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Kultur

Sich wieder der Schönheit widmen

Zeichnungen und Malerei der israelischen Künstlerin Or Shloman in der Art Kapella Schkeuditz

  Sich wieder der Schönheit widmen | Zeichnungen und Malerei der israelischen Künstlerin Or Shloman in der Art Kapella Schkeuditz  Foto: Oren Kaplan

Herrlich sei es damals in dem großen Atelier voller Zeit und Freiraum gewesen, sagt Or Shloman über ihre Zeit als Erasmus-Austauschstudentin an der HGB im Jahr 2017. Jetzt sei es härter, so die in Israel geborene Künstlerin, die seit einigen Monaten wieder in Leipzig lebt.

Wir treffen uns in einem Café und das Miteinander-bekannt-Werden ist von seltener Unmittelbarkeit – direkt über die Bilder, die Shloman vor uns auf dem Tisch ausbreitet. Die kleinen Formate sind tauglich für den Transport, das Unterwegssein der Künstlerin. Wegen des Krieges in Israel hat Shloman ihr Land verlassen. Der Weg führte sie über Portugal, wo sie als Nachfahrin vertriebener sephardischer Juden im letzten Jahr einen portugiesischen Pass erhielt, über Frankreich und die Schweiz nach Leipzig. Unmittelbar und psychogrammartig wirken die Zeichnungen in dem Buch, das ich, ohne darüber nachzudenken, von der falschen Seite her beginne aufzublättern. Hebräisch liest man von rechts nach links. Bilder wie festgehaltene Träume, direkt und ungefiltert zu Papier gebracht. In klaren Linien formuliert Shloman Selbstporträts, Erinnerungen, innere Landschaften in der ihr eigenen Mischung aus reduzierter Strenge und Ornamentik. »Nach Kriegsbeginn konnte ich lange überhaupt nichts machen. Irgendwann begann ich diese Lücke zu füllen zwischen meinem Innenleben und dem, was da passierte. Anders ausgedrückt geht es auch um das Verhältnis von dem, was ich real tue, und dem, was ich fühle.« Da sei ein Zwischen-Raum, den sie wahrnehme und akzeptiere. Der Zustand kulminiert für sie im Titel ihrer kommenden Ausstellung, »Sacred Pause«, die ab 9. März in der Art Kapella in Schkeuditz zu sehen sein wird.

Ich meine in Shlomans Zeichnungen emotionale Kompressionen mit einer starken erzählerischen Komponente zu erkennen – und damit auch ein Potenzial für Comics. Das Zusammenspiel mit Sprache schiene ihr bisher aber eher schwierig, deshalb sei es dazu noch nicht gekommen, erklärt Shloman. Da es nicht möglich ist, ihr Buch mit Zeichnungen als solches auszustellen, hat sie beschlossen, ausgewählte Seiten herauszutrennen. Sie möchte den kleinformatigen Zeichnungen eine Folge größerer, farbiger Arbeiten der letzten Wochen und Monate gegenüberstellen, Paare bilden.

Nichts Gegenständliches findet sich – im Gegensatz zu ihren Zeichnungen – in denBuchcover von Or Shloman stimmungsvollen pastellfarbenen Öl- und Acrylbildern mit sanften Farbübergängen. Offenheit und Raum entstehen durch die Kommunikation der Farben untereinander. In einem längeren improvisatorischen Entstehungsprozess überlagern sich hier immer neue Schichten. Eine angenehme Großzügigkeit, physisch erlebbare Schwünge, Harmonie und atmende Freiheit.

Die farbigen 60 mal 90 Zentimeter großen Formate entstehen in ihrem aktuellen, winzigen Atelier in einer alten DDR-Poliklinik in Regis-Breitingen, in der einige ihrer Freunde leben. »Um die Ecke vom Atelier ist eine Flüchtlingsunterkunft. Im Supermarkt unterhalte ich mich manchmal zum Beispiel mit Leuten aus Syrien. Mit ihnen und anderen hätte ich in Israel niemals die Möglichkeit zu sprechen.«

In den letzten Jahren habe sie angefangen, sich mit astrologischen Fragestellungen zu beschäftigen und im Zusammenhang damit begonnen, sich in ihren Bildern wieder mehr der Schönheit zuzuwenden. Konterkariert wird diese schwebende Farbigkeit allerdings. In der Ecke gibt es mehrere in Teer/Erdegemisch getauchte Stoffe, die Shloman, auf verschiedene Weise zerfetzt und zerschnitten, mit den sanften Farbverläufen arrangiert.

In der Schkeuditzer Art Kapella wird das Ausreizen ästhetischer Grenzen auch musikalisch aufgegriffen, wenn zur Vernissage Klaviermusik der russischen Komponistin Galina Ustwolskaja (1919–2006) erklingt. Es spielt die Pianistin, die auch Autorin dieses Textes ist. 

> »Sacred Pause – Zeichnungen und Malerei von Or Shloman«: 9.3., 14 Uhr (Vernissage), 27.4., 14 Uhr (Finissage), Di, Sa/So 13–16 Uhr, Galerie Art Kapella, Teichstr. 7, 04435 Schkeuditz

> www.orshloman.com


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