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Kultur

Ostrealitäten

Die Kinostarts der Woche

  Ostrealitäten | Die Kinostarts der Woche  Foto: Filmstill »Mit der Faust in die Welt schlagen«/Across Nations

Thomas Beyer und Adrian Dorschner (»Bowlingtreff«) beleuchten in ihrer Doku den 2017 abgerissenen Sozialwohnungskomplex »Robin Hood Gardens« im Londoner East End. An diesem Abend stellen sie ihren Film persönlich vor.

»Robin Hood Gardens«: Stadtbibliothek, 8.4. 18 Uhr Film-und Architekturgespräch mit Regisseuren, 19 Uhr Filmvorführung
 

Film der Woche: »Frei nach dem Roman von Lukas Rietzschel« steht im Abspann, aber die Verfilmung ändert nur ein paar Details. Das Wichtigste behält sie bei: Die intensive Stimmung, die das Buch von 2018 ausmacht. Tobias und sein großer Bruder Philipp sind zwei durchschnittliche Jungs in einem durchschnittlichen Ort in der sächsischen Provinz Anfang der 2000er Jahre. Vor allem Tobias aber leidet unter den Eheproblem der Eltern, dem Alkoholproblem des Vaters und der Abwesenheit der Mutter, die als Krankenschwester viele Nachtschichten schiebt. Nachdem ihre Schule mit einem Hakenkreuz beschmiert wird, gerät Philipp auch noch in Kontakt mit den örtlichen Neonazis und Tobias ist von da an ganz allein mit seinen Sorgen. »Mit der Faust in die Welt schlagen« handelt nicht von Springerstiefeln und Baseballschlägern, sondern macht deutlich, dass tief verwurzelter Rassismus viele Bevölkerungsschichten durchzieht. Das Schauspiel ist großartig, vor allem das Leid der Kinder nimmt einen mit. Der Film zeigt keine Boshaftigkeit, sondern Verzweiflung und Perspektivlosigkeit. Gleichzeitig wird nichts verharmlost. Ganz ohne plumpe Gewalt entsteht trotzdem immer wieder Brutalität, die Figuren und Zuschauer gleichermaßen belastet. Das Ende wirkt etwas abrupt, an diesem Punkt wurden die 300 Seiten des Romans der Zeitspanne von 15 Jahren besser gerecht. Schockierend und sehenswert bleibt der Film natürlich trotzdem. ALEXANDER BÖHLE

»Mit der Faust in die Welt schlagen«: ab 3.4., Passage-Kinos

 

Neben Fritz Lang und Friedrich Wilhelm Murnau ist Georg Wilhelm Pabst – von seiner Familie stets GW genannt – weitgehend in Vergessenheit geraten. Als Stummfilmregisseur schuf er wegweisende Werke wie »Die Büchse der Pandora« und »Die freudlose Gasse«. Nach einem erfolglosen Ausflug nach Hollywood kehrte er zurück nach Wien und drehte zwei Filme unter dem Hitler-Regime. Nach dem Krieg konnte er nicht an seine frühen Erfolge anknüpfen. Seine Frau Gertrude war stets an seiner Seite, auch wenn es nicht leicht war. GW distanzierte sich von der Frau und seinen Kindern. Die Folgen reichen bis in die nachfolgenden Generationen. Angela Christlieb wählte für ihren Dokumentarfilm »Pandoras Vermächtnis« die Perspektive der Enkelkinder und verknüpft ihre Erzählungen mit den Briefen und Tagebuchaufzeichnungen von Gertrude und Ausschnitten aus den Filmen von Georg Wilhelm Pabst. So verankert sie ihre historische Dokumentation in der Gegenwart. Allerdings bleibt eine Distanz. Aufzeichnungen von GW kommen kaum vor, der Regisseurs bleibt ein Enigma, in das die Deutungen der Gegenwart nur wenig Licht werfen.

»Pandoras Vermächtnis«: ab 3.4., Passage-Kinos


In den Filmen von Ron Howard (»Apollo 13«, »Rush«) verfolgen die Figuren stets einen Traum. In »Eden« entwickelt der sich allerdings schnell zum Albtraum. Es ist das Jahr 1932. Während in der Heimat der Faschismus auf dem Vormarsch ist, hat sich der deutsche Arzt und Philosoph Dr. Friedrich Ritter (Jude Law) von der Gesellschaft abgewandt. Er lebt mit seiner Partnerin Dore Strauch (Vanessa Kirby) auf der Galapagos-Insel Floreana. Die ist zwar menschenleer, aber dafür ist das Überleben dort äußerst mühsam. Hier will er ungestört an seinem philosophischen Manifest arbeiten, das die Menschheit evolutionieren soll. Mit der Ruhe ist es allerdings bald vorbei, denn Kunde von Ritters vermeintlichem Paradies hat den Westen erreicht und so ziehen zunächst das Ehepaar Wittmer (Daniel Brühl und Sydney Sweeney) und dann auch noch eine Baronin (Ana de Amas) mit ihrer Gefolgschaft auf der Insel ein. Es beginnt ein intrigenreicher Kampf ums Überleben, den Howard recht spannend und visuell reizvoll, aber ziemlich vordergründig inszeniert.

