Schon Aristoteles wusste um die besondere Wirkung des Theaters. In der reinigenden Katharsis sah er die Entlastung der Zuschauer von psychischen Spannungen. Doch ist das nicht dem Schauen vorbehalten. Im Spiel selbst liegen heilsame Kräfte und die Möglichkeit besonderer Selbstwahrnehmung. Die Grenzen zwischen Pädagogik und Therapie sind fließend, woran die Theorie puzzeln mag, sich die Praxis aber gar nicht stört.
Schon Aristoteles wusste um die besondere Wirkung des Theaters. In der reinigenden Katharsis sah er die Entlastung der Zuschauer von psychischen Spannungen. Doch ist das nicht dem Schauen vorbehalten. Im Spiel selbst liegen heilsame Kräfte und die Möglichkeit besonderer Selbstwahrnehmung. Die Grenzen zwischen Pädagogik und Therapie sind fließend, woran die Theorie puzzeln mag, sich die Praxis aber gar nicht stört.
Das zeigte auch der erstmals veranstaltete Wettbewerb »Goldene Spule« im Spinnwerk im März. Fünf Leipziger Theatergruppen mit geistig Behinderten und psychisch Kranken spielten um den ersten Platz. Mit einer Sketchparade sicherte sich »Das gewisse Theater« vom Klinikum St. Georg die Trophäe. Die Heilpädagogin Heidrun Hessel leitet die seit 2006 bestehende Gruppe, in der zurzeit neun chronisch psychisch Kranke mitspielen. Das darstellende Spiel steht nicht nur als Zeitvertreib auf dem wöchentlichen Programm. So berichtet Hessel, wie am Borderline-Syndrom Leidende psychisch so stabilisiert wurden, dass ihr Selbstverletzungszwang abnahm. »Die Rollenspiele fördern«, fasst Hessel das Grundanliegen zusammen, »bei allen Teilnehmern soziale Kompetenzen und vermitteln positive Gemeinschaftserfahrungen.«
Dem pflichtet auch Paul Lederer bei, der als Theaterpädagoge in verschiedenen Jugendprojekten aktiv ist: »Das Wichtigste bei allen theaterpädagogischen Ansätzen ist, dass der Prozess etwas mit der Gruppe macht.« Gestärkt würden so Selbstbewusstsein und Teamfähigkeit. Zugleich könne man sich im Theaterspiel selbst einmal anders nähern. »Es ist die Als-ob-Situation, das Rollenwechseln, das Theater als Methode interessant macht«, so Lederer. Die Aufführung ist daher bei den pädagogisch-therapeutischen Ansätzen gar nicht so wichtig, sondern dient vor allem als Motivation und Ziel für die Beteiligten.
So wie bei »Faule Haut« im Geyserhaus, das von der Agentur für Arbeit gefördert wird. Hier engagieren sich junge Hartz-IV-Empfänger ein Jahr lang in einem gemeinsamen Theaterprojekt. Sie proben täglich für das große Abschlussstück und zeigen saisonale Inszenierungen, etwa zu Ostern. Das Wissen, an einer gemeinsamen Sache zu arbeiten, spiele eine große Rolle, berichtet die regieführende Theaterpädagogin Maja Gille. Sie verpackt die persönlichen Probleme der jungen Menschen in spielerische Übungen mit Aha-Effekt. »Dann macht es plötzlich ›click‹ und sie denken anders über ihre Situation. Aber natürlich bin ich Künstlerin, keine Sozialarbeiterin«, räumt sie ein. Auch hier nehmen die Teilnehmer aus dem Projekt vor allem mehr Selbstsicherheit mit: Fast alle aus dem vergangenen Jahr sind heute unter Arbeitsvertrag oder studieren.
»Wann ist es Therapie, wann Pädagogik?« – Manfred Wallner erkennt zum Beispiel im Stärken des Selbstwertgefühls und der Orientierungshilfe therapeutische Elemente der Theaterpädagogik. Der Kunstpädagoge und -therapeut gründete 2006 das Leipziger Institut für Theaterpädagogik mit, in dem zehn freie Theaterpädagogen und -macher zusammengeschlossen sind. Da dieser Fachbereich in Sachsen noch nicht so etabliert und anerkannt ist wie in anderen Bundesländern, sieht er sich als eine Art Entwicklungsarbeiter. Derzeit ist die Initiative in den Aufbau eines sächsischen Landesverbands involviert. Für Leipzig wünscht er sich eine kommunale Koordinierungsstelle für Musik- und Theaterpädagogik, wie es sie in Dresden gibt.
Ganz ohne klassische Pädagogik, aber mit viel Therapie gehen die Leipziger Klinik-Clowns vor. Mit ihren Besuchen in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen sprechen sie Menschen auf eine im konventionellen Pflegealltag unbekannte Art an. So besucht Sophie Hanses-Ketteler als Mitglied von »Clowns & Clowns« Alten- und Pflegeheime. »Wir versuchen, die Menschen zu aktivieren und mit uns in die Clownswelt einzutauchen. Wir sind ein bisschen Seelsorger im Kostüm«, erzählt die Theaterwissenschaftlerin. Jeweils zwei Clowns besuchen monatlich die Heimbewohner für zehn Minuten in ihren Zimmern. Mit Komik und Musik bauen sie rasch intensiven Kontakt zu den Menschen auf. Ob die Besuche im Einzelfall gut waren, ist vor allem Gefühlssache. Die Clowns-Aktivistin erzählt: »Eine Heimleitung hat uns berichtet, dass die Leute nach den Besuchen immer viel wacher und aufgeweckter sind.« Aber auch mit den Clowns passiert was. »Manchmal geht es mir nach dem Clowns-Einsatz besser als vorher. Das gibt richtig Energie.« Auch hier gelingt also die Stärkung des Selbstwertgefühls – für Heimbewohner wie für Clowns. Das Theater ist am Ende für alle Beteiligten heilsam.