anzeige
anzeige
Kultur

Neues Neues Schauspiel

Nach 15 Jahren geben die bisher Verantwortlichen im NSL den Staffelstab weiter

  Neues Neues Schauspiel | Nach 15 Jahren geben die bisher Verantwortlichen im NSL den Staffelstab weiter  Foto: Simon-Carl Köber


»Wir sind enttäuscht von der Stadt, es ist eine permanente Enttäuschung«, gibt Claudia Rath unumwunden zu. Zusammen mit dem künftigen Team hat die Mit-Gründerin des Neuen Schauspiels Leipzig (NSL) zur Pressekonferenz geladen – um die Neuen vorzustellen. Sonnendurchflutet ist der Gastro-Raum namens Tante Manfred. Der altersweise Hund Kafka fläzt herum, einmal mehr ist die Herrlichkeit des Gebäudes zu erfahren. Und zu erahnen, wie viel Arbeit allein in dessen Erhalt fließen muss. Umso besser, dass es auch künstlerisch weitergeht.

Vor 15 Jahren eröffnete die Exil-Würzburgerin Rath mit drei Mitstreitenden den Standort an der Lützner Straße. »In Leipzig herrschen einfach ideale Voraussetzungen, was die Theaterszene betrifft«, sagte Rath damals im kreuzer-Gespräch. Vom Objekt seien sie sofort begeistert gewesen. Die um 1913 entstandene ehemalige Druckerei besitzt einen eigenen Charme von verblichenem Fortschrittsoptimismus und Morbidität, ist als über hundert Jahre alter Betonbau selbst eine Attraktion. Rath und der bis heute aktive Mitgeschäftsführer Markus Czygan hatten lange in der Würzburger Off-Szene gewirkt, ehe sie nach Leipzig zogen und ab 2010 viel Energie in den Spielort steckten, der Konzerte, Lesungen, Shows und vieles mehr auf die Bühne gebracht hat. Ihn als richtigen Theaterproduktionsort zu etablieren, wie es vorgesehen war, gelang aber nicht. Hoffnungen auf ausreichende öffentliche Finanzierung oder gar institutionelle Förderung haben sich immer wieder zerschlagen, so Rath. Nun übergeben sie und Czygan den Staffelstab an ein jüngeres Team, damit dieses den Ort künstlerisch neu aufstellt. »Mit ihnen zieht ein neuer Spirit ein. Sie werden es anders oder besser machen.«

Die Geschäftsführung übernehmen Letizia Rivera und Daniel Kellermann. Der betrieb lange das Café Tunichtgut in der Kolonnadenstraße, auch in »Selbstausbeutung«, wie er sagt. Das Café hat er abgegeben und mit der Tante Manfred den gastronomischen Teil in der Lützner Straße übernommen. Hier will er auch Finanzen für den Kunstbetrieb erwirtschaften. Rivera promoviert im Fach Theaterwissenschaften, hat Erfahrungen bei den Cammerspielen, den Lofft-Werkstatt-Machern und dem Leipziger English Theatre gesammelt. Gerade aus Letzterem kommen erste Impulse für die künstlerische Neuaufstellung des NSL, für die besonders Rivera verantwortlich zeichnet. »Wir wollen die vielen Expats in Leipzig miteinbeziehen«, sagt die künftige Geschäftsführerin. Damit sind hier lebende Nichtdeutsche gemeint. »Mit ihnen und für sie wollen wir produzieren.« Mehrsprachiges Arbeiten sei vorgesehen sowie Ansätze von Mitmach- und Bürgertheater. Insgesamt soll die Ausrichtung internationaler sein.

Der Sommer bildet die Transformationsphase. Einleiten wird diese das Sommertheater der Cammerspiele auf der neuen Open-Air-Bühne im Biergarten – bei Regen geht’s in den Saal. Gezeigt wird Dario Fos »Bezahlt wird nicht!«, eine Farce als Faustschlag gegen die Gegenwart. »Kapitalismuskritik« ist fast zu harmlos fürs schwarzhumorige Stück des Nobelpreisträgers über Krise, Inflation, Sparpolitik und die Entpolitisierung der politischen Subjekte. Regie führt Thomas Deubel, im bewährten Spielteam sind unter anderem Donis, Verena Noll und Georg Herberger. Folgen werden »Italienische Sommernächte« mit Performance und Musik jenseits der Italo-Klischees. »Die Sommerbühne ist als Übergangsprojekt gedacht«, sagt Rivera. »Inhaltlich bietet es einen Ausblick auf die kommende Spielzeit.« Das Programm beinhaltet Theater- und Bastelworkshops für Kinder, lokale Gastspiele und Poetry-Slams, die Teams von NSL und Cammerspielen arbeiten dafür zusammen.

»Es bleibt ein idealistisches Projekt«, sagt Daniel Kellermann. »Aber mit einer Spur Pragmatismus«, ergänzt Letizia Rivera. Beide lachen, scheinen aufeinander eingespielt.

Für die Stabübergabe wird sich der NSL-Verein auflösen, der die künstlerische Seite des Hauses bis jetzt verantwortete. Die bisher Verantwortlichen Claudia Rath und Markus Czygan werden die Rolle der Hausverwaltung für den Schweizer Besitzer des Gebäudes übernehmen. In diesem haben auch andere Kreative ihre Büros – es soll einen Dachnamen erhalten, der nicht mit dem künstlerischen Programm zusammenfällt.


> »Bezahlt wird nicht!«: 9.7., 19.30 Uhr (Premiere), 10./11., 15.–19., 23.–27.7., 19.30 Uhr, Neues Schauspiel Leipzig


Kommentieren


1 Kommentar(e)

Korrektor 10.07.2025 | um 11:22 Uhr

Der altersweise Hund heisst Puschkin, nicht Kafka ;)