Unsere »kreuzer-Auslandskorrespondentin« Ele Jansen hat sich auf große Fahrt begeben und berichtet in einem exklusiven Reise-Blog über ihre Erlebnisse vor Ort. In dieser Folge geht es um die Frage, warum Thailand als das Land des Lächelns gilt.
Unsere »kreuzer-Auslandskorrespondentin« Ele Jansen hat sich auf große Fahrt begeben und berichtet in einem exklusiven Reise-Blog über ihre Erlebnisse vor Ort. In dieser Folge geht es um die Frage, warum Thailand als das Land des Lächelns gilt.
Teil 3: »Das Land des Lächelns?«
Jeder, der einigermaßen aufmerksam an Reisebüros vorbei geht oder gelegentlich in Lifestyle-Magazinen blättert, wird das Klischee kennen: »Thailand – Das Land des Lächelns«. Dass dies nicht unbedingt dem individuellen Gemütszustand der Thais entspricht, bleibt dem Besucher allerdings oft verborgen. Denn: Es herrscht der klare soziale Auftrag zum Lächeln.
Ein Lächeln kann in der thailändischen Kultur der Ästhetik und des schönen Scheins vieles bedeuten. Zunächst einmal möchte der lächelnde Thai sein Gegenüber in eine harmonische Gemütslage versetzen. In den Touristenzentren des Landes bekommt diese psychologische Weichspülung natürlich den durchaus gewünschten Nebeneffekt, dem »Farang«, dem Westler, ein paar Baht mehr zu entlocken. Dem kann man allerdings seinerseits mit einem Lächeln begegnen. Im Endeffekt dreht es sich ja meist um ein paar Eurocent, die nicht wirklich schmerzen.
Ein weiterer Grund, die Mundwinkel zu heben, kann Scham sein. Diese Eigenart treibt bei den Thais seltsame Stilblüten. So wird nicht nur der Polizist, sondern auch der Gauner fotogen in die Kamera lächeln, wenn es zur Presseberichterstattung über eine Festnahme kommt. Das kommt dann sowohl einer Art Entschuldigung, als auch einem »war doch alles nur Spaß« gleich. Die Hauptsache ist, nicht das Gesicht zu verlieren. Auch diese schlimmste anzunehmende Schande für einen Thai gilt es, mit einem Lächeln zu überspielen, wie mir eine Nonne versichert hat.
Als Tourist, der täglich über die Preise verhandeln muss, kann man gar Sozialstudien zu diesem Thema machen. Habe ich zu hart gehandelt, wird der Thai sein Gesicht verlieren und noch bekräftigender (und verkrampfter) Lächeln. Allerdings – und das ist die Kehrseite der Medaille – hat auch der »Farang« sein Gesicht verloren, denn zu ernsthaftes und forderndes Handeln wird als Geiz ausgelegt. Also besser immer zurücklächeln. Oder drauf pfeifen. Wie der König, welcher der sozialen Pflicht des Lächelns enthoben ist. Überprüfen kann man das auf den unzähligen ausgestellten Fotos von ihm. Zwar habe ich ihn geschminkt gesehen, aber nie lächelnd. Diesen Luxus des Nicht-Lächelns gönnen sich auch zunehmend viele Teens, die sich ernsten Blickes anscheinend sehr lässig finden, und so (vielleicht) eine neue Ära im »Land des Lächelns« einläuten. Dabei bin ich mir jedoch sicher, dass die aufrichtige Freundlichkeit, die einem meist begegnet, erhalten bleiben wird.
Von dieser zeitweiligen Werte-Verweigerung ausgenommen sind allerdings Ästhetik und Schönheit. »Sanuk«, »Sabai« und »Suay« sind die drei Kernbegriffe der thailändischen Lebensphilosophie. »Sanuk« bedeutet »Spaß«, »Suay« heißt »schön«, und »Sabai« steht für »wohlig, angenehm, bequem«. So sehe ich auf den Straßen, in der Werbung und in Schaufenstern immer wieder den Schriftzug »SabaiSabai«. Bei doppelter Aufführung des Wortes kann der geneigte Leser von der Steigerung des angebotenen Wohlbefindens ausgehen. Was – in der Werbung wenig überraschend – nicht unbedingt stimmen muss.
Von den drei genannten Begriffen ist »Suay« der wichtigste, wenn man die Thais und ihre Lebensart verstehen möchte. Alles muss schön sein. Einen sehr integrativen Effekt hat diese Eigenart für die vielen Ladyboys (Katoey), die aufgrund ihrer oft erstaunlichen Schönheit einen gesellschaftlich hohen Stellenwert genießen. Vom Gesetzgeber wird das allerdings nicht so wichtig genommen, so dass auch Ladyboys zum Militär einberufen werden. Von der breiten Masse werden sie allerdings für ihre Erscheinung vielfach bewundert. Der Schönheitswahn zeigt sich nicht zuletzt auch in der Popularität von Schönheitswettbewerben, in der Gestaltung von Produkten und auf der Straße, an den Menschen. Dabei überstrahlt der äußere Schein häufig innere Werte. So bezahlen nicht wenige Männer einen ordentlichen Preis für die Schönheit ihrer Freundin: In den luxuriösen Shopping-Malls sieht man selten das Mädel zahlen oder die zahlreichen Tüten tragen.
Der Lebensstandard in Thailand ist seit meinem letzten Aufenthalt vor fünf Jahren enorm gestiegen. Auf den Straßen sehe ich SUVs, Pick-Ups, Luxus-Limousinen, an den Menschen das gesamte Apple-Sortiment und außerirdische Mobiltelefone. Die Shopping-Malls haben Ausmaße und führen Luxus-Marken in einer Dichte, wie wir sie in Deutschland meiner Ansicht nach nicht haben. Ein Grund dafür mögen die vielen Weißen vor Ort sein. Ein weiterer Grund ist die brummende Wirtschaft Thailands, nicht nur im Touristik- und Dienstleistungssektor, sondern auch im Maschinenbau und in der Ernährungsindustrie. Letztere schlagen sich besonders im Export nieder. So hat Thailand von den südostasiatischen Schwellenländern mit 245.659 Mio. US$ das fünfthöchste Bruttoinlandsprodukt.
Umso erstaunlicher ist es, dass man von dieser Emsigkeit als Besucher kaum etwas mitbekommt. Viel mehr erlebt man den Hang zum geruhsamen Leben, den Müßiggang, den Spaß am »Sanuk«, und das Feiern. Vielleicht ist des Rätsels Lösung gerade die Ausgewogenheit zwischen Arbeit und Vergnügen. Bleibt abzuwarten, wie sich die rasante Globalisierung auf die hiesige Arbeitsmoral und das Arbeitsklima auswirken wird.
Ein abschließender Gedanke zum Tourismus in Thailand (ohne Ausflug zum Sex-Tourismus): Seit Dezember gelten neue Aufenthaltsregelungen, die deutlich machen, dass Thailand sich künftig stärker auf Touristen einstellt, die Komplettpakete buchen, und den Individualreisenden etwas das Wasser abgräbt. So werden an den Landesgrenzen nur noch Visa für 15 Tage und nicht mehr für 30 Tage ausgestellt. Am Flughafen erhält man statt der bisher üblichen 90 Tage nur noch eine Aufenthaltserlaubnis für 30 Tage. So möchte die Regierung die »Visa Runs« der zahlreichen Aussteiger vermeiden. Viele dieser »Expats« (von Expatriates) aus dem Westen leben monatelang in Thailand – mit geringsten Ausgaben. Oder sie verdingen sich als Massage-, Yoga- oder Tauchlehrer, was von den einheimischen Geschäftstüchtigen ebenso ungern gesehen wird. Einen kleinen Einblick in die »duale« Welt der »Expats« bekommen ich und der geneigte Leser nächste Woche in Chiang Mai.
Von dieser virtuellen Stelle wünsche ich einen schönen Tag in der Heimat, wo auch immer die für Euch gerade sein mag.