Die Leipziger Kulturpolitik hat einen neuen Tiefpunkt erreicht, nachdem Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) beim Berufungsverfahren um die Nachfolge von Kulturdezernent Georg Girardet (FDP) Vertreter der Linken und der Grünen gegen sich aufbrachte und sich obendrein heftige Vorwürfe eines Bewerbers zuzog, der sich von ihm getäuscht sieht – und damit nicht allein steht.
Die Leipziger Kulturpolitik hat einen neuen Tiefpunkt erreicht, nachdem Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) beim Berufungsverfahren um die Nachfolge von Kulturdezernent Georg Girardet (FDP) Vertreter der Linken und der Grünen gegen sich aufbrachte und sich obendrein heftige Vorwürfe eines Bewerbers zuzog, der sich von ihm getäuscht sieht – und damit nicht allein steht.
Bereits im Januar hatte Jung der Fraktionsvorsitzenden der Linken im Stadtrat, Ilse Lauter, vorgeschlagen, einen eigenen Kandidaten aufzustellen. Im Februar ging er dann auf Wolfram Leuze, den Fraktionschef der Grünen, zu und ermunterte ihn, einen grünen Kandidaten »in die Spur« zu schicken. Pikant daran ist vor allem, dass beide Lager nichts von dem doppelten Spiel ahnten, dass der OBM mit ihnen trieb. Hatte Jung doch jeder Seite seine Zustimmung für den Fall signalisiert, dass ihr Bewerber mehrheitsfähig im Stadtrat wäre.
Sowohl Linke als auch Grüne wurden bei der Kandidatensuche fündig: Die Linke konnte Christoph Nix, derzeit Intendant am Theater Konstanz, gewinnen, der zuvor auch schon von Jungs SPD angesprochen worden war. Und die Grünen schickten Alice Ströver, kulturpolitische Sprecherin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, ins Rennen. Jung traf sich auf eigenen Wunsch mit beiden Bewerbern am Rande der Leipziger Buchmesse im März.
Bei der Kandidatenkür am vergangenen Wochenende, die aus sieben Einzelgesprächen mit dem engeren Bewerberkreis bestand, ließ er dann sowohl Nix als auch Ströver durchfallen. Nur durch einen Zufall war dabei herausgekommen, dass Linke und Grüne erst auf Jungs Signale hin eigene Kandidaten aufgestellt hatten.
Nun ist der Ärger groß: Die Grünen haben ein seit langem geplantes Treffen mit Jung abgesagt, und aus Konstanz kam ein geharnischter Brief vom abservierten Kandidaten Christoph Nix, der kreuzerONLINE vorliegt. Darin heißt es:
»Ihr persönlicher Wunsch war es, mich anlässlich der Buchmesse in Leipzig zu treffen. Wir haben uns dann vertraulich getroffen, als ich anlässlich einer Lesung aus meinem neuen Roman ,Junge Hunde‘ in Leipzig war. Dort habe ich deutlich gemacht, dass ich nicht von mir aus kandidiere, sondern nur, wenn es auch Ihrem persönlichen Wunsch und dem der Sozialdemokraten entspricht. Ich habe Ihnen eine Liste mit Referenzen überreicht und Sie auch gebeten, sich über meine Qualitäten zu erkundigen.
Nachdem Sie mir in diesen Punkten Ihre Zustimmung signalisiert hatten, habe ich (...) umgehend meinen Kulturbürgermeister in Konstanz von meinen Plänen unterrichtet, damit auch Klarheit herrscht: kein doppeltes Spiel.
Wir haben vereinbart, dass wir beide uns einen guten Politikstil, offene und ehrliche Verhältnisse im Umgang miteinander wünschen. Sie haben damals nicht die Wahrheit gesagt.
Ich habe (...) mit Alice Ströver in Berlin telefoniert, eine Frau, die ich gut kenne. Sie war Kandidatin, das habe ich jedoch erst am Sonntag erfahren. Jetzt weiß ich, dass Sie das gleiche falsche Spiel auch mit Frau Ströver gespielt haben: auch auf der Buchmesse in Leipzig, einen Tag vor unserem Gespräch.
Bisher habe ich unser Gespräch vertraulich gehalten, das muss ich jetzt nicht mehr. Ich hatte damals auch Zweifel, ob man mit Ihnen zusammenarbeiten kann, denn Sie haben auf der Buchmesse, obwohl wir uns kaum kannten, über Kollegen aus dem Stadtrat und dem Bürgermeisteramt hergezogen, was ich moralisch und professionell unmöglich fand.
Ich fand die Begegnung im Rathaus mit den Vertretern von CDU, FDP, Linken und SPD dagegen dann überaus freundlich und kompetent. Ja, ich hätte mit allen Parteien gut zusammenarbeiten können. Sie hätten einen gehabt, der als Volljurist kommunalerfahren große Einrichtungen geleitet hat. Sie hätten keinen Knecht bekommen, sondern eine Persönlichkeit. Davor haben Sie Angst. Darin liegt ein Führungsproblem.
Für das alles tragen Sie die Verantwortung (...) Von Frau Stöver habe ich erfahren, Sie hätten eine Pressemitteilung herausgeben wollen, in der hätte stehen sollen, es hätten sich keine geeigneten Bewerber gefunden. Davor möchten wir sie beide warnen, denn es würde Frau Strövers und meine Ehre verletzen.
Das Einzige, worüber ich mich ärgere, ist, dass ich noch einmal auf Politik vertraut habe, dass ich geglaubt habe, Sie hätten zumindest ein protestantisches Gewissen, das war mein Fehler. Sie sollen in der Findungskommission gesagt haben, wenn einer gegen Ihren Willen gewählt würde, so würden Sie ihm das Leben zur Hölle machen. Nun, Herr Oberbürgermeister, die »Hölle sind wir selbst«.
Frau Ströver und ich sind Ihnen entronnen, Sie bleiben zurück und sind ein Problem für die Politik in Leipzig. Unter uns protestantischen Brüdern: Treten Sie zurück!«