»Who am I?« fragt das Kurzfilmfestival Kurzsuechtig in diesem Jahr und präsentiert vietnamesische Kurzfilme (3.4.). Neben den Filmemachern auf Identitätssuche in Südostasien gibt es wieder die Wettbewerbe Animation (2.4.), Dokumentarfilm (3.4.), Fiktion (4.4.) und Experimental (5.4.), sowie einen umfangreiches Rahmenprogramm. Außerdem wird am Samstag der Preis für Filmmusik und Sounddesign verliehen und ein Kinderfilmprogramm am Sonntag darf auch nicht fehlen.
»22. Kurzsuechtig«: 2.-5.4. Schaubühne Lindenfels
Film der Woche: Lawrence (Chandler Levack) lebt in einem Vorort von Toronto. Der 17-jährige steht kurz vor der Wahl seines Studienorts und für ihn ist klar: Er will nach New York und Film studieren, schließlich sind sie seine größte Leidenschaft. Dafür muss der Teenager allerdings dort erstmal angenommen werden und die Aufnahmegebühr stemmen. Zu seinem Glück bekommt er eine Stelle in der örtlichen Videothek. Nicht nur hier, sondern auch in seinem restlichen Leben muss der Narzisst, der immer wieder andere vor den Kopf stößt, lernen, dass er ohne die Hilfe anderer Menschen nicht ans Ziel kommt.
Chandler Levack erzählt mit ihrem Regiedebüt, zu dem sie auch das Drehbuch schrieb, auf den ersten Blick eine charmante Coming of Age-Geschichte über einen Filmnerd mit zahlreichen Verweisen an die Filmgeschichte. Auf den zweiten Blick offenbart sich aber eine gut beobachtete Studie einer psychischen Störung, die vor allem deshalb so schmerzhaft ist, weil Hauptdarsteller Isaiah Lehtinen sie so intensiv verkörpert.
»I Like Movies«: ab 27.3., Passage-Kinos
Regisseur Joshua Oppenheimer ist für seine eindrucksvollen Dokumentarfilme bekannt. Seine Auseinandersetzung mit dem Genozid in Indonesien in »The Act of Killing« und »The Look of Silence« erhielt höchste Ehren bis hin zu zwei Oscarnominierungen. Mit »The End« inszenierte er nun seinen ersten Spielfilm und macht dabei keine halben Sachen. Über fast zweieinhalb Stunden entfaltet sich ein apokalyptisches Musical mit einem exquisiten Ensemble in einer stillgelegten Salzmine.
In einer nahen Zukunft sucht eine wohlhabende Familie hier Schutz vor dem Weltuntergang. Bis eine Fremde zu ihnen dringt und sie mit ihren Schuldgefühlen konfrontiert. Die werden in eingängigen Songs von Musical-Spezialist Marius De Vries (»La La Land«) besungen und in großartigen Bildern von Mikhail Krichman (»Die Rückkehr«) in Szene gesetzt. Dazu spielen u.a. Tilda Swinton, Michael Shannon und George MacKay ganz groß auf. Ein Technicolor-Feelgood-Musical sollte man allerdings von Oppenheimer nicht erwarten. »The End« ist ein clever reflektierter Kommentar auf unsere Zeit und reißt über die gesamte Lauflänge mit – wenn man sich darauf einlassen kann.
»The End«: ab 27.3., Schaubühne Lindenfels
Der Sturm tost über den Anden. Eine Gruppe sucht Zuflucht an einer Statue. Verzweifelt versucht Simón (Lorenzo Ferro) an den höchsten Punkt zu klettern, um mit seinem Handy Hilfe zu rufen. Die Gruppe wird gerettet und Simón und seine Freunde gelangen zurück in die Unterkunft. Dort wird er vom Leiter der Einrichtung zur Rede gestellt. Simón ist nicht in der Lage, ein Zertifikat vorzulegen, das seine Behinderung bescheinigt. Der Leiter droht ihm mit dem Rauswurf. Als seine Mutter erscheint, wirkt sie verwirrt. Warum ist ihr Sohn hier, inmitten von Menschen mit geistigen oder körperlichen Einschränkungen, wenn er doch selbst keine Behinderung hat? Der 21-Jährige fühlt sich wohl inmitten der Bewohner*innen der Einrichtung. Hier wird er gesehen, hier findet er die Liebe und Fürsorge, die er daheim nicht bekommt. Sein Vater ist fort. Seine Mutter lebt mit einem neuen Partner zusammen, der ihm eine Arbeit auf seiner Baustelle vermittelt. Doch Simón will nur zurück zu seinen Freunden.
