»Indische Musik«, diese beiden Wörter verknüpfen heutige europäische Synapsen fast automatisch mit »Bollywood«. Das wiederum wird dann weiterverknüpft mit dem Gedanken an lustig bunten Trash, der inzwischen auf Super RTL läuft. Die Begleitmusik dazu finden manche nur interessant, weil es ihnen rätselhaft erscheint, wie die Sängerinnen sie derart hochfrequent dahinfiepen können. Nee, geh mir bloß weg mit indischer Mugge! Dabei wurde Musik in Indien eigentlich aus religiösen Gründen konzipiert, um letzte Wahrheiten zu erkennen. Nein, nicht das Bollywood-Zeug. Die Rede ist von indischer klassischer Musik. Eine ihrer derzeit herausragendsten Interpretinnen konzertiert am Mittwoch im Grassimuseum: die Geigerin Kala Ramnath.
»Indische Musik«, diese beiden Wörter verknüpfen heutige europäische Synapsen fast automatisch mit »Bollywood«. Das wiederum wird dann weiterverknüpft mit dem Gedanken an lustig bunten Trash, der inzwischen auf Super RTL läuft. Die Begleitmusik dazu finden manche nur interessant, weil es ihnen rätselhaft erscheint, wie die Sängerinnen sie derart hochfrequent dahinfiepen können. Nee, geh mir bloß weg mit indischer Mugge!
Dabei wurde Musik in Indien eigentlich aus religiösen Gründen konzipiert, um letzte Wahrheiten zu erkennen. Nein, nicht das Bollywood-Zeug. Die Rede ist von indischer klassischer Musik. Eine ihrer derzeit herausragendsten Interpretinnen konzertiert am Mittwoch im Grassimuseum: die Geigerin Kala Ramnath. Was ihre Bekanntheit in der Heimat und ihre Virtuosität betrifft, könnte man sie am ehesten mit Anne-Sophie Mutter hierzulande vergleichen.
Ansonsten sind die beiden musikalisch so weit voneinander entfernt wie Indien und Deutschland räumlich. Schon die Haltung des Instrumentes lässt kulturelle Unterschiede erkennen: Die Violine klemmt sich Kala Ramnath nicht unters Kinn, sondern sie liegt locker auf dem Oberarm und wird auf dem Boden sitzend gespielt. Stimmung und Spieltechnik unterscheiden sich so von der europäischen, dass man sich bisweilen fragt, ob es überhaupt eine Geige ist, die man da hört. Feinste Glissandi, »Meend« genannt, schaffen den sanglichen, typisch indischen Klangkosmos, der aus Intervallen besteht, die bisweilen kleiner als Vierteltöne sind.
Diese immens sublimierte Tonkunst erlernte Kala Ramnath ab dem Alter von drei Jahren, zunächst von ihrem Vater und ihrer Tante. Um zu interpretatorischer Perfektion zu gelangen, ging sie später bei dem in Indien legendären Musiker Pandit Jasraj in die Lehre. Jasraj selbst ist Sänger und spielt die Violine gar nicht. Das ist kein Widerspruch. Unter allen musikalischen Darbietungsformen genießt der Gesang in Indien das höchste Ansehen. Und ein Instrumentenspiel gilt vor allem dann als virtuos, wenn es die menschliche Stimme imitiert. Hierzu ist die Violine besonders geeignet, wegen ihres Vermögens, Töne lange zu halten.
Die Kunst, die Geige in Vollendung singen zu lassen, machte Ramnath innerhalb weniger Jahre zum Star. Die indische Presse feiert sie als »Sultana of Strings«. Was an einer Geige ist aber eigentlich indisch, schließlich ist sie ein europäischer Import? Importiert wurde das Instrument zwar. Allerdings geschah das schon im 17. Jahrhundert, also etwa zur selben Zeit, als das Instrument in Europa populär wurde. Eine indische Geigentradition hat sich beinahe parallel zur europäischen entwickelt.
Am vorläufigen Endpunkt dieser Entwicklung in Indien steht Kala Ramnath. Nach Leipzig geholt hat sie der Hamburger Verein Raga e. V., der indische klassische Musik in Deutschland fördert. In Zusammenarbeit mit dem Grassimuseum will der Verein voraussichtlich auch zukünftig hochkarätige indische Musiker in Leipzig auftreten lassen. Und natürlich hat der Verein auch Leute unter Vertrag, die ganz urindisch Sitar spielen. Nur Bollywood wird man nicht erwarten dürfen.