Jeden Monat stellt die kreuzer-Kinderredaktion neue oder neu aufgelegte Bücher für große und kleine Leser vor. In diesem Monat mit »Mäuseplage«, »Mathilda Savitch« und »Ein Mond für Leonore oder die Kunst das kleine Glück zu finden«
Jeden Monat stellt die kreuzer-Kinderredaktion neue oder neu aufgelegte Bücher für große und kleine Leser vor. In diesem Monat mit »Mäuseplage«, »Mathilda Savitch« und »Ein Mond für Leonore oder die Kunst das kleine Glück zu finden«.
Von Menschen und Mäusen
Helga Banschs »Mäuseplage« und ist das reine Vergnügen. Sie erzählt augenzwinkernd, humorvoll und – was bei Kinderbüchern nicht immer der Fall ist – dramaturgisch exakt. Das Besondere sind ihre Zeichnungen. Banschs Mäuse sind Charakterköpfe. Das Titelbild beweist das: Ein roter Schuh als Piratenschiff der Mäuse. Und jede Maus hat zu tun – mit Fernrohr, gezücktem Säbel oder Kochlöffel. Die Lage ist schließlich ernst. Frau Sommer zieht ins Landhaus. Während die Dame, vom Typ naturferner Stadtmensch, auf dem Boden kriechend, die Mauselöcher mit Zeitungspapier verstopft (illustriert als echte Zeitung mit Fußballergebnissen), sehen die Mäuse vom sonnigen und erhöhten Platz auf einer Stuhllehne belustigt zu. Sie verwandeln den friedlichen Frühstückstisch, auf dem gerade der Kaffee kalt wird, in hastiges Markttreiben. Da werden Briefe ausgetauscht, eingekauft und Geheimnisse geflüstert. Es gastiert gerade ein Zirkus. Frau Sommers Obstschale eignet sich hervorragend als Manege. Die Tischdecke dieses Frühstückstisches ist als Millimeterpapier illustriert, was die Struktur der Tuschezeichnungen bricht. Soviel zum Tag – und was passiert nachts? Da pulsiert das Nachtleben. Die Mausejungen mimen eine 1A-Combo, während die Mausemädchen dazu auf dem Millimeterpapiertisch Cancan tanzen. Die Illustrationen vom Tag und von der Nacht sind die Bemerkenswertesten des Buches: originell und dennoch schlicht, handlungsreich und dramaturgisch geschickt verwoben. Hinzu kommt die für Helga Banschs Stil typische Farbwahl. Mit wenigen Farben und vielen Nuancen macht sie Charaktere und Stimmungen sichtbar. Da ist nichts künstlerisch gewollt, nichts gekünstelt. Und Frau Sommer? Nachdem selbst Mäusegift und eine Katze nicht helfen, zieht sie in die Stadt zurück und ist die Mäuseplage los. Aber trotzdem nicht glücklich. Die Natur fehlt ihr. Schließlich hat sie eine Idee, die der Geschichte ein geniales Ende gibt. Claudia Lindner
→ Mäuseplage, Helga Bansch, Jungbrunnen Verlag, 32 S., 13,90 €, ab 4 J.