»Eden«: ab 3.4., Passage-Kinos


Die ersten fünf Minuten sieht man durch die Windschutzscheibe. Das Auto folgt einer kurvigen Bergstraße im Südosten Frankreichs. Vor einer Bäckerei kommt es abrupt zum Stehen. Die Tür öffnet sich und heraus steigt Jérémie. Zehn Jahre war er nicht mehr im Dorf Saint Martial. Nun ist er zurückgekehrt, um der Beerdigung des Bäckers beizuwohnen, für den er als Jugendlicher gearbeitet hat. Im Haus von dessen Frau macht er es sich schnell bequem. Blättert nachts durch die Familienalben. Tagsüber streift er durch den umliegenden Wald. Das Rauschen der Bäume im Wind bildet den Soundtrack, für das, was folgt. Zunächst einladend, wird er bald zu einem Ort des Zwielichts.
Als eine Kriminalkomödie wird »Misericordia« vermarktet. Das ergibt aber höchstens Sinn, wenn man damit das Lachen angesichts des Abgründigen meint. Ein Lachen irgendwo zwischen Fassungslosigkeit und Selbstschutz. Eher gleicht der Film von Regisseur Alain Guiraudie einem Trip in die menschliche Psyche. Nah am Traum inszeniert er Gewalt und menschliches Begehren. In schlichten Dialogen werfen sich die Protagonisten Extremes an den Kopf. Passend dazu spielt Hauptdarsteller Félix Kysyl seine Figur als moderne Tom Ripley-Version. Im einen Moment freundlich, lässt er einem im nächsten das Blut in den Adern gefrieren. Das alles ist wunderbar stilsicher umgesetzt und bei aller Ruhe, voll überraschender Wendungen. Deren größte allerdings hebt sich Guiraudie bis ganz zum Schluss auf. JOSEF BRAUN

»Misericordia«: 10./11.4., 21 (OmU)

Weitere Filmtermine der Woche

22. Kurzsuechtig Kurzfilmfestival

»Who am I?« fragt das Kurzfilmfestival Kurzsuechtig in diesem Jahr und präsentiert vietnamesische Kurzfilme (3.4.). Neben den Filmemachern auf Identitätssuche in Südostasien gibt es wieder die Wettbewerbe Animation (2.4.), Dokumentarfilm (3.4.), Fiktion (4.4.) und Experimental (5.4.), sowie einen umfangreiches Rahmenprogramm. Außerdem wird am Samstag der Preis für Filmmusik und Sounddesign verliehen und ein Kinderfilmprogramm am Sonntag darf auch nicht fehlen.

Schaubühne Lindenfels, 2.-5.4. 
 

Sleep Has Her House 
GB 2017, R: Scott Barley, 90 min

Der experimentelle Mix aus Dokumentation und Horrorfilm führt sein Publikum in eine apokalyptisch anmutende Natur in Wales und in Schottland.

Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig, 05.04. 19:30 (Gegenkino, Kinoorgel Live!)
 

Der Weedtrain Der Never Ancame
D 2025, 45 min

Eine Kartoffel-Western-Mockumentary über den Untergang der Industriekultur in den quirligen Zeiten der Cannabislegalisierung.

Schauspiel Leipzig, 03.04. 19:30 (mit Konzert Radium Palazzo)
Nato, 09.04. 20:30

 

Colorful Stage! The Movie: A Miku Who Can't Sing 
J 2025, R: Hiroyuki Hata, 105 min

Der Anime handelt von einer Teenagerin, die in einem Plattenladen einen ihr unbekannten Song des Superstars Hatsune Miku hört. Sie entdeckt, dass sie sich in einer Art Parallelwelt befindet, in der Miku nicht berühmt ist.

Cinestar, 05.04. 16:45 (OmU), 06.04. 16:30 (OmU)
Regina-Palast, 05.04. 17:00 (OmU)
Cineplex, 06.04. 17:30 (Anime Special)

 

Die Frau im Nebel 
KOR 2022, R: Park Chan-wook, D: Park Hae-il, Tang Wei, Lee Jung-hyun, 139 min

Temporeich und meisterhaft zieht Park Chan-wook den Betrachter an der Nase durch sein Spiegelkabinett, bei dem manches Detail erst beim zweiten Hinschauen Sinn ergibt.

Cinémathèque, 06.04. 20:15 (OmU, Tatorte)
 

Die Ecke 
D 2021, Dok, R: Christa Pfafferott, 90 min

Anhand eines Fotos aus dem Thüringischen Ort Oberdorla vom April 1945, das einen erschossenen amerikanischen Soldaten zeigt, begibt sich die Regisseurin auf Spurensuche.