Der argentinische Regisseur und Co-Autor Federico Luis erzählt mit seinem Langfilmdebüt, das seine Premiere im Rahmen der Semaine de la Critique in Cannes feierte, eine umgekehrte Coming-of-Age-Geschichte. Simón will nicht erwachsen werden und flüchtet sich zurück in die Kindheit. Die Geborgenheit der Gruppe ist ihm dabei wichtiger als das Geld vom Staat, das sie in einer Spielhalle verprassen. Für seine überforderte Mutter bleiben seine Gründe ähnlich rätselhaft wie für den Zuschauer. Sieht man Simón alleine mit den anderen Bewohnern, wird aber klar, dass er hier eine echte Verbundenheit findet. Luis schildert seine Geschichte auf Augenhöhe seiner Laiendarsteller und schafft ein berührendes Plädoyer für Akzeptanz und Wahrnehmung. Bestechend ist dabei die schauspielerische Leistung des Hauptdarstellers Lorenzo Ferro (»Der schwarze Engel«), an dessen Gesicht sich die Kamera von Marcos Hastrup (»In ihren Augen«) heftet.
»Simón de la Montaña«: ab 27.3., Luru-Kino in der Spinnerei
Mit den Waffen im Anschlag steigen Clotaire (François Civil) und seine Gang in die Autos. Heute Abend wollen sie ihre Rivalen zur Strecke bringen. Doch keiner von ihnen wird zurückkehren. Als Clotaire seinen letzten Atemzug tätigt, sitzt Jackie (Adèle Exarchopoulos) vor der Telefonzelle und weint.
Die Handlung springt zwei Jahrzehnte zurück. Clotaire wächst mit vielen Geschwistern in einem Plattenbau auf. Sein Vater ist gewalttätig. Der Sohn tanzt früh aus der Reihe und lernt, sich zu behaupten. Die sechsjährige Jackie hat gerade ihre Mutter verloren. Jetzt muss sie für ihren Vater da sein, schließlich sind sie nur noch zu zweit. Zehn Jahre später hat Clotaire die Schule geschmissen, hängt mit seinen Kumpels aber trotzdem Tag für Tag auf dem Parkplatz rum und beleidigt die Schülerinnen und Schüler, die mit dem Bus ankommen. Nur Jackie lässt sich das nicht gefallen. Sie behauptet sich gegen Clotaire und weckt sein Interesse.
Zwischen den beiden ungleichen Teenagern entwickelt sich eine Amour Fou. Obwohl Jackie ihm intellektuell überlegen ist und Clotaire immer mehr auf die schiefe Bahn gerät, verlieben sie sich. Eine tragische, schmerzhafte Liebe. Aber das Ende ist nicht unausweichlich.
Über fast drei Stunden legt der vom Schauspiel kommende Autor und Regisseur Gilles Lellouche (»Narco«) seine Gangsterromanze an, visuell stylisch und angetrieben von einem pulsierenden Soundtrack. Er zeigt ausführlich, woher seine Figuren kommen. Der soziale Hintergrund wirkt sich schließlich auf ihren Lebensweg aus. Ohne Chancen keine Zukunft. Während Jackie als Einzelkind in halbwegs geordneten Verhältnissen aufwächst, herrscht in Clotaires Umfeld Unordnung und frühes Leid. So weit, so bekannt. »Beating Hearts« wehrt sich nicht gegen die Klischees, sondern umarmt sie selbstbewusst. Aber all das hat man schon mal gesehen und unterm Strich bleibt die Frage, ob es sich lohnt, dafür fast drei Kinostunden im Sitz zu verharren. Langweilig wird es mit den französischen Bonnie und Clyde auf jeden Fall nicht.
»Beating Hearts«: ab 27.3., Cineplex, Passage-Kinos
Sinan ist Offizier in der türkischen Armee und bekommt einen Routineauftrag: Er soll einen anderen Offizier, der wegen eines körperlichen Angriffs auf einen Vorgesetzen angeklagt wird, in ein Militärgefängnis überführen. Der andere Offizier ist allerdings sein Bruder Kenan, mit dem er seit dem Tod ihres Vaters nicht mehr gesprochen hat. Zu allem Überfluss kommt es in der Nacht noch zu einem Militärputsch gegen die türkische Regierung. Der politische Hintergrund spielt aber nur eine Nebenrolle, vielmehr werden in dem Film moralische Fragen verhandelt: Wem gilt die Loyalität eines Soldaten mehr, seiner Familie, seiner Truppe oder seinem Heimatland? Die erste Hälfte des Films ist dabei fast ein Roadmovie und erinnert mit dem dunklen Setting und den oft rot ausgeleuchteten Gesichtern optisch an »Only God Forgives“ von Niclas Winding Refn und sogar Hauptdarsteller Ahmet Rıfat Şungar strahlt eine Ryan-Gosling-mäßige Coolness aus. Leider fällt die zweite Hälfte deutlich ab, etwas mehr Laufzeit als die nur 85 Minuten hätten nicht geschadet, um die Figurenkonstellation weiter zu erkunden. So erzählt die Story kaum Neues, ist bis zu ihrer Auflösung aber einigermaßen spannend und unterhaltsam inszeniert. Die Moralfrage, die anfangs im Zentrum steht, wird dann leider ohne Überraschungen beantwortet und so verpasst der Film die Chance, nachhaltig im Gedächtnis zu bleiben. ALEXANDER BÖHLE
»Schatten der Nacht«: ab 27.3., Luru-Kino in der Spinnerei, Passage-Kinos
Weitere Filmtermine der Woche
Your Name
J 2016, R: Makoto Shinkai, 110 min
Mitsuha, eine gelangweilte Teenagerin vom Lande, und Taki, ein gestresster Jugendlicher aus Tokio, wachen eines Tages im Körper des jeweils anderen auf. Erfolgs-Anime von Makoto Shinkai.
