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Kultur

»Ich bin nur durch die Welt gerannt ...«

Ein Gespräch über die Lebenswege des Schauspielers Friedhelm Eberle

  »Ich bin nur durch die Welt gerannt ...« | Ein Gespräch über die Lebenswege des Schauspielers Friedhelm Eberle

Es gab Momente am Schauspiel Leipzig, über die könnte man sagen: »Wenn er von der Bühne ging, war sie leer.« Gemeint ist Friedhelm Eberle, der Grandsigneur des Leipziger Theaters. In diesen Tagen wird er 75. Von Wolfgang Engel entlassen, von Hartmann nicht gewollt, bekommt Eberle an der Oper Leipzig hingegen einen Vertrag nach dem anderen und wird vom Publikum regelrecht gefeiert.

Es gab Momente am Schauspiel Leipzig, über die könnte man sagen: »Wenn er von der Bühne ging, war sie leer.« Gemeint ist Friedhelm Eberle, der Grandsigneur des Leipziger Theaters. In diesen Tagen wird er 75. Von Wolfgang Engel entlassen, von Hartmann nicht gewollt, bekommt Eberle an der Oper Leipzig hingegen einen Vertrag nach dem anderen und wird vom Publikum regelrecht gefeiert.

Seine »Marienbader Intrigen« laufen ab September in der Oper. Das Textbuch aber, dass der Schauspielprofessor zur Zeit in den Händen hält, ist ein anderes: »Through Roses« für das Theater Magdeburg. Es ist offensichtlich, Eberle ist keiner, der zur Ruhe kommen will, keiner der in sich ruht, höchstens in seinen Rollen. Der kreuzer sprach mit ihm über das Älterwerden und sein neues Stück, und erfuhr dabei, wie sich sein Anspruch ans Theater im Alter gewandelt hat.

kreuzer: Herr Prof. Eberle, was ist für Sie das Positive am Älterwerden?

FRIEDHELM EBERLE: Also, ich kann nichts Positives finden. Ich find’s furchtbar. Obwohl ich mich wohl fühle. Aber ich will das Älterwerden nicht wahrhaben.

kreuzer: Und was ist mir der Lebenserfahrung, die das Älterwerden mit sich bringt?

EBERLE: Sollte, wenn man 75 ist, das Leben gelebt sein? Das zu akzeptieren, fällt mir ungeheuer schwer. Es zu verdrängen, ist leichter. Was für mich zählt ist, dass ich arbeiten kann.

kreuzer: Dann lassen Sie uns von Ihrer Arbeit sprechen. Als Sie nach Leipzig kamen, waren Sie Mitte 20. Die großen klassischen Rollen kamen relativ spät. Hamlet mit 38, Faust mit über 40. Warum hat Ihre Karriere erst dann begonnen?

EBERLE: Ich habe auch vorher Hauptrollen gespielt. D'Artagnan z.B. in »Die drei Musketiere«, mit Fechten und Springen und Toben. So etwas lag mir damals. Das war mein Anspruch. Pfundsrollen wie Hamlet oder Faust, in denen es eine geistige oder philosophische Basis zu erobern gilt, hätte ich mit Mitte 20 oder 30 gar nicht ausfüllen können. Da fehlte mir einfach auch die Bildung. Ich war mit Anfang 30 zwar ein erwachsener Mann, aber hinsichtlich der Bildung ein Anfänger.

kreuzer: Sie waren stets abonniert auf die Figuren der Väter, Könige oder Richter. Welche Rollen waren denn rückblickend gesehen die Eckfeiler Ihrer Karriere?

EBERLE: Ich habe mit Ende 50, dass ist sehr früh, den »Lear« gespielt. Und ich habe mich nie danach gesehnt, eine Rolle zweimal zu spielen. Aber als ich den Lear mit 65 noch einmal spielen durfte, mit der Erfahrung der ersten Inszenierung, wusste ich, das ist der Eckpunkt. Ein anderer Eckpunkt ist der Kreon in »Antigone«, eine Figur, die man gewöhnlich mit 30 spielt, höchstens 40. Ich habe sie mit 72 gespielt. Da hat man natürlich einen ganz anderen Anspruch und ein Repertoire an Erfahrungen, diesen zu erfüllen.

kreuzer: Da hat das Älterwerden doch etwas Positives?

EBERLE: Nein, aber wenn Sie so wollen: Ja.

kreuzer: Dann bleiben wir doch beim Älterwerden. Ihre Paraderollen im Alter sind die Figuren Samuel Becketts. Also nicht die Herrscher, sondern die Beherrschten: Wladimir in »Warten auf Godot« oder Krapp in »Das letzte Band«. Was fasziniert Sie immer wieder an diesen Figuren?

EBERLE: Erstens: Bei Beckett ist der Schauspieler mit all seinen Fasern gefordert und das ist es, was ich will. Und zweitens verlangen diese Rollen, ein Stück eigene Denkweisen preiszugeben. Da ertappt man sich plötzlich und denkt: »Mensch, das kannst du gewesen sein«.

kreuzer: Aktuell proben Sie am Theater Magdeburg »Through Roses«, ein Musikdrama, in dem Sie einen Musiker spielen, der, weil er Musiker war, Auschwitz überlebte. Wie geht es Ihnen mit dieser Thematik, denn auch das könnten Sie gewesen sein?

EBERLE: Genau das ist der Punkt. Und diese Gewissheit macht mich ruhelos. Hinzu kommt die Dummheit oder Naivität der Menschen, bei gesellschaftlichen Missständen wegzusehen. Es heißt im Text: »Wenn der Schornstein rauchte, sah ich nicht hin.« Das sind für mich ganz aktuelle Bezüge.

kreuzer: Man merkt, dass Sie diese Thematik sehr aufwühlt.

EBERLE: Ja, denn die Dummheit, wegzusehen, existiert ja nach wie vor. Und darin liegt für mich als Schauspieler der Reiz und der Anspruch: Zu zeigen, wie Verführung funktioniert, wie manipulativ der Mensch ist. Und wenn nur drei junge Menschen aus der Vorstellung gehen und sagen »Scheiß Schicksal, wie konnte das passieren?«, dann hat es sich für mich gelohnt. Aber das gilt nicht nur für die aktuelle Rolle, sondern das hat sich zu meinem generellen Anspruch ans Theater entwickelt.

kreuzer: Sie haben eine ungewöhnlich produktive Karriere hinter sich. Erinnert sei nur an Ihre weltweiten Gastspiele mit Kurt Masur. Wie würden Sie selbst Ihre Karriere beschreiben?

EBERLE: Hm ... Mit Goethe, »Faust II«. »Ich bin nur durch die Welt gerannt, ...« Und ich glaube, ich bin noch dabei. Wenn ich aufhöre zu arbeiten, werde ich alt. Aber ich sehe das gelassen. Wenn was kommt, mache ich das. Wenn nichts kommt, hört es eben von selber auf. Was dann wird, daran will ich jetzt nicht denken.


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