Ist beim gepflegten Gelage schon mal der Pfeffi ausgegangen? Bei der Salsaparty der Tequila? Oder einfach nur Lust auf ein kühles Blondes zu nachtschwärmerischer Zeit gehabt? Ein Fall für den Getränkenotruf, der laut Eigenwerbung noch liefert, wenn andere schon schlafen. Eine Tour durch die Nacht mit den modernen Bierkutschern.
Ist beim gepflegten Gelage schon mal der Pfeffi ausgegangen? Bei der Salsaparty der Tequila? Oder einfach nur Lust auf ein kühles Blondes zu nachtschwärmerischer Zeit gehabt? Ein Fall für den Getränkenotruf, der laut Eigenwerbung noch liefert, wenn andere schon schlafen. Eine Tour durch die Nacht mit den modernen Bierkutschern.
»Willkommen in der Notrufzentrale,« begrüßt mich das Team vom Getränkenotruf in ihrem Lindenauer Lager. Im Schaufenster prangt gelb die Telefonnummer. Neben dem Schreibtisch hängen Plakate von der Jazzkantine und Kevin Coyne. Gerade will ich mir einen Stuhl schnappen, da kommt der erste Anruf: Ein Kasten Beck’s plus Zigaretten werden geordert. Los geht die Fahrt im dunkelblauen Familienwagen. Die hinteren Seitenfenster ziert ein Sonnenschutz mit Winnie Puuh und seinen Freunden. Am Rückspiegel baumelt eine kleine Diskokugel. Metallica schallt aus den Boxen: »Gimme fuel, gimme fire, gimme that which I desire ...«
21:25 – Die WG beim Peterssteinweg erwartet bereits auf dem Treppenabsatz stehend sehnlich unsere Ankunft. Oder besser: die des Bieres. Nun kann die Spontanparty gelingen. Eine solche Situation war der Gründungsanlass, erzählt Getränkenothelfer Jens Fuhrmann, Fury genannt, auf der Rückfahrt. Der hochwüchsige 36-Jährige trägt Jeans, eine Schirmmütze und die Montur der Durstbekämpfer, ein schwarzes T-Shirt mit der aufgedruckten Telefonnummer. Aus der eigenen Not haben zwei Freunde und er 2004 eine Geschäftsidee gemacht: einen nächtlichen Bringdienst, der an 365 Tagen im Jahr das gesamte Stadtgebiet beliefert. Reich seien sie noch nicht geworden. Der Notruf bleibt ein Nebenverdienst, versichert mir Fury, der im bürgerlichen Leben als Mediengestalter arbeitet. Neben Selbstausbeutung treibt die Partyretter der Dienst an der guten Sache an. Diese ruft, kaum dass wir die Zentrale wieder betreten.
21:50 – In der Friedrich-Ebert-Straße nimmt ein zufriedener Kunde im Darkwave-Shirt den Kasten Ur-Krostitzer entgegen. Mit seinem Leergut im Gepäck geht es zurück nach Lindenau. Den Laden in der Endersstraße gibt es seit einem Jahr. Die günstige Miete ist der Grund für die Lage, zentrumsnäher wäre es natürlich praktischer. Ich verstehe, was Fury meint, als wir mit einer Ladung Prosecco wieder losbrausen: Hallo Lützner Straße, hallo Baustellen.
22:15 – In der Brockhausstraße sollen wir anrufen, statt zu klingeln, das Kleine schläft. Der Türöffner schnarrt, und eine junge Mutter empfängt uns freudestrahlend. Zum Flirten bleibt keine Zeit. Während wir auf dem Rückweg die Lützner Straße entlang gurken, erklingt ein weiterer Notruf: Ein Stammkunde bestellt einen Elfer-Kasten Beck’s und eine Flasche Ramazotti.
22:35 – Das nächste Ziel ist eine Wohnung am Rathaus Leutzsch. Der Bewohner um die 30 freut sich über die KREUZER-Begleitung und bricht in Lobreden aus. Solche Kunden sind den Getränkenothelfern die liebsten. Ihre Klientel ist sehr gemischt. Da gibt es das Partyvölkchen, wie die Gruppe junger Leute, die mit der nächsten Bestellung den Notruf in Anspruch nimmt.
23:05 – In der Straße des 18. Oktober hellen eine Lage Mixery, Wodka und Cola die Stimmung auf. Manche Kunden lassen sich ihre Getränke grundsätzlich nur von den Nothelfern liefern. Diese tun fast alles für ihre Kunden und verschenken auch mal die eigenen Rommé-Karten. Zumeist sind es kleinere Aufträge, doch einmal wurden 72 Kisten Bier geordert.
23:25 – Eine ungewöhnliche Lieferung halten wir im Musikerviertel in den Händen: nur alkoholfreie Getränke und eine Tüte Flips. Man weiß nie, was die nächste Auslieferung bringt. »Manchmal gibts Turbulenzen, wenn man es mit Alkoholisierten zu tun hat«, sagt Fury. Und einmal wurde auf einer Party schon die Kiste Bier geleert, ehe der Bezahlvorgang abgeschlossen war. Immer wieder werde er von bierseligen Kunden zum Mittrinken eingeladen, erzählt er.
23:45 – Das Paar in einer Probstheidaer Siedlung möchte lieber allein bleiben. Zwei Flaschen Rotkäppchen haben die Liebenden bestellt. Sie feiern Verlobung, und wir kommen pünktlich zum Gratulieren. Glücklich, etwas Prickelndes zum Anstoßen bekommen zu haben, versprechen sie uns, den Notruf weiterzuempfehlen.
Die nächste Fahrt führt ans Stadtende. Angesichts der Eingemeindungspolitik, meint Fury, muss man aufpassen, nicht draufzuzahlen. Deshalb betrage für Stadtteile wie Miltitz oder Holzhausen der Mindestbestellwert 15 statt 10 €. Nach langer Fahrt durch die Nacht kommen wir an einem ausgestorbenen Fleckchen an.
0:51 – Die jugendlichen Engelsdorfer lallen ausgelassen, als wir mit dem Sternburg eintreffen. Gut, dass sie nicht selbst losgefahren sind. Dank zusammengekratztem Geld und in Zahlung gegebener Pfandflaschen können sie nun noch etwas Bohème spielen am Stadtrand.
1:35 – Zurück in der Endersstraße, das Telefon bleibt stumm. So klingt der Feierabend. 91 Kilometer haben wir in dieser Nacht zurückgelegt. Am nächsten Abend werden die Partyretter wieder unterwegs sein und allen Leipzigern stressfreies Feiern garantieren.