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»Alles ist Leiden« – Leben wie eine Nonne im Buddha-Land

Mit dem <em>kreuzer</em> auf die sieben Weltmeere – Der neue Blog auf <em>kreuzer</em> online (Teil 2)

  »Alles ist Leiden« – Leben wie eine Nonne im Buddha-Land | Mit dem <em>kreuzer</em> auf die sieben Weltmeere – Der neue Blog auf <em>kreuzer</em> online (Teil 2)

Unsere »kreuzer-Auslandskorrespondentin« Ele Jansen hat sich auf große Fahrt begeben und berichtet in einem exklusiven Reise-Blog über ihre Erlebnisse vor Ort. In dieser Folge aus einem buddhistischen Kloster in Thailand (mit Fotogalerie).

Unsere »kreuzer-Auslandskorrespondentin« Ele Jansen hat sich auf große Fahrt begeben und berichtet in einem exklusiven Reise-Blog über ihre Erlebnisse vor Ort. In dieser Folge aus einem buddhistischen Kloster in Thailand (mit Fotogalerie).

Zugegebenermaßen ist es etwas stereotyp für Westler, im Kloster auf Entspannung zu hoffen. Falsch gedacht. Zumindest anfangs ist das hier ist harte Arbeit. Aber die Zeit lässt sich trotzdem hervorragend dehnen. Gaaanz langsam.

»I rush through life as if I’m being chased. Even things whose whole point is slowness, like drinking relaxing tea. When I drink relaxing tea, I suck it down as if I was in a contest for who can drink relaxing tea the quickest.« Miranda July

Teil 2: »Alles ist Leiden« – Leben wie eine Nonne im Buddha-Land

Der Nachtzug hat zwar zwei Stunden Verspätung, aber ich habe bei dem sanften Rattern so gut geschlafen, dass ich noch weitere 14 Stunden fahren könnte. Chiang Mai ist Thailands zweitgrößte Stadt, wirkt aber dennoch ländlich. Auf dem Bahnhofsvorplatz versuche ich, einen guten Preis für die Fahrt zum 60 Kilometer entfernten Wat (Tempel) Chom Thong zu verhandeln. 35 Baht (ca. 80 Eurocent) erscheinen mir fair und ich merke, wie ich mich innerhalb kürzester Zeit auf diese unglaublich geringen Preise in Thailand eingestellt habe. Bei der Abfahrt landet mein Rucksack wie üblich ohne Befestigung auf dem Dachgepäckträger des Jeeps, und ich freue mich, ihn wiederzusehen, als ich vor dem Tempel aussteige.

Der Jeepfahrer verabschiedet sich, die Hände zum typischen wai-Gruß vor dem Gesicht zusammen gelegt. Ich drehe mich um, schultere meinen Rucksack und gehe zögernd durch das reich verzierte Tor in die beeindruckende Tempelanlage vom »Wat Phradhatu Sri Chom Thong Voravihara«. Der Haupttempel beherbergt die Takkhinamoli-Reliquie, bestehend aus drei Knochenstücken Siddharta Gautamas. König Asoka soll die für Buddhisten wichtige Reliquie an diesen Ort gebracht haben. Damit reicht die Geschichte des Ortes über 2.500 Jahre zurück. Der Tempel selbst besteht seit 400 Jahren.

Hier werde ich jetzt also drei Woche leben und für diesen Zeitraum ein Teil des »Sangha«, des Ordens. Ich fühle mich privilegiert. Nach einer kleinen Führung durch die Anlage, wird mir ein kleines, spartanisch mit Holzpritsche und Beistelltisch eingerichtetes Zimmer zugewiesen. Auf dem gekachelten Boden eine Sitzmatte und Meditationskissen für die verwöhnte Novizin aus dem Westen.

Seit 1991 bietet das Kloster englischsprachige Meditations-Kurse, die auf der Lehre der buddhistischen Theravada-Tradition basieren. Der Begründer der hier gelehrten Methode, Ajaan Thong Sirimangalo, ist in Nordthailand aufgewachsen, als junger Mönch nach Burma gegangen und hat die Meditationstechnik seines dortigen Lehrers, Mahasi Sayagaw, weiter entwickelt. Heute ist der Achtzigjährige einer der berühmtesten Vipassana-Lehrer Thailands.

Vipassana ist ein Pali-Wort – der Dialekt, der Buddhas Sprache am nächsten kommt – und steht für »klar sehen«, womit Introspektive, Einsicht und intuitive Weisheit bezüglich unseres Köpers, des Geistes und der Welt um uns herum gemeint sind. Kurz gefasst geht es bei dieser Form von Meditation um »liberating insight«, die erreicht wird durch die Achtsamkeit (Mindfulness) gegenüber Körper, Gefühlen, Geist und Geistobjekten (wie beispielsweise Schmerz, äußere Reize, alle Sinne).

Durch spezielle Konzentrationsübungen soll eine Erkenntnis erreicht werden, die es ermöglicht, dem Leidenszirkel des Lebens zu entkommen. Die Grundannahme dafür liefert der Buddhismus mit den vier noblen Weisheiten: 1. Alles Leben ist Leiden 2. Allem Leiden liegen Begierden zugrunde 3. Das Leiden lässt sich beenden, indem die Begierden beendet werden 4. Der Weg die Begierden zu beenden, ist der edle achtfache Pfad . Dieser bildet die Grundlage der Kloster- und Meditationsregeln. In der Praxis geht es weniger spirituell darum, teils unterbewusste Verhaltensweisen zu erkennen, und für sich selbst zu nutzen. Die Lehre ist gleichzeitig simpel und doch zu komplex, um sie hier zu erläutern. (Nähere Infos hierzu finden sich hinter dem unten stehenden Link zur Geo-Epoche).

Gegen all dieses Leiden hat man mir nun also einen strukturierten Tagesplan auferlegt. Um vier Uhr morgens wird geweckt, dann Meditation bis zum Frühstück um sechs Uhr. Darauf geht es gleich wieder ins Zimmer oder die Meditation Hall. Meist morgens hat jeder Student seinen »Report« beim persönlichen Lehrer. Um elf Uhr gibt es Mittagessen in der Klosterkantine. Ab dann wird bis zum nächsten Frühstück nichts Festes mehr zu sich genommen. Da die Meditationsstudenten hier wie Mönche und Nonnen behandelt werden, tragen alle die traditionelle weiße Kleidung, die das Kloster bereitstellt. Es darf weder geredet, noch geraucht oder irgendeine Art von Drogen zu sich genommen werden. Pro Nacht wird zunächst maximal sechs Stunden, dann sukzessive weniger geschlafen.

Auch der Lehrplan baut sich allmählich ansteigend auf, beginnend mit 10-minütigen Runden, die sich schrittweise zu einer Stunde aufbauen. Die Übungen bestehen aus achtsamen Geh- und Sitzmeditationen. Die intensiven Geistesübungen sollten nur von kurzen Pausen unterbrochen über den ganzen Tag betrieben werden. Und auch in den wenigen freien Minuten wird Wert darauf gelegt, dass jede Tätigkeit mit größter Achtsamkeit erledigt wird. Und so verbringt man den Tag im Zeitlupentempo.

Meine 21 Tage im Kloster enden mit dem Höhepunkt der Drei-Tage-Wach-Meditation in Einzelhaft. Dabei begleitet mich ständig »Long Time Woman« von Pam Grier. Kein Scherz: 72 Stunden ohne Schlaf meditieren, nur kurze Pausen und insgesamt fünf Mahlzeiten. Erstaunlich dabei ist, dass man mit fortschreitender Zeit an Energie gewinnt. So werden nicht selten lockere 90 schlaflose Stunden daraus. Selbst Tage später reichen häufig vier Stunden Schlaf pro Nacht. Und dennoch ist der Geist höchst aufnahmefähig. Wundert mich überhaupt nicht, dass Neurologen bei Mönchen ernorm erhöhte Gammawellenwerte gemessen haben. Man merkt förmlich, wie das Hirn neue Synapsen bildet.

Nach dieser Erleuchtung geht es zur nächsten Etappe der Reise. Allerdings bestätigt sich gleich eine der im Kloster gelernten Weisheiten: »Everything is changing constantly«. Der geplante Trip nach Japan wird verschoben, da meine Reisebegleitung kurzfristig vom UNESCO-Generalsekretär nach Gaza berufen wurde. Also geht es zunächst ins nahe gelegene Chiang Mai, dann weiter nach Kuala Lumpur und von dort mit dem Nachtzug ins kolonialgeschichtsträchtige Penang. Ele Jansen

Bildergalerie zu dieser Folge hier. Karte mit Routenverlauf und Etappenbeschreibungen hier.


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