Mitten im Interview klingelt das Handy, sein Stellvertreter wähnt ihn noch in München. Doch Planungsdezernent Engelbert Lütke Daldrup ist längst wieder zurück im Leipziger Rathaus. In der bayerischen Landeshauptstadt hatte er tags zuvor mit der Leitung der Treuhand Liegenschaftsgesellschaft (TLG) über die Möglichkeit einer Ausschreibung des Feinkost-Geländes verhandelt, nachdem Ende September klar geworden war: Die Akteure im Feinkost-Streit, naTo und Genossenschaft, kommen nicht zusammen.
Mitten im Interview klingelt das Handy, sein Stellvertreter wähnt ihn noch in München. Doch Planungsdezernent Engelbert Lütke Daldrup ist längst wieder zurück im Leipziger Rathaus. In der bayerischen Landeshauptstadt hatte er tags zuvor mit der Leitung der Treuhand Liegenschaftsgesellschaft (TLG) über die Möglichkeit einer Ausschreibung des Feinkost-Geländes verhandelt, nachdem Ende September klar geworden war: Die Akteure im Feinkost-Streit, naTo und Genossenschaft, kommen nicht zusammen.
Das Ultimatum der Stadt war ohne Fortschritt in der Sache verstrichen, und die – getrennt erfolgten – Konzept-Präsentationen hatten sich als nicht tragfähig erwiesen. Was soll nun werden? Lütke Daldrup rief die Fraktionschefs aller Stadtratsparteien zusammen und beriet mit ihnen die Lage. Mit der Ausschreibung des problembeladenen Grundstücks ergreift das Rathaus nun den letzten Strohhalm, um den von den Bewohnern der Südvorstadt gewünschten Kultur- und Gewerbehof Feinkost vielleicht doch noch auf den Weg zu bringen.
kreuzer: Offensichtlich konnte weder das Konzept der naTo noch das der Genossenschaft die Stadt überzeugen. Warum nicht?
ENGELBERT LÜTKE DALDRUP: Das Hauptproblem besteht darin, dass es kein gemeinsames Konzept gab. Das war ja immer der Wunsch der Handelnden auf dem Gelände der Feinkost: ein gemeinsames Konzept für einen Kultur- und Gewerbehof vorzulegen. So sind sie angetreten und auf dieser Grundlage habe ich exakt vor einem Jahr mit der TLG vereinbart, dass sie das Gelände für einen Euro bereitstellt. Das ist leider nicht erreicht worden. Wir mussten feststellen, dass es keine Einigung der Beteiligten gibt.
kreuzer: Alle Vermittlungsbemühungen sind gescheitert, erst die von der Stadt angestrengte Mediation, zuletzt die Gespräche mit den Grünen. Sie saßen bei den beiden Präsentationen im Rathaus Ende September mit am Tisch. Warum kommen beide Seiten nicht zusammen?
LÜTKE DALDRUP: Nicht nur die Grünen, auch andere Parteien haben sich dort engagiert. Es gibt im Grunde zwei Themen, die wir wohl zur Kenntnis nehmen müssen: Auf der einen Seite sind die Konzepte inhaltlich nur bedingt kompatibel. Wir haben die Gruppe um die naTo, die ein Konzept entwickelt hat, das sich stark am Kulturstandort naTo, LOFFT und Cinémathèque orientiert und einen Endzustand klar umschreibt. Auf der anderen Seite haben wir eine Genossenschaft mit nicht ganz klarer, auch wohl wechselnder Zusammensetzung, die ein alternatives Gewerbekonzept vorgelegt hat, das so angelegt ist, dass heute eben kein definierter Endzustand beschrieben werden kann. Das ist auch nachvollziehbar, weil das Konzept eine andere Philosophie verfolgt, einer schrittweisen Entwicklung mit offenem Ausgang. Insofern haben wir es mit zwei verschiedenen »Konzeptkulturen« zu tun.
kreuzer: Ist das bisherige Scheitern des Feinkost-Prozesses Ihrer Meinung nach allein auf Sachgründe zurückzuführen? Oder spielen irrationale Faktoren – persönliche Animositäten, unvereinbare Strukturen und Arbeitweisen – eine wichtigere Rolle?
