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Politik

26. November: Die Ludolfs und der Sozialstaat

CDU und Linke wollen Kita-Beiträge mit ungewöhnlichen Ideen senken

  26. November: Die Ludolfs und der Sozialstaat | CDU und Linke wollen Kita-Beiträge mit ungewöhnlichen Ideen senken  Foto: Stefan Ibrahim


»Kitabeiträge!« Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) ruft den nächsten Tageordnungspunkt auf und guckt etwas ungläubig auf sein Tablet: »Mit Änderungsantrag von Riekewald und Weickert… Es gibt immer wieder neue Konstellationen«, sagt Jung und grinst. Das Team aus Linken-Fraktionschefin und ihrem CDU-Konterpart habe laut Weickert nichts weniger vor als eine »umfassende und große Reform« des Sozialsystems, für die sich Jung auf Bundesebene einsetzen soll.

»In der Tat immer wieder neue Farbenlehre hier im Stadtrat«, sagt Michael Weickert. »Das zeichnet ja auch die Buntität aus, um mal ein schönes Kunstwort zu nutzen.« Fragende Gesichter bei den Stadträten, die von Weickert normalerweise mit lateinischen Sprichwörtern malträtiert werden. »Buntität kennen wir doch noch von den Ludolfs, lieber Kollege Geißler! Aber ist lange her…«, sagt Weickert und hebt verständnisvoll die Hand, die aus seinem blauen Nadelstreifenanzug guckt.

Damit Eltern künftig keine Beiträge mehr für Krippen, Kitas und Horte zahlen müssen und auch das Essen ihrer Kinder dort kostenlos ist, sollen sie bis zum Ende der Grundschulzeit ihrer Kinder kein Kindergeld mehr bekommen. Denn bis zu diesem Alter würden Eltern das Kindergeld ohnehin vor allem für Kitabeiträge und Schulessen ausgeben, sagt Weickert. Deshalb könne der Staat damit auch direkt die Kostenfreiheit finanzieren, wodurch gleichzeitig Bürokratie abgebaut werden könne. »Jeder, der mal ein Formular ausgefüllt hat, um sich von bestimmten Kosten befreien zu lassen…«, sagt Weickert. »Da bin ich wieder bei Eisenhowers Invasionsplan am D-Day: Ich glaube, der war weniger komplex.« Im Rücken von Lateinlehrer, Trash-TV-Experte und Historiker Weickert ringt Jung mit weit aufgerissenen Augen um Fassung.

Gleiches versucht Juliane Nagel (Linke). »Sich hier Konstrukte einfallen zu lassen, die beim Kindergeld die Axt anlegen, dem können wir mehrheitlich in der Fraktion nicht zustimmen«, erklärt Nagel die Differenz zu ihrer eigenen Fraktionschefin. Denn viele andere Bundesländer hätten die Beitragsfreiheit aus eigener Kraft finanziert – wogegen sich Weickerts CDU auf Landesebene gesträubt habe. »Das finde ich unehrlich, wenn Sie jetzt hier die großen Reden schwingen«, sagt Nagel.

Auch die Grünen zeigen sich »irritiert« (Marsha Richarz) und die SPD »erschrocken« (Frank Franke) über die Koalition aus Riekewald und Weickert. »Die Behauptung, Kindergeld wird ja nur wieder für Kitagebühren ausgegeben, ist fachlich dünn, sozial blind und viel zu simpel gedacht«, sagt Richarz. »Als ob Eltern diese gut 250 Euro nicht für alles Mögliche brauchen.«

»Ich finde es ja hochinteressant, was man bewirken kann, wenn einfach nur zwei Namen, die vielleicht sonst nicht zusammenarbeiten, einen Antrag einbringen«, sagt Riekewald und verteidigt ihren Antrag weiter gegen Kritik aus den eigenen Reihen. Am Ende stimmt der Stadtrat zwar dafür, dass sich Jung für die Beitragsfreiheit einsetzt, aber gegen Riekeweickerts Kindergeld-Pläne. Dafür erhält der Ursprungsantrag der Freien Fraktion eine Mehrheit, nachdem sich Jung auf Landesebene für eine Gesetzesänderung einsetzen soll, die es Kommunen ermöglicht, Kitabeiträge gerechter am Einkommen der Eltern zu berechnen.


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