Zeitgeschichtliches Forum, 07.04. 19:00 (Reihe »Gegenwärtige Vergangenheit. 80 Jahre Erinnern an den Zweiten Weltkrieg«)
 

Bollwerk 
D 2025, Dok, R: Jakob Wehner, 60 min

Doku über drei Aktivist*innen gegen Rechts und ihre schwierige Arbeit in der sächsischen Kleinstadt Wurzen.

UT Connewitz, 10.04. 20:00 (mit Regiegespräch)
 

Die Statik der Träume 
D 2024, Dok, R: Filippa Bauer, 81 min

In den 1960er und 1970er Jahren verließen viele Menschen das damalige Jugoslawien, um im Ausland gutes Geld zu verdienen. In ihrer Heimat bauten sie im Sommer an großen Häusern für ihre Familien – Häuser, die oft nicht vollendet wurden und die für die heute erwachsenen Kinder unterschiedliche Bedeutungen haben.

Cinémathèque, 08.04. 19:30 (mit Regiegespräch)10.04. 19:00 Uhr


Stelios 
GR 2024, R: Irene Bita, Zabela Chaviara, Yorgos Tsemberopoulos, D: Christos Mastoras, Klelia Renesi, Asimenia Voulioti, 132 min

Biopic über das bewegte Leben des in seiner griechischen Heimat immens erfolgreichen Sängers Stelios Kazantzidis.

Cineplex, 06.04. 17:30 (OmU)
 

Dahomey 
F/SEN/BEN 2024, Dok, R: Mati Diop, 68 min

In ihrem mit dem Goldenen Bären in Berlin geehrten Dokumentarfilm setzt sich die französische Filmemacherin Mati Diop mit der Rückführung von Raubkunst nach Afrika auseinander.

Grassi-Museum für Völkerkunde, 09.04. 19:00 (Eintritt frei, mit Publikumsgespräch)
 

Der Berg spricht zum Meer

Experimenteller Zweikanal-Dokumentarfilm, der die Transformation von Arbeit und Leben durch Energiepolitik im südlichen Kaukasus untersucht.

Pöge-Haus, 06.04. 18:30 (Filmvorführung und Regiegespräch, OmeU)
 

Die Mühle der versteinerten Frauen
I 1960, R: Giorgio Ferroni, D: Pierre Brice, Scilla Gabel, Wolfgang Preiss, 96 min

In diesem in Amsterdam spielenden Gruselfilm ist »Winnetou« Pierre Brice in der Hauptrolle als zwischen zwei Frauen stehender Architekturstudent zu sehen.

Luru-Kino in der Spinnerei, 06.04. 18:00 (Analogfilmdoppel)
 

Der Mann ohne Körper
GB 1957, R: W. Lee Wilder, Charles Saunders, D: Robert Hutton, George Coulouris, Julia Arnall, 80 min

Ein schwerreicher US-Amerikaner will sich das wiederbelebte Hirn von Nostradamus einpflanzen lassen, doch natürlich geht dieser Plan schief.

Luru-Kino in der Spinnerei, 06.04. 20:00 (Analogfilmdoppel)
 

Faust: Eine deutsche Volkssage 
D 1926, R: Friedrich Wilhelm Murnau, D: Gösta Ekman, Emil Jannings, Camilla Horn, 106 min

Goethes bedeutendstes Werk in Stummfilmform, inszeniert von »Nosferatu«-Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau.

Westkreuz Plagwitz, 11.04. 20:30 (Tobias Rank am Blüthner Flügel)
 

Im Haus meiner Eltern 
D 2025, R: Tim Ellrich, D: Jenny Schily, Ursula Werner, Manfred Zapatka, 95 min

Als ihre Mutter ins Krankenhaus kommt, ist es an Holle, sich um ihren Bruder Jens zu kümmern. Der lebt zwar im Elternhaus, leidet aber an Schizophrenie und hat sich vor Jahrzehnten von allen zurückgezogen.

Passage-Kinos, 10.04. 20:15 (Premiere mit dem Filmteam)
 

No Other Land
N/PAL 2024, Dok, R: Basel Adra, Hamdan Ballal, Yuval Abraham, 95 min

Doku über die Zusammenarbeit zwischen einem palästinensischen Aktivisten und einem israelischen Journalisten.

Ost-Passage-Theater, 09.04. 19:00 (OmU)
 

Shorts Attack: Mein Ego und ich 

Acht Kurzfilme aus Europa und Kanada.

UT Connewitz, 11.04. 20:00
 

Robin Hood Gardens 

D 2022, Dok, R: Thomas Beyer, Adrian Dorschner, 90 min

Doku über den 2017 abgerissenen Sozialwohnungskomplex »Robin Hood Gardens« im Londoner East End.

Stadtbibliothek, 08.04. 18:00 (mit Film-und Architekturgespräch mit Regisseuren, 19 Uhr Film)
 

Jazz / People  
D 2022, Dok, R: Sebastian Lautenbach

Doku aus Leipzig über drei Jazz-Musiker*innen und die Dynamiken und Entwicklungslinien der Jazzszene.

Kinobar Prager Frühling, 10.04. 20:00 (Jazzclub Leipzig, Premiere mit Gästen)


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