Cineplex, 28.03. 20:30 (Anime-Highlights)
Das wandelnde Schloss
J 2004, R: Hayao Miyazaki, 119 min
Die 18-jährige Sophie arbeitet als Hutmacherin im Geschäft ihres verstorbenen Vaters. Als sie sich in den jungen Zauberer Hauro verliebt, wird sie von einer eifersüchtigen Hexe mit einem Fluch belegt, der sie in eine alte Frau verwandelt. Märchenhaftes Abenteuer von Kinomagier Hayao Miyazaki.
Cineplex, 28.03. 18:00 (Anime-Highlights)
Belle
J 2021, R: Mamoru Hosoda, 122 min
Ausnahmekünstler Mamoru Hosoda (»Summer Wars«) versetzt das Märchen »Die Schöne und das Biest« ins J-Pop-Metaverse.
Cineplex, 29.03. 20:30 (Anime-Highlights)
Chihiros Reise ins Zauberland
J 2001, R: Hayao Miyazaki, 125 min
Eines der schönsten Meisterwerke aus dem Anime-Studio Ghibli: Die kleine Chihiro wird in eine seltsame Parallelwelt voller merkwürdiger Wesen und Gottheiten hineingezogen. Dort versucht sie, ihre Eltern von einem Fluch zu erlösen, der sie in Schweine verwandelt hat.
Cineplex, 29.03. 18:00 (Anime-Highlights)
Suzume
J 2022, R: Makoto Shinkai, 122 min
Das Mädchen Suzume trifft auf den Türwächter Sota und wird hineingezogen in ein irrwitziges Abenteuer, das sie auf eine Reise durch Japan führt.
Cineplex, 30.03. 18:00 (Anime-Highlights)
Magnus – Der Mozart des Schachs
NOR 2016, Dok, R: Benjamin Ree, 73 min
Porträt von Magnus Carlsen, der bereits mit 13 den Großmeistertitel im Schach erlangte.
Passage-Kinos, 30.03. 13:00 (Buchmesse-Special, EinBLICK)
Der Weedtrain Der Never Ancame
D 2025, 45 min
Eine Kartoffel-Western-Mockumentary über den Untergang der Industriekultur in den quirligen Zeiten der Cannabislegalisierung.
Neues Schauspiel Leipzig, 03.04. 19:30 (mit Konzert Radium Palazzo)
Die purpurnen Flüsse
F 2000, R: Mathieu Kassovitz, D: Jean Reno, Vincent Cassel, Dominique Sanda, 105 min
Ein Polizist untersucht in einer Alpen-Universitätsstadt einen bizarren Mordfall, während ein Kollege 300 Kilometer entfernt in einem Fall von Grabschändung ermittelt. Adaption des gleichnamigen Romans von Jean-Christophe Grangé.
Regina-Palast, 01.04. 20:00 (Best of Cinema, Cineplex, 01.04. 20:00 (Best of Cinema)
Ich will alles. Hildegard Knef
D 2025, Dok, R: Luzia Schmidt, 90 min
Dokumentarisches Porträt zum 100. Geburtstag.
Passage-Kinos, 01.04. 18:15 (Premiere mit der Regisseurin)
Sikandar
IND 2025, R: A.R. Murugadoss, D: Salman Khan, Rashmika Mandanna, Suniel Shetty, 150 min
Cineplex, 30.03. 11:00 (OmU)
L2: Empuraan
Der Film zeigt Stephens Aufstieg zur Macht als berüchtigter Khureshi Ab'raam und die Folgen seines Rückzugs aus der Politik Keralas nach den Ereignissen von Lucifer. ➥ Originalton in indischer Sprache (Malayalam) mit englischem Untertitel.
Cineplex, 27.3., 14, 20, 29.3, 11, 20
Motel Destino
BRA/F/D/GB/AUS 2024, R: Karim Aïnouz, D: Iago Xavier, Nataly Rocha, Fábio Assunção, 115 min
Heraldo verpatzt einen Auftragsmord, den er für seine Chefin, eine brasilianische Drogenbaronin, durchführen sollte. Danach geraten die Dinge außer Kontrolle und er verliebt sich in die Frau des gewalttätigen Besitzers des Stundenmotels, in dem er Zuflucht findet.
Ost-Passage-Theater, 02.04. 20:00 (OmU)
Mit der Faust in die Welt schlagen
D 2025, R: Constanze Klaue, D: Anton Franke, Camille Loup Moltzen, Anja Schneider, 110 min
Zwei Brüder, die in der ostsächsischen Provinz aufwachsen, erleben Arbeits- und Perspektivlosigkeit nach der Wende aus kindlich-jugendlichem Blickwinkel. Adaption des Romans von Lukas Rietzschel.
Passage-Kinos, 03.04. 18:30 (Weitblick mit Filmgespräch)
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