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»Wir können mit Bestimmtheit sagen, dass gerade nichts sicher ist«

Sven Röder und Sarah Peglow von der Cinémathèque über den Stand zum Filmkunsthaus

  »Wir können mit Bestimmtheit sagen, dass gerade nichts sicher ist« | Sven Röder und Sarah Peglow von der Cinémathèque über den Stand zum Filmkunsthaus  Foto: Privat

Im November 2023 hat die Cinémathèque ihr Domizil in der Karl-Liebknecht-Straße 109 bezogen. Auf der rechten Seite des großen, gemütlichen Raums ist derzeit die Videokunstausstellung der Leipzigerin Sophie Stephan zu sehen. Auf der linken Seite ist der Kinosaal mit 40 Plätzen. Ein erster, wichtiger Schritt zum lange geplanten Filmkunsthaus und eine neue Spielstätte für Film, Kunst und Experimente. Als kommunales Kino ist die Cinémathèque jedoch stark vom städtischen Haushalt abhängig. Sven Röder und Sarah Peglow über die finanzielle Situation des Vereins, Pläne und Realisierbarkeit.
 

Wie wird das neue Haus angenommen?

SVEN RÖDER: Sehr gut. November und Dezember waren besucherstark. Wir erhalten weiterhin viel Zuspruch. Das freut uns natürlich.

 

Wie steht die Cinémathèque derzeit finanziell da?

SARAH PEGLOW: Wir können mit Bestimmtheit sagen, dass gerade nichts so richtig sicher ist. Auf den Förderlisten der Stadt stehen wir mit der gleichen Summe drauf wie letztes Jahr. Auf Landesebene wurde auch erst mal die Förderhöhe von 2024 in Aussicht gestellt, mit der wir jetzt planen sollen. Aber das ist natürlich unter Vorbehalt, dass der Haushalt im März beschlossen wird und dass dann auch auf Landesebene vor der parlamentarischen Sommerpause im Juni ein beschlossener Haushalt steht. Das ist einfach eine unglaubliche Planungsunsicherheit gerade. Die Stadt hat uns im Jahr 40 Prozent Abschlagshöhe in Aussicht gestellt für das erste Halbjahr, beim Land redet man von 30 Prozent. Wer jetzt die Rechnung macht, wird feststellen, dass man damit ein halbes Jahr nicht hinkommen kann. Also kommt zu der Planungsunsicherheit auch noch die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit.

 

Wie reagieren Sie darauf?

PEGLOW: Wir müssen schauen, in enger Abstimmung mit allen Kulturakteur:innen, der Verwaltung und kulturpolitischen Sprecher:innen eine flexible Lösung zu finden. Keiner hat bisher die Lösung gefunden, wie das funktionieren soll. Es hatte sich ja alles schon nach den letzten Wahlen angekündigt. Da spielt man dann verschiedene Szenarien durch: Gibt es die Möglichkeit für Kredite? Gibt’s Optionen auf Stundung? Aber man muss auch ganz klar sagen: Der größte Teil unserer Ausgaben sind Personal- und vertraglich gebundene Fixkosten. Kredite helfen da nur punktuell.

RÖDER: Für uns ist erst mal wichtig, dass wir die Miete tragen können. Der neue Ort
in der Karl-Liebknecht-Straße 109 ist wichtig für unsere Sichtbarkeit, dass wir Formate ausprobieren können, weil wir das hier ja auch als Zwischenschritt betreiben, auf dem Weg zum Filmkunsthaus.

PEGLOW: Dieses Restrisiko wird im Endeffekt bis ins dritte Quartal bestehen und selbst dann können noch Kürzungen auf Landesebene beschlossen werden. Das heißt: Dann erst hat man einen Haushalt, mit dem man planen kann. Dann ist ein Dreivierteljahr schon rum. Und dann hat man Fördermittel, die noch bis Ende des Jahres ausgegeben werden sollen. Das ist dann so etwas wie eine Bugwelle, die man vor sich herschieben soll.

RÖDER: Deshalb arbeiten wir mit den anderen Kulturakteur:innen zusammen. Es geht ja nicht nur uns so, sondern ganz vielen Häusern. Es muss was geschehen, sonst können viele Akteur:innen den Betrieb nicht fortsetzen. Das kann ja auch nicht der politische Wille sein.

 

Welchen Einfluss hat diese Situation auf Ihre Programmplanung?

RÖDER: Große Schritte können wir nicht wagen. Wir merken, dass die Planungsunsicherheit unser Programm beeinflusst. Als geförderte Institution haben wir einen Kultur- und Bildungsauftrag, dem wir gerecht werden wollen. Wir haben also eine Vielfalt von Formaten, die wir präsentieren: Filmgeschichte, Kontextualisierung, Filmgespräche, Filmkunst – das sind alles Formate, die kostspielig sind, weil Leute von außerhalb eingeladen werden, die auch bezahlt werden sollen. Gerade filmhistorische Formate sind häufig kostspielig, weil man die Rechte erst recherchieren muss, Filme schwer zu beschaffen sind. Und auch Expert:innen von außerhalb einzuladen, ist etwas, das wir kaum garantieren können. Deshalb versuchen wir so gut es geht auf Online-Gespräche auszuweichen, was aber natürlich auch einen anderen Effekt hat. Es ist sicherlich ein schöneres Erlebnis, wenn die Person im Saal ist und man sich direkt austauschen kann, vielleicht auch nach der Veranstaltung noch ins Gespräch kommt. Das sind alles Dinge, die uns gerade nicht möglich sind, in dem Umfang, wie wir es gerne machen würden. Das betrifft auch die Kooperationen. Wir arbeiten daran, anderen freien Akteur:innen, Vereinen, Initiativen Raum zu bieten, ihre Inhalte über Film und Videokunst an ein Publikum zu bringen. Das ist derzeit auch weniger möglich, weil es mit hohem Personal-, Organisations- und Zeitaufwand, also Kosten, verbunden ist. Dadurch trifft die Situation nicht nur uns selbst, sondern auch freie Akteure, weil die nicht nur selbst ihre Förderung verlieren, sondern auch Räume für sie wegbrechen. Das zeigt auch noch mal auf, wie wichtig es ist, geschlossen als Kulturszene auf die Politik zuzugehen und gangbare Lösungen zu suchen und einzufordern.

Wie ist der aktuelle Stand beim Filmkunsthaus, nachdem das Projekt auch im Löwitzquartier gescheitert ist?

RÖDER: Es gibt ein Filmkunsthaus in Aussicht, wieder einmal. Darüber freuen wir uns zunächst einmal sehr. Es soll nun am Standort Kohlrabizirkus realisiert werden. Das Areal wurde von der Stadt gekauft. Bei einer Sitzung des OBM mit den Bürgermeister:innen wurde dem Projekt bereits grünes Licht gegeben. Wir sind jetzt dabei, die Projektstruktur zu erarbeiten, um anschließend in die bauliche Planung zu kommen. Die hat natürlich auch einen zeitlichen Rahmen, weil die Fördermittel, die bereitgestellt wurden, vom Bund, vom Land und von der Kommune kommen. Bis 2026 muss die Antragstellung erfolgen. Letztes Jahr wurden uns durch einen Stadtratsbeschluss aus dem Gesamtprojektbudget »Internationale Festivallandschaft Leipzig«, in dem wir ein Baustein sind, acht Millionen Euro zugesichert. In den laufenden Haushaltsverhandlungen stehen auch Kürzungen der investiven Mittel im Raum, die wir aber für den Bauplan zum Filmkunsthaus brauchen. Aber wir hoffen natürlich, dass es nicht so weit kommt. Uns wird auch auf kommunaler, Landes-und Bundesebene signalisiert, dass das Projekt umgesetzt werden soll. Daher sind wir zuversichtlich – und hoffen, dass wir noch vor Ende 2030 endlich in unser Filmkunsthaus einziehen können.

 


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