LÜTKE DALDRUP: Ich habe, wie viele andere auch, den Eindruck gewonnen, dass es neben dieser sachlichen Problematik auch personelle Probleme zwischen den handelnden Akteuren gibt, die kein Einvernehmen möglich gemacht haben. Und es ist klar: Wenn man mit sachlich unterschiedlichen Konzeptideen agiert, kann man so etwas nur zusammenbringen, wenn auch auf der persönlichen Ebene Vertrauen zwischen den Beteiligten herrscht. Diese Vertrauensbasis scheint nicht vorzuliegen.
kreuzer: Apropos Vertrauen – haben Sie den Eindruck, dass die beteiligten Seiten mit offenen Karten spielen – sowohl untereinander als auch gegenüber der Stadt und der TLG?
LÜTKE DALDRUP: Dazu kann ich mir kein Urteil erlauben, weil ich ja nur an einem Teil der Gespräche teilgenommen habe. Ich kann nur das Ergebnis konstatieren: dass wir es mit zwei Kulturen des Vorgehens zu tun haben, die schwer zusammenkommen.
kreuzer: Die Stadt hat sich nun wirklich für die Südstadtszene stark gemacht. Und dann das. Sind Sie enttäuscht?
LÜTKE DALDRUP: Was ich wirklich schade finde und auch persönlich sehr bedaure, ist, dass es nicht gelungen ist, sich in der Szene zu verständigen und diese große Chance beim Schopfe zu packen.
kreuzer: Was bringt jetzt eine öffentliche Ausschreibung? Was kann und soll der potenzielle Investor eigentlich leisten?
LÜTKE DALDRUP: Die Ausschreibung ist der letzte Versuch, dieses Projekt zu retten. Da es keinen Konsens der Beteiligten gibt, hat die Stadt jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder sie sagt, gut, es ist endgültig gescheitert. Oder wir gehen auf die TLG als Grundeigentümer zu und machen mit ihr gemeinsam noch einen allerletzten Versuch. Dafür können verschiedene Konzepte, jeweils für das gesamte Gelände, erarbeitet werden. Wobei wir sagen: Ein Essential für die Stadt Leipzig besteht darin, dass die naTo auf dem Gelände eine Spielstätte bekommt. Denn sie ist zurzeit in einer Liegenschaft untergebracht, die unzureichend ist und einen hohen Investitionsbedarf erfordert. Das ist der einzige Grund, wieso die öffentliche Hand hier mit Stadtsanierungsmitteln helfen könnte.
kreuzer: Es ist im Moment schwer vorstellbar, dass angesichts der personellen Rahmenbedingungen jemand so verrückt ist, dort Geld zu investieren.
LÜTKE DALDRUP: Ich will die kleine Chance, die noch da ist, nicht verstreichen lassen, weil mir an dem Projekt eines Kultur- und Gewerbehofes in der Südvorstadt sehr viel liegt. Klar ist natürlich, dass eine Ausschreibung nur dann Erfolg haben kann, wenn für das gesamte Gelände ein plausibles Finanzierungskonzept vorliegt. Da werden wir uns des Rates von Sachverständigen bedienen, sowohl der Industrie- und Handelskammer als auch der Sparkasse, die ja bisher als Partner bei beiden Verfahrensbeteiligten im Gespräch war.
kreuzer: Heißt das, beide Finanzierungskonzepte – sowohl von der naTo als auch von der Genossenschaft – waren nicht überzeugend?
LÜTKE DALDRUP: Sie waren noch nicht hinreichend überzeugend. Wir erkennen durchaus an, dass daran intensiv gearbeitet wurde, aber es stellt sich heraus: Eine Finanzierung kann nur dann funktionieren, wenn es ein Konzept für das gesamte Feinkostgelände gibt. Ein Teilkonzept wird von keinem der beteiligten Berater als finanziell tragfähig eingeschätzt.
kreuzer: Wenn jetzt mit einem Investor eine dritte Partei ins Spiel kommt, dann wird der finanzielle Spielraum – der eh schon eng ist, wie der Streit um die Gastronomie-Rechte zeigt – doch noch enger?
LÜTKE DALDRUP: Das wird man sehen. Es gibt ja verschiedene Möglichkeiten. Die beiden Beteiligten haben sich auch schon Gedanken zum Gesamtprojekt gemacht. Sie können versuchen, sich dafür zu bewerben. Es könnte sich auch ein Dritter bewerben. Es geht nicht darum, dass hier ein Grundstückspreis optimiert werden soll, sondern ich hoffe weiterhin, dass eine Basis für einen symbolischen Kaufpreis gefunden werden kann. Das Grundstück ist in einem sehr schlechten baulichen Zustand. Es gilt, eine solide Finanzierung zu finden, damit es überhaupt funktioniert.
kreuzer: Wenn die naTo für Sie gesetzt ist und nun vorhat, sich für das Gesamtprojekt zu bewerben, dann ist das doch die wahrscheinlichste Option, oder?
LÜTKE DALDRUP: Ich spekuliere da gar nicht. Man muss sehen, was uns vorgelegt werden wird. Am Ende entscheidet die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Konzeptes – und die Frage, ob die naTo als Kultureinrichtung eine adäquate Unterbringungsmöglichkeit darin findet. Das sind die beiden zentralen Kriterien.
kreuzer: Auch wenn Sie nicht spekulieren wollen: Sie haben erklärt, dass die naTo im Konzept Platz finden muss. Das heißt doch im Umkehrschluss, die Genossenschaft muss das Feld räumen?
LÜTKE DALDRUP: Das halte ich für einen voreiligen Schluss. Zumal die Genossenschaft kein homogenes Gebilde zu sein scheint.
kreuzer: Mal vom stadtplanerischen Aspekt des »Südstadtflairs« abgesehen: Kann die Stadt durch das geplante Kulturzentrum sparen?
LÜTKE DALDRUP: Bei der Unterbringung der na-To ist das richtig. Aber das primäre Interesse der Stadt ist, die Szenekultur in der Südvorstadt zu stärken. Wir sind darauf angewiesen, interessante junge Leute für Leipzig zu gewinnen; das ist auch ein ganz wichtiges stadtpolitisches Thema. Insofern ist ja auch das Engagement vieler Verwaltungsmitarbeiter, auch mein Engagement, überhaupt zu erklären, sich so intensiv um dieses Thema zu kümmern. Alle Vermittlungsbemühungen zielen darauf ab, diesen Szenebereich Südvorstadt als ein Aushängeschild für Leipzig zu unterstützen.
kreuzer: Gibt es eigentlich Erhebungen darüber, wie viel die Stadt bisher in diesen ganzen Prozess schon an Zeit, Personal und Mitteln investiert hat?
LÜTKE DALDRUP: Außer viel Papier, das beschrieben wurde, hatten wir keine großen Aufwendungen. Aber wir haben erhebliche Personalressourcen gebunden. Bei den Projekt-Präsentationen saßen sicherlich zehn Verwaltungsmitarbeiter am Tisch. Mir ist kaum ein Projekt bekannt, mit dem sich die Stadt so intensiv beschäftigt hat.
kreuzer: Was passiert, wenn die Ausschreibung erfolglos bleibt? Gibt es einen Plan B?
LÜTKE DALDRUP: Ich habe keinen Plan B. Dann muss die TLG entscheiden.
kreuzer: Wie könnte das weitere Verfahren praktisch aussehen?
LÜTKE DALDRUP: Man wird für einen sorgfältigen Ausschreibungsprozess etwa ein halbes Jahr brauchen. Wir werden die Ausschreibung – wenn die TLG unserem Vorschlag folgt – bis Ende des Jahres vornehmen. Dann muss man sicherlich einen fairen Zeitraum von zwei, drei Monaten einräumen, um die Konzepte endgültig zu entwickeln und entsprechende Finanzierungszusagen beizubringen. Wenn alles gut geht, können wir im Frühjahr 2006 zu einer Entscheidung kommen.