Was haben der Erich Loest von 2007 und die Leipziger Karl-Marx-Universität (KMU) von 1970 gemeinsam? Der Schriftsteller, der 1957 zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, und die Hochschule, deren Aufgabe auch die »Erziehung sozialistischer Persönlichkeiten« war, bewegen sich auf einer Ebene im Entstehungs-prozess von Kunst, sind Auftraggeber für Gemälde, für die sie inhaltliche Vorgaben treffen.
Was haben der Erich Loest von 2007 und die Leipziger Karl-Marx-Universität (KMU) von 1970 gemeinsam? Der Schriftsteller, der 1957 zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, und die Hochschule, deren Aufgabe auch die »Erziehung sozialistischer Persönlichkeiten« war, bewegen sich auf einer Ebene im Entstehungs-prozess von Kunst, sind Auftraggeber für Gemälde, für die sie inhaltliche Vorgaben treffen.
Vor fast 40 Jahren erhielt Werner Tübke den Auftrag, für das neue Hauptgebäude der Uni ein Wandbild zu schaffen, das »Arbeiterklasse und Intelligenz« zum Thema hatte. Der Maler vereinigte auf seinem Gemälde über 100 Einzelfigu-ren: Studierende, Hochschullehrer, Bauarbeiter und die damalige Leipziger Politprominenz. Das 1973 fertiggestellte Wandbild rückte erst in letzter Zeit in das Blickfeld einer größeren Öffentlichkeit, als es wegen des Campus-Umbaues ab-montiert und die Absicht der Universität bekannt wurde, das Werk in den neuen Gebäuden am Augustusplatz wieder aufzustellen.
Dagegen wandte sich mit harschen Worten unter anderem Erich Loest, der das »SED-Agitpropstück« erst ins Museumsdepot verbannen wollte und dann auf die Idee kam, als Privatmann ein Bild bei Reinhard Minkewitz in Auftrag zu geben, das als »Gegenbild« oder »Ergänzung« des Tübke-Gemäldes den inneruniversitären Widerstand gegen die sozialistische Umgestaltung thematisieren soll. Der Entwurf wurde im Mai für kurze Zeit der Öffentlichkeit präsentiert. Vor der Kulisse der 1968 gesprengten Universitätsgebäu-de breitet der Maler eine große leere, mehrfach gebrochene Fläche aus, in der verschiede-ne Personen dargestellt werden: Wolfgang Natonek ist da zu sehen, der liberale Studenten-rats-vorsitzende, Werner Ihmels, der in Bautzen umkam, oder der Studentenpfarrer Siegfried Schmutzler. Aber auch der Philosoph Ernst Bloch und der Literaturwissenschaftler Hans Mayer gehören dazu.
Kann man mit guten Gründen »Arbeiterklasse und Intelligenz« eine idealisierende Darstel-lung einer scheinbar heilen DDR-Welt nennen, die den Erwartungen der Aufraggeber entsprach, muss man aber auch dem Minkewitz-Bild Harmonisierung oder gar Idealisierung attestieren. Denn der hier in den Mittelpunkt gerückte uni-versitäre Widerstand stellte keine einheitliche Gruppe dar, da die einzelnen Personen unterschiedliche Haltungen zur DDR vertraten. Wie schrieb Hans Mayer in seinem 1991 erschienenen Buch »Der Turm von Babel«: »Das schlechte Ende widerlegt nicht einen – möglicherweise – guten Anfang.« Zumindest ein Plädoyer für die Wahrnehmung von geschichtlichen Differenzierungen lässt sich da herauslesen. Dass das Minkewitz-Bild mit der vorgegebenen Thematik dazu beiträgt, ist zu bezweifeln.