Die Füße parallel. Der Blick fest auf den Ball gerichtet. Ein kurzer Schwung und das weiße Rund fliegt in hohem Bogen durch die Luft, knallt gegen die Rückwand des Raumes und bleibt schließlich in einer rostbraunen Pfütze zwischen Holzresten und Elektroschrott liegen. Crossgolf ist die Independent-Version des häufig versnobt wirkenden 18-Loch-Spiels. Die einzige und wesentliche Regel lautet: Es darf niemand verletzt und kein Sachschaden angerichtet werden. Ansonsten sind die Spieler frei bei der Wahl ihrer Ziele.
Die Füße parallel. Der Blick fest auf den Ball gerichtet. Ein kurzer Schwung und das weiße Rund fliegt in hohem Bogen durch die Luft, knallt gegen die Rückwand des Raumes und bleibt schließlich in einer rostbraunen Pfütze zwischen Holzresten und Elektroschrott liegen. Crossgolf ist die Independent-Version des häufig versnobt wirkenden 18-Loch-Spiels. Die einzige und wesentliche Regel lautet: Es darf niemand verletzt und kein Sachschaden angerichtet werden. Ansonsten sind die Spieler frei bei der Wahl ihrer Ziele.
Ringo Rohe, genannt Rocko, und Benjamin Butzke haben mich an diesem Nachmittag zu einer Partie mitgenommen. Spielort ist eine verlassene Industrieruine in Plagwitz. Der Abschlag befindet sich in der hintersten Ecke des dritten Stocks. Das erste Ziel ist ein knapp 20 Zentimeter großes Loch im Fußboden zwei Räume weiter. Der Weg dorthin ist mit Türen, Wänden und Schutthaufen für den lediglich mit spärlichen Minigolf-Erfahrungen ausgestatten Autor im wahrsten Sinne des Wortes steinig. Gespielt wird mit handelsüblichen Golfschlägern und Schaumstoffbällen, die etwas weicher sind als normale Golfbälle. »Der Vorteil ist, dass Profigolfer sich alles neu kaufen wollen. Deshalb kommt man leicht und günstig an gebrauchte Schläger und Bälle«, erzählt Rocko. Ein Sechser-Eisen, wie wir es an diesem Nachmittag verwenden, sei bei Internetauktionshäusern schon ab fünf Euro zu ersteigern. Auch die Bälle seien günstig zu beschaffen.
Nach einigen Quer- und Rückschlägen sind wir mittlerweile eine Etage tiefer angelangt. Das neue Ziel ist ein großes Tor am Ende der Fabrikhalle. Auf dem Weg dahin sind allerdings zahlreiche Möbelreste und Müllberge zu umspielen. Dinge, die den normalen Golfer eher zum Wechsel des Clubs bewegen würden. Crossgolfer sind da weniger wählerisch, gespielt werden kann prinzipiell überall. Rocko: »Wir spielen häufig im Park am Völkerschlachtdenkmal. Auch Parkplätze und Straßen sind geeignet, wenn nicht zu viel Verkehr ist.« Passanten reagierten meist positiv auf die Crossgolfer, erzählt Rocko aus seiner dreijährigen Spielerfahrung: »Hin und wieder jagt mal ein Hund dem Ball hinterher oder Rentner wollen den Ball zurückwerfen. Die coolsten Reaktion gibt es meist von Leuten, die selbst golfen und dann unsere nicht immer technisch ausgefeilten Schläge kommentieren.« Verboten ist das Golfspielen im Park nicht, das hat Benjamin sogar schriftlich: »Ein Passant hat sich mal vehement über uns aufgeregt und mich am Weiterspielen gehindert. Ich habe dann das Grünflächenamt angeschrieben und mir bestätigen lassen, dass ich in den Parks golfen darf.«
Crossgolf ist ein Ganzjahressport, mit kleinen Einschränkungen, wie Benjamin berichtet: »Wir haben mal versucht, im Tiefschnee zu spielen, aber da sind die Bälle immer sofort eingesackt und man musste ständig suchen.« Man sollte sich bei solcher Witterung dann doch lieber schneefreie Orte zum Spielen suchen. Bei den sommerlich kühlen 15 Grad am heutigen Nachmittag sind Schneehaufen weniger das Problem als das dichte Gestrüpp, in dem der Ball beim Schlag aus dem zweiten Stock gelandet ist. Bei der Suche im Unterholz drängt sich die Frage auf, wie man zu einem solchen Sport kommt. »Das Videospiel Tiger Woods 2006«, antworten beide spontan. Rocko: »Danach hatte ich den Wunsch, mal Golf zu spielen. Aber ich wollte dazu nicht auf einen Platz gehen, mich blamieren und einen Haufen Kohle bezahlen. Also habe ich mir bei Ebay einen Schläger bestellt und bin auf die Wiese gegangen.«
Mittlerweile ist er dort nicht mehr allein, auch wenn die Leipziger Crossgolf-Szene mit knapp einem Dutzend meist junger Spieler eher klein ist. Telefonisch oder übers Internet verabreden sie sich zu Partien. Deutschlandweit erfolgt die Vernetzung über Internetforen, in denen Location- und Ausrüstungstipps ausgetauscht werden. Zu finden ist dort auch die Industriebrache in Plagwitz, in deren Innenhof ein alter aufgestellter Reifen als finales Ziel dient. Mit meinem 24. Schlag durchfliegt der Ball den Gummiring und bleibt im wuchernden Unkraut liegen. Was bleibt, sind verdreckte Schuhe und eine außergewöhnliche Golferfahrung, die Minigolf im Spaßfaktor um Längen schlägt.