleihen, um sie zu präsentieren, passend bebildert. Und nicht zuletzt ist es ein feiner, subtiler Humor, der sich durch das Langspielfilmdebüt des Österreichers Bernhard Wenger zieht. Eine tragikomische Gesellschaftssatire, die amüsant aufzeigt, wie kaputt zwischenmenschliche Beziehungen im Spätkapitalismus sein können, ohne dass es jemanden stört. JULIANE STREICH

»Pfau – Bin ich echt?«: Passage-Kinos, Regina-Palast

 

Weitere Filmtermine der Woche


Attack on Titan: The Last Attack 
J 2024, R: Yuichiro Hayashi, 145 min

Ein weiterer Teil der Manga-Adaption um menschenfressende Titanen, die die Erde bedrohen.

Cineplex, 27.02. 11:0028.02. 11:0001.03. 11:0002.03. 11:00
Cinestar, 27.02. 11:0528.02. 11:05 (OmU), 22:2501.03. 11:3002.03. 11:05 (OmU)

 

As I Was Looking Above I Could See Myself Underneath
KOS 2022, Dok, R: Ilir Hasanaj, 62 min

Der Film schildert die Geschichten von sieben im Kosovo lebenden LGBTQIA+-Personen aus unterschiedlichen Verhältnissen und Generationen.

UT Connewitz, 05.03. 19:00 (Balkan Film Week, OmeU, Eintritt frei)
 

Bis ans Ende der Nacht 
D 2023, R: Christoph Hochhäusler, D: Timocin Ziegler, Thea Ehre, Michael Sideris, 120 min

Leni Malinowski saß wegen Drogenhandels im Gefängnis und soll dem Polizisten Robert Demant bei der Fahndung nach einem Dealer helfen. Das Pikante: Robert und Leni waren vor der Inhaftierung ein Paar und Leni hieß damals noch Lenard.

Cinémathèque, 02.03. 20:15 (Tatorte)


Der Rausch 
DK 2020, R: Thomas Vinterberg, D: Mads Mikkelsen, Thomas Bo Larsen, Lars Ranthe, 117 min

Angeödet von ihrem Job, beschließt eine Gruppe von Lehrern, ihren Alltag anzuregen, indem sie einen konstanten Alkohollevel anstreben. Thomas Vinterbergs Oscargewinner ist glänzend gespielt, unsentimental erzählt, vibrierend inszeniert und pulsierend vor Leben.

Passage-Kinos, 05.03. 18:30 (Special zum Beginn der Fastenzeit)


Der Weedtrain der never ancame 
D 2025, 45 min

Eine Kartoffel-Western-Mockumentary über den Untergang der Industriekultur in den quirligen Zeiten der Cannabislegalisierung.

Luru-Kino in der Spinnerei, 01.03. 20:00


Efterklang: The Makedonium Band
DK/MKD 2025, Dok, R: Andreas Johnsen, 81 min

Die dänische Band Efterklang plant zusammen mit einheimischen Musikern ein Konzert vor dem Unabhängigkeitsdenkmal »Makedonium« im heutigen Nordmazedonien.

UT Connewitz, 04.03. 19:00 (Balkan Film Week, OmeU, Eintritt frei)
 

Fargo 
USA 1996, R: Ethan Coen, Joel Coen, D: Steve Buscemi, Frances McDormand, Peter Stormare, 94 min

Brillante schwarze Krimisatire der Coen-Brüder aus dem Provinzkosmos des winterlichen North Dakota.

Cinestar, 04.03. 19:30 (Best of Cinema)
Cineplex, 04.03. 20:00 (Best of Cinema)
Regina-Palast, 04.03. 20:00 (Best of Cinema)

 

Haps 
D 2023, R: Ekrem Engizek, D: Kais Setti, Korkmaz Arslan, Amir Israil Aschenberg, 128 min

Mehrere Gefängnisinsassen und ein externer Bekannter bauen in diesem Krimidrama einen schwunghaften Drogenhandel auf.

Cinestar, 02.03. 19:00 (Autogrammstunde mit Asche,OZAN BRA und Überraschungsgästen, Filmbeginn um 20 Uhr, nach dem Film Q&A-Runde)


Le Ravissement
F 2023, R: Iris Kaltenbäck, D: Hafsia Herzi, Alexis Manenti, Nina Meurisse, 97 min

Lydia, eine engagierte Hebamme, befindet sich mitten in einer Trennung. Ihre beste Freundin Salomé erfährt derweil, dass sie schwanger ist.

Schaubühne Lindenfels, 03.03. 19:00 (OmU, Soirée cinéma)
 

Love is the Devil 
F/GB/J 1998, R: John Maybury, D: Daniel Craig, Tilda Swinton, Derek Jacobi, 90 min

London 1964: Der Künstler Francis Bacon, erfolgreich und umstritten, ist Zentrum einer Boheme von Künstlern, Literaten, Modellen und Lustknaben, die ihn hofieren und um seine Aufmerksamkeit buhlen. Stilisiertes, schonungsloses Portrait von Francis Bacon.

Cineding, 06.03. 21:30 (OmU, Reihe Zeitlos)


Nader und Simin − Eine Trennung 
IRN 2011, R: Asghar Farhadi, D: Peyman Moaadi, Leila Hatami, Shahab Hosseini, 118 min

Nader und Simin sitzen vor Gericht. Simin will die Scheidung, um mit ihrer Tochter das Land zu verlassen. Nader weigert sich mitzugehen, er möchte seinen an Alzheimer erkrankten Vater nicht zurücklassen. Intensives, oscargekröntes Drama aus dem Iran.

Ost-Passage-Theater, 05.03. 20:00 (OmU)


Oscar Shorts: Live Action 

Eine Auswahl nominierter Kurzspielfilme für den Academy Award 2025.

UT Connewitz, 01.03. 21:00 (OmU)
 

Shorts Attack: Oscar Shorts Animation 

Kinobar Prager Frühling, 05.03. 20:30 (OmU)
Eine Auswahl nominierter animierter Kurzfilme für den Academy Award.

UT Connewitz, 01.03. 19:00 (OmU)
 

The Homes We Carry
D 2023, Dok, R: Brenda Akele Jorde, 85 min

Das Porträt einer von den Wirrungen der Weltgeschichte zerrissenen Familie zwischen Deutschland, Mosambik und Südafrika.

Zeitgeschichtliches Forum, 03.03. 19:00 (People of Color in der DDR)
 

Toni Erdmann
D/AT 2016, R: Maren Ade, D: Peter Simonischek, Sandra Hüller, Michael Wittenborn, 162 min

Außergewöhnliche Mischung aus Komödie und Drama um die Beziehung einer Tochter zu ihrem Vater. Starkes Schauspielerkino.

Passage-Kinos, 07.03. 19:00 (mit psychoanalytischer Betrachtung, Psychoanalyse trifft Film)

 


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