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Stadtleben

So biegsam wie zerbrechlich

In seiner Werkstatt im Werk 2 zeigt der Glasbläser Gleb Gukajlo Interessierten, worauf es bei seinem Handwerk ankommt

  So biegsam wie zerbrechlich | In seiner Werkstatt im Werk 2 zeigt der Glasbläser Gleb Gukajlo Interessierten, worauf es bei seinem Handwerk ankommt  Foto: Christiane Gundlach

Es rauscht und pufft und zischt, wenn Gleb Gukajlo seiner Arbeit nachgeht. Geschützt durch eine abgedunkelte Brille und eine Schürze sitzt er vor seinem Bunsenbrenner, einen Fuß dabei immer auf dem Pedal des rauschenden Brenners, um die Gas- und Sauerstoffzufuhr zu kontrollieren. Gukajlo ist ausgebildeter Glasbläser und erhitzt unter stetigem Drehen bunte Glasrohre über der Flamme. Schräg hinter ihm – in gleicher Montur –: ein Kind, bereit selbst Glas zu blasen. In seiner Werkstatt im Werk 2 gibt Gukajlo regelmäßig Kurse für Schulklassen. Nach und nach darf jedes Kind selbst seine Vase blasen und mit Gukajlos Hilfe in das schmalere Stück am Anfang des Rohres pusten, um es in eine bauchige Vase zu verwandeln.

»Länger als die Pyramiden stehen, ist die Technik des Glasmachens schon bekannt«, sagt Gukajlo über sein Handwerk. Entdeckt wurde das Glasrezept auf einer Tontafel 1849 an den Ufern des Flusses Tigris vom britischen Abenteurer Henry Layard, der dort auf einem Hügel die Überreste und hunderte Tontafeln der Stadt Ninive fand. Auf einer dieser Tafeln steht: »Nimm 60 Teile Sand, 150 Teile Asche aus Meerespflanzen, fünf Teile Kreide und du erhältst Glas.« In Naturform benutzt man Glas laut Gukajlo bereits seit ungefähr 7.000 Jahren. Damals habe man es in Form von Obsidianen, also Gesteinsglas, als Werkzeug verwendet.

Gukajlo selbst hat sein Handwerk an der Glasbläserschule in Lauscha, Thüringen, gelernt. Der Ort ist bekannt für seine gläsernen Christbaumkugeln, die dort bereits seit 1860 gefertigt werden. Gukajlo entschied sich gegen diese Fachrichtung und für die Glasgestaltung. In diesem Ausbildungszweig lernte er unter anderem, wie Vasen oder allerlei Tiere aus Glas hergestellt werden. Anders als die von Gukajlo gezeigte Vase für die Kinder kann ein kleines Tierchen wie eine detailreiche Spinne bis zu einer Stunde in der Fertigung dauern.

Wie viele Ausbildungen ist auch die zum Glasbläser oder zur Glasbläserin drei Jahre lang und in Gukajlos Fall schulisch. Dort wurde er außer im Glasblasen auch in Tonplastik, Malerei und technischem Zeichnen unterrichtet. Denn »wenn man eine neue Vase oder ein Tier entwirft, muss man sich erst mal theoretisch orientieren. Man malt zuerst eine Skizze und baut dann bei komplizierteren Plastiken noch eine Tonfigur, um sich auch dreidimensional zu nähern«, erklärt Gukajlo.

Er arbeitet in seinen Kursen mit weichem Glas. Bei etwa 1.200 Grad erhitzt dieses besonders schnell, anders als beispielsweise Glas für Laborzubehör. Dieses Glas ist wesentlich härter, wodurch es hitzebeständiger und länger biegsam bleibt. Dadurch härtet es aber auch länger aus, anders als das Glas hier in der Werkstatt, das nur wenige Minuten zur Aushärtung braucht. Wenn das Glas von Gukajlo vor Hitze leuchtend rot glüht, kann das Glasrohr aus der Flamme genommen und geblasen werden. Das Rohr hat an den Enden einen Durchmesser von rund einem Zentimeter und wird nach einem Stück sprunghaft breiter, um am anderen Ende wieder schmal zu werden. Eins dieser Enden fungiert bei Gukajlo als Mundstück und wird, im Gegensatz zum breiteren Stück in der Mitte, auch nicht heiß. In der Werkstatt im Werk 2 steht für diese kurzen bis langen Glasrohre ein Einbauschrank. Unter zahlreichen selbstgemalten Tieren erstrecken sich an der Wand die Türen des Glaslagers: Übereinander gestapelt befinden sich dort verschiedenfarbige Glasrohre, die teilweise noch von Gukajlos Vorgänger oder sogar aus DDR-Beständen stammen. Seit 2019 habe er noch keine Glasrohre nachkaufen müssen.

Seit 1992 gibt es im Werk 2 die Glasbläserwerkstatt. Sie ermöglicht vielen den niedrigschwelligen Zugang zur Glaskunst und einem auch eine Festanstellung. »Das ist selten«, so Gleb Gukajlo. Möchte man in diesem Bereich künstlerisch tätig sein, muss man mit einer Selbstständigkeit rechnen. Mehr Sicherheit gebe es da in anderen Fachrichtungen, wie der des Glasapparatebauers, der aufwendige Laborgefäße fertigt. Die finden laut Gukajlo fast in jeder Universitätsstadt einen Job, da »nur Menschen sehr komplexe Apparate aus Glas herstellen können, Maschinen sind dazu noch nicht in der Lage«.

Wie viel Geschick dieser Beruf verlangt, wird auch beim Werkeln an den Vasenhälsen deutlich. Mit viel Kraft schaffen alle Kinder einen schönen Bauch für das Gefäß, doch mit zu viel Kraft platzt bei einigen nach erneutem Ansetzen der Hals der Vase. Schnell wird das Glas dabei immer dünner und zerplatzt in einzelne Fäden. Aber so schnell wie es zerspringen kann, ist das Glas durch Hitze wieder biegsam und ein neuer Vasenhals entsteht, diesmal mit mehr Gefühl. Gukajlo drückt die Öffnung am Ende noch mal behutsam auf eine Kohleplatte, um sie eben zu machen. Mit einem spitz zulaufenden Spachtel presst er in die Unterseite der Vase noch eine Delle rein, damit das Gefäß später besser stehen kann. Und fertig ist nach etwa zehn Minuten jede Vase und kann nach kurzem Abkühlen poliert werden. So läuft am Ende jedes Kind unter Gukajlos wachsamen Augen mit einer eigenen Glasvase aus der Werkstatt.


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