Über die Wirrungen des Erwachsenwerdens
Man weiß nicht, ob man Mathilda Savitch lieben oder hassen soll. Die Dreizehnjährige ist, wie pubertierende Mädchen nun mal sind: in einem Moment himmelhochjauchzend, im nächsten zu Tode betrübt. Mathilda ist die Hauptfigur in einem Roman, der ihren Namen trägt. In »Mathilda Savitch« beschreibt Victor Lodato das Leben eines Kindes, das gerade zur Frau wird. Als sei die Pubertät nicht schon anstrengend genug, schleppt Mathilda auch noch ein Trauma mit sich herum. Ein Jahr zuvor ist ihre Schwester gestorben, von einem Zug überrollt. Im Klappentext schreibt der Verlag, Mathilda mache sich auf die Suche nach dem Mann, der ihre Schwester vor den Zug gestoßen habe. Aber mit einer Detektivgeschichte darf man nicht rechnen. Mathilda schnüffelt zwar in den Besitztümern ihrer Schwester rum, knackt ihr E-Mail-Postfach und trägt ihre Kleider. Doch damit löst sie nicht ein Puzzle als sei sie Miss Marple. Das Mädchen ist nicht wirklich auf der Suche nach einem ominösen Mann. Vielmehr will sie verstehen, wieso ihre Welt so verkommen geworden ist, nachdem ihre Schwester starb. Die Mutter trinkt heimlich Wodka, den sie überall im Haus versteckt und der Vater geht lieber mit dem Hund spazieren, anstatt gemeinsam zu essen. Je mehr man Seiten man liest, desto mehr fragt man sich jedoch, ob Mathildas Familie wirklich so schrecklich oder ob ihre Wahrnehmung gestört ist. Denn da sind zum einen die Hormone, die mit ihr durchgehen und zum anderen die Trauer um die geliebte Schwester, die sie nicht ausdrücken kann. Mathilda definiert sich als Maßstab der Realität und demnach sind alle anderen gestört. Victor Lodatos Buch erzählt die Wirrungen des Erwachsenwerdens, mit allen größeren und kleineren Problemen, in einer launischen und prägnanten Sprache und Kapiteln so kurz wie die Aufmerksamkeitsspanne eines Kindes. Während man immer tiefer in die Welt der Mathilda Savitch eintaucht, fragt man sich: »War ich auch so? So direkt? So nervtötend? So kompromisslos? So wirr?« Hoffentlich nicht. Pia Volk
→ Mathilda Savitch, Victor Lodato, Verlag C.H. Beck, 301 S., 17,90 €, ab 13 J. und für Erwachsene
Gesund und Glücklich
Leonore wird krank und muss im Bett bleiben. Sie hat zu viele Himbeersahnetörtchen gegessen und auch der Hofmedikus weiß keinen anderen Rat, als nach dem König zu schicken. Ihr Vater, der König, kommt besorgt zum Krankenbett der Tochter und verspricht, ihr jeden Wunsch zu erfüllen, der sie gesund machen würde. Da sagt die Prinzessin: »Ich wünsche mir den Mond. Wenn ich den Mond haben kann, dann werde ich wieder gesund.« Der König macht sich auf, diesen Wunsch zu erfüllen. Alle Gelehrten des Landes kommen mit aberwitzigen Vorschlägen, um den Mond vom Himmel zu holen. Allein der Hofnarr schaut genau hin und hat eine feinfühlige und weise Idee. Er erkennt, dass jeder seine eigene Sicht auf die Dinge hat, besonders auf so etwas Fabelhaftes wie den Mond. Er erfüllt die Sehnsüchte des kleinen Mädchens, indem er sich ganz in die Gedanken der Prinzessin einfühlt. Und so schafft er mit Leonores Hilfe den Mond herbei. Die Prinzessin selbst zerstreut mit kindlicher Logik die letzten Zweifel an der Richtigkeit ihres Mondes. Denn vor der sternenklaren Nacht fürchten sich der Hofnarr und der König am Meisten. Poetisch und vor allem komisch hat Philip Waechter dieses wundervolle Märchen illustriert. Geschrieben von James Thurber, einem großen amerikanischen Humoristen, erschien »Ein Mond für Leonore oder die Kunst das kleine Glück zu finden« erstmals 1943 in Amerika. Der Autor veröffentlichte in den USA vor allem Kurzgeschichten und Fabeln für den New Yorker. Sina Fischer
→ Ein Mond für Leonore oder die Kunst das kleine Glück zu finden, James Thurber mit Illustrationen von Philip Waechter, Sanssouci, 37 S., 7,90 €, ab 